In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Eine illustrative, kalligrafische Annäherung
Zu Beginn des Semesters war für mich sehr lange nicht auszumachen, in welche Richtung ich denken könnte. Das fächerübergreifende Thema ‚Politiken des Designs‘, der Titel des Kurses ‚Simple Truth‘ und die Vorgabe, dass die abschließende Arbeit zwar im weitesten Sinne mit Typografie zu tun haben, aber auch experimentell erarbeitet werden sollte, gaben einen weiten Spielraum vor.
Zunächst versuchte ich mich dem Thema zu nähern, indem ich kleine Grafiken und Schriftzüge entwarf. Dabei füllte ich fortlaufend die Seiten meines Skizzenbuchs mit Worten und Begriffen, Zitaten und Slogans.
Verschiedene Skizzen und Ideensammlung
Irgendwann hatte ich dort den Begriff ‚Scheinheilig‘ notiert und mir fiel auf, dass die zwei Wortteile – so wie Ying und Yang, Schwarz und Weiß, Gut und Böse – jeweils auch symbolisch für ein Prinzip menschlichen Verhaltens stehen könnten. Also suchte ich nach einer typografischen und experimentellen Darstellungsweise.
Skizzenhafte Annäherung an die eigentliche Umsetzung der Typo
Ich wollte die Worte ‚Schein‘ und ‚Heilig‘ so gestalten, dass sie von selbst den guten und den bösen Aspekt vermitteln würden. Nach einigen Skizzen fand ich auf einem Flohmarkt Buchstaben aus Metall, die von alten Grabsteinen stammten. Ich kaufte mir die Buchstaben für den ‚Schein‘ zusammen und schnitt dazu ein handschriftlich anmutendes ‚Heilig‘ aus einer Pappe aus, um die exakten, typografischen Zeichen optisch zu kontrastieren.
Alte Grabsteinbuchstaben und Schablone
Diese Lösung erschien mir aber noch nicht stark genug, also suchte ich nun zusätzlich noch nach einer bildhaften, illustrativen Ebene und stellte jedem Wort ein Foto zur Seite. Je länger ich über in Frage kommende Motive nachdachte, desto größer wurde die mögliche Bandbreite: von Kritik an unserer Ernährungsindustrie, unserer westlichen Lebensweise bis zu drastischen Bildern zu Krieg und Frieden kam plötzlich alle Themen in Betracht, die in irgendeiner Weise positive und negative Aspekte hatten. Wie zu Beginn des Kurses wusste ich nicht wie ich weitermachen sollte und wurde zunehmend unzufriedener mit der Richtung, in die meine Arbeit lief.
Die freigestellte Schrift in Kombination mit einer Bildebene
Schablone aus Packpapier für den experimentellen Siebdruck
Nebenbei hatten wir während des Seminars eine kleine Einführung in experimentellem Siebdruck, bei der nur mit Acrylfarbe, Schablonen aus Packpapier und ganz ohne das übliche Belichten und einen Siebdrucktisch, einige spannende Plakate entstanden. Mein Plakat ist eine Hommage an [‚PILSKILLS‘](http://pilskills.de/ „Pilskills.de“), eine Band von Freunden, die dieses Jahr, 2017, ihr zwanzigjähriges Jubiläum feiern.
Mein Motiv auf unterschiedlichen Papiersorten gedruckt
In einem Gespräch mit Professor Völker über den Fortgang des Projekts erwähnte ich dann eine andere Idee, die mich schon seit einer Weile beschäftigte: In der aktuellen Dauerausstellung des Jüdischen Museum Berlin gibt es eine Klanginstallation, die unablässig, von früh bis spät, ein Gedicht von Heinrich Heine abspielt. Da ich dort schon seit einigen Jahren arbeite, bin ich daran so oft vorbei gelaufen, dass ich das Gedicht mittlerweile auswendig weiß. Es heißt ‚Die Loreley‘ und handelt von einer sirenenhaften, blonden Schönheit, die, hoch oben auf einem Felsen sitzend, ein zauberhaftes Lied singt, das einen Flussschiffer so sehr in seinen Bann zieht, dass er mit seinem Kahn untergeht.
Die Installation im Jüdischen Museum Berlin
Ich hatte schon öfter darüber nachgedacht, wie eine moderne grafische Umsetzung der Loreley als Verbindung von Illustration und Kalligrafie aussehen könnte. Als ich wieder einmal an der Installation vorbeikam, hatte ich, im Zusammenhang mit meinen Überlegungen zum Kursthema, den Gedanken, dass der Schiffer auch einer der vielen Flüchtlinge sein könnte, die wieder und wieder mit ihren unzulänglichen, überfüllten Booten auf dem Mittelmeer kentern, weil sie, blind für jede Gefahr für Leib und Leben, einem verführerischen ‚Singsang‘ von Frieden, Freiheit und Wohlstand folgen. Ich entwarf eine comicartige Szenerie, bei der die einzelnen Panele wieder ein zusammenhängendes Gesamtbild ergeben sollten. Darüber wollte ich den Text des Gedichtes setzen, den ich vorher selbst kalligrafisch umsetzen würde.
Verschiedene Skizzen zu Bildaufbau und technischer Umsetzung
Durch die Suche nach dem Schreibwerkzeug, mit dem ich den Text so umsetzen konnte, wie er mir vorschwebte, musste ich mich dann näher mit dem eigentlichen Aufbau des Gedichts beschäftigen.
Die sechs Strophen auf mit Tusche auf einem A3-Format geschrieben
Insgesamt hat es sechs Strophen. Die ersten Beiden sind so etwas wie eine Einleitung, die dritte und vierte handeln von der ‚schönsten Jungfrau‘ und Strophe fünf und sechs bilden mit dem Untergang des Schiffers das dramatische Ende. Ich entschied daraufhin von dem großen Gesamtbild abzurücken und meine Illustrationen auch der Struktur entsprechend aufzuteilen, indem ich die ersten und die letzten zwei Strophen je als Einzelbild anlegte. Für die dritte und vierte Strophe wollte ich ein Doppelpanel zeichnen.
Bei der Arbeit an den finalen Szenen
Die fertigen Szenen und Textblätter bei der Werkschau 2017 in der Fachhochschule Potsdam
Digitale Komposition der Szenen und Texte in Photoshop
Die Strophen sind auf einem A3-Format geschrieben, die dazugehörigen Szenen im Format A1 auf eine Packpapierrolle gezeichnet. Für die Umsetzung habe ich Bleistift, Tinte, Chinatusche, Tusche auf Acrylbasis, Zeichenfedern und Marker benutzt.
Alle Szenen als finales Querformat