In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Das Versuchsprotokoll einer partizipativen Installation. Entstanden in dem Kurs McLuhan: Das Medium ist die Massage. Lektüre und Neueditierung eines Buches von 1967 bei Frau Prof. Dr. Birgit Schneider, WS 2016-17.
(quote: John Lennon im Interview mit Marshall McLuhan, 1969 image: Marshall McLuhan, Quentin Fiore, Jerome Angel: The Medium is the Massage, 1967, penguin books)
Das Medium ist die Massage.
Zuerst war der akustische Raum. Das Paradies. Ohne Grenzen, ohne Richtung, die Welt der Gefühle, die ursprüngliche Intuition als Ausgang. Alle Sinne ansprechend. Wort, Ton, Geste, Mimik. Dann der Sündenfall. Alphabetisierung fängt das gesprochene Wort und kategorisiert es. Gedankengänge werden wissenschaftlich systematischer statt metaphorisch bildhaft. Eine Abstraktion findet statt. Mit der Erfindung des Buchdruckes verändert sich so auch die Gesellschaft. Die Methodik und Abstraktion, die Alphabetisierung, wird großen Teilen der Menschheit zugänglich gemacht und verändert ihr Denken, weg vom Ursprünglichen. Das Buch als Erweiterung des Auges.
Die Erlösung. Das Elektronische Zeitalter. Elektronische Medien als Erweiterung des menschlichen Nervennetzes. Der Mensch ist erstmals in der Lage sich von seinem Körper zu lösen, wenn er Medien wie das Telefon benutzt. Ein weltumspannendes, einheitliches Bewusstsein entsteht, eine große Familie der Menschheit. Engagement und Teilhabe passieren auch ohne den eigenen Willen. Wir sind drin und dabei, angeschlossen an ein nach außen gestülptes Nervennetz. Immer erregt. Der Fernseher als synästhetische Erfahrung, die Bild und Ton in sich vereint. Der Zuschauer ist gleichzeitig mit dem Rest der Welt. Er ist live mit Geschehnissen, die überall auf der Welt passieren. Es folgt eine Stammesgesellschaft der Welt - ein global village.
Heute ist das Internet in all seinen Formen das Medium der Wahl. Es vereint viele bis hierhin da gewesenen Medien in sich. Das Buch, das Radio, den Fernseher, das Telefon. Die Plattformen bieten Möglichkeiten sich auszutauschen. Nie war der Informationsfluss so beständig, so gleichzeitig und so offen für Nutzer überall auf der Welt. Das globale Dorf, so scheint es, ist Wirklichkeit geworden. Doch die Vielfältigkeit und die Masse der Plattformen differenzieren einzelne Denkweisen und spalten die Menschen in mehrere Gruppen. Was ich nicht sehen, nicht hören möchte, blockiere ich. Was mich interessiert, das like ich, das taucht auf in meinem Newsfeed. Es bildet mein Denken, unterstützt meine Meinung und vernetzt mich mit Gleichgesinnten. Das Dorf in dem wir leben ist isoliert. Mein Dorf muss nicht dein Dorf sein. Das Internet ist überall um uns herum. Es begleitet uns Tag und Nacht. Die ständige Erregung, die Marshall McLuhan dem Fernseher zuschrieb, ist greifbar geworden.
Was passiert, wenn es wirklich nur ein Globale Village gäbe? Wenn die Blase, in der wir uns befinden, platzt und wir mit allen Meinungen und Informationen gleichwertig konfrontiert werden?
THEORIE
Ich möchte einen Raum schaffen, in dem es nicht nur möglich ist sich aus seiner Blase zu bewegen, sondern alle Blasen gleichzeitig auf dich einwirken. Ich stelle mir einen Raum vor. Clean, dunkel, still. Ein Versuchs- und Erlebnisraum, in dem eine Person in eine Blase geworfen wird, in der ihre Entscheidungsgewalt über likes und dislikes ausgestellt wird. Die Person nimmt auf einer Massageliege platz. Unter dem Kopfteil befindet sich eine Vorrichtung mit einem Bildschirm, der keine Möglichkeit bietet sich von ihm abzuwenden. Dieser ist zu Beginn schwarz. Dem Teilnehmer werden Kopfhörer aufgesetzt, er befindet sich nun in einer vollkommen Stille und Dunkelheit, unfähig sich wegzubewegen, verkabelt mit der Installation. Dann starten Ton und Video. Erst langsam, mit angenehmen, ursprünglichen Gesängen, oder Trommeln (Herzschlagrhythmus), der Teilnehmer soll sich noch wohlfühlen. Bilder und Ton aus der Popkultur, die jeder kennt. Found Footage aus dem Internet. Beides steigert sich langsam, es werden Bilder gegenübergestellt, die Gegenteiliges aussagen oder bewirken. Nischenkulturen werden hintereinander geschnitten. Es wird mit Videos, Internetseiten, Bildersuche, tweets, Facebookpost etc. gearbeitet. In der Liege sind außerdem drei Vibrationsmotoren eingebaut, die von außen mit Knöpfen angesteuert werden. Vorbeilaufende Besucher sollen dazu angeregt werden, diese Knöpfe zu drücken, in dem sie eine an einer nahestehenden Wand angebrachte Frage damit beantworten. Für den Probanden auf der Liege steigert sich schließlich alles bis zu einer unerträglichen Reizüberflutung.
… UND PRAXIS
Wie gestalte ich diesen Raum? Welche Mittel habe ich zur Verfügung? Welche Ästhetik liegt der Installation zu Grunde? Zur Klärung dieser und weiterer Fragen unterteile ich das Projekt im Arbeitsprozess in vier Bereiche.
Das Video bildet den Dreh und Angelpunkt der Installation. Seine Länge ist entscheidend für die Nutzungsdauer der Gesamt-Installation. Es soll der Mittelpunkt sein, aber trotzdem nur mit den anderen Komponenten zusammen seine volle Wirkungskraft entfalten (wozu bräuchte ich sonst noch die Massageliege?).
Bei der Ästhetik des Videos orientiere ich mich neben der einzigartigen Zusammensetzung des Buches zunächst an der Seite http://museumofinter.net/. Es soll laut, bunt, unübersichtlich, bewegt und poppig werden.
Ich unterteile das Feld Video in grobe Themen wie „Geburt“, „Gesellschaft“, „Pop Kultur“, „Porno“, „Krieg“/.. und fange an Menschen in meiner Umgebung zu fragen, zu googlen, und eine Menge Videos anzuschauen. Es steht die Frage im Raum, ob ich das Video mit einem Tool automatisch zusammen stellen lassen kann. Doch die Zeit ist knapp und ich finde auf die Schnelle nichts geeignetes. Also schneide ich (meiner Meinung nach) relevante Stellen aus mehr als 100 Videos mit, mache screenshots und sammle Material aus dem ganzen Internet. Ich erstelle einen Schnittplan, in dem ich die Gesamtlänge (ca. 3 min) notiere, sowie die Gliederung einzelner Abschnitte vornehme, in die ich die thematisch verschiedenen Videoteile einbette und ,zum gesamten Spannungsbogen passende, Effekte hinzufüge.
pw: mcluhan
In den anfänglichen Überlegungen (Ende Dezember/Anfang Januar) besitzt die fertige Installation eine glatte, ärztliche, cleane, fleckenlose Ästhetik. Doch ich merke schnell, dass sich dies in der kurzen Zeit nicht bewältigen lässt. Also entschließe ich mich, nicht nur die Probanden in ein Experiment zu stürzen, sondern auch mich selber einzubeziehen. Ich entscheide mich dazu, die Installation als solches in einem Anfangsstadium zu begreifen, und die Reaktionen der Probanden am Ende des Semesters in den weiteren Ausbau der Installation mit einzubeziehen. Es soll sichtbar sein, dass der Aufbau nicht fertig ist. Dafür wähle ich eine „Papp-Ästhetik“, wie die der Google Cardboard. Nur, dass die Nutzer nicht nur sehen, sondern auch fühlen sollen. Ein Feelboard aus Cardboard.
Aus der Ästhetik heraus entwickelt sich ein einfacher Aufbau. Unter das Guckloch der Massageliege klebe ich einen mit schwarzem Stoff ausgekleideten Pappkarton, in dem das Tablet liegt, auf dem das Video abgespielt wird. Nach mehreren Versuchen mit Vibrationsmotoren entscheide ich mich dazu, diese auf die Liege zu kleben, und nochmal extra mit einem Pack-Papier zu überziehen. Die Motoren werden mit einem Arduinoboard verkabelt, welches sich neben der Liege in einem Pappkarton befindet. Die Knöpfe, die die Motoren ansteuern, sind ebenfalls sichtbar mit Kabeln an das Arduinoboard angeschlossen. Auch die Knöpfe selbst sind aus Pappe gefertigt, genau so wie der Schriftzug (The Medium is the a: Massage, b: Message, c: Mass-Age), der an einer naheliegenden Wand befestigt ist und vorbeilaufende Besucher/innen zum Drücken der Knöpfe verleiten soll.
Die Vibrationsmotoren stellte mich vor eine größere gedankliche Herausforderung, die letztendlich praktisch doch ganz leicht gelöst werden konnte. Zunächst fragte ich in der Interface-Werkstatt an, um mir das nötige Equipment auszuleihen. Mit Fabians Hilfe konnte ich mir schnell die richtige Programmierung des Arduinoboards aneignen, mit dem ich die Motoren einzeln über Knöpfe ansteuern konnte.
Am Tag der Abschlusspräsentation veranstaltet der Kurs eine hochschulöffentliche Ausstellung. Ihre Besucher sind meine ersten Testpersonen.
Von außen sieht die Massageliege verlockend aus. Sie verspricht Entspannung und weckt Neugier. Die ersten Personen auf der Liege erschrecken bei den Vibrationen, bleiben aber bis zum Ende des Videos liegen. Auch die, mit den Vibrationsmotoren gekoppelten, Knöpfe können ihrer tiefergehenden Funktion nicht direkt zugeordnet werden. Nachdem die ersten Versuchspersonen von der Liege kommen, spricht sich langsam rum, welche Zusammenhänge in der Liege wirken. Die Probanden fangen an, gezielt die Vibrationsmotoren anzusteuern.
Das Video an sich wirkt anders als gedacht. Schon während der Bearbeitung merke ich, dass der Zusammenschnitt von vielen Videos dazu führt, dass man sich als Zuschauer nicht in die ganzen Grausamkeiten der gezeigten Bilder einfindet. Man lässt vielmehr einen Datenstrom auf sich niedergehen, bei dem die Masse der Videos ein schnelles Umschwanken bspw. von Bild 1, zu Bild 8, zu Bild 3, hervorruft. Diese Schnelligkeit des Blickes ist auch der Bearbeitung geschuldet, die die Videos jeweils nur kurz anspielt und/oder visuell-auditiv verzerrt. Die Schlussfolgerung ist eine nur oberflächliche Betrachtung vieler Videoteilausschnitte, in dessen mitschwingenden Geschichten der Proband sich so schnell nicht einfinden kann. Weiter gedacht sind die verwendeten Videos der Popkultur entnommen. So besteht trotzdem eine Wahrscheinlichkeit der Wiedererkennung von grundlegenden Geschichten. Dementsprechend bleiben die Probanden bis zum Ende des Videos auf der Liege. Niemand bricht vorher ab. Nach Gesprächen stellt sich wohl trotz allem eine gewisse Entspannung während der Durchführung des Versuches ein. Die Massageliege bildet einen angenehmen Rahmen,. Schon vor Beginn des Versuches als Entspannungsmöbel wahrgenommen, hilft sie den Probanden größtenteils dabei, sich voll auf das Video einzulassen und sich den Vibrationen zu öffnen. Nach der ersten Phase der Entspannung wirkt das Video teilweise hypnotisierend, die Vibrationen werden, wie geplant, zunächst mit dem eigenen Mobiltelefon assoziiert. Nach mehren Vibrationen an unterschiedlichen Stellen, stellt sich die Gewissheit ein, dass sie Teil der Installation sind. Sie stören die Entspannung und sind ein Faktor, der unberechenbar für den Probanden ist. Der Proband wird auf einer Ebene in ständige Erregung versetzt, die er nicht kontrollieren kann.
Der Zustand der geplatzten Blasen wird an sich nicht erreicht. Die Darstellung und das Erlebnis eines allgemeinen global village kann so nicht funktionieren. Dafür ist die Zusammenstellung der Einzelteile zu individuell und subjektiv gesteuert. Die Probanden erleben vielmehr in einer intensiven und schnellen Form die medial fundierte Erregung der eigenen Sinne an sich. Den Ist-Zustand der medialen Welt, und wie diese in Beziehung zum Subjekt Mensch steht.
Änderungen im Verfahren um ein global village zu erreichen: Das Video darf nicht subjektiv zusammengestellt werden. Um wirklich alle Blasen zusammenzuführen, darf an sich gar keine Auswahl stattfinden. Durch das Anwenden eines Tools, welches mit Zufälligkeiten in der Zusammensetzung und Verwendung von Teilvideos arbeitet, könnten eine Annäherung an die Darstellung aller Blasen erreicht werden. Die zeitliche Dimension der Installation muss neu überdacht werden. Es ist fraglich, ob die Probanden mit dieser Methode der Zusammenstellung, das global village in seiner Nicht-Existenz trotzdem für den Moment des Versuches erfahren können.
Daraus folgt für mich eine neue Aufstellung des Ausgangspunkt: Die Installation macht den Ist-Zustand der Medium-Mensch-Beziehungen fühlbar. Im alltäglichen Leben ist diese Beziehung allgegenwärtig. Sie schwingt mit, jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde. Im Fang der Installation gewinnt diese Beziehung an sichtbarer Macht. Das Medium übernimmt die perzeptive Kontrolle des Menschen, der als Empfänger, aber, different zum Alltag, nicht als Akteur, erregt mit ihr in (einseitig aktiver) Kommunikation steht.