In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Das 21. Jahrhundert, die Zeit großer Entdeckungen ist lange vorbei, die Welt größtenteils Kartografiert, nichts scheint mehr unbekannt kein Ort der Erde unerreichbar. Navigation ist optimiert und wird ständig auf dem neusten Stand gehalten. Es reicht die bloße Ort und Zielangabe und die besten Wege werden von Geräten berechnet. Doch sind die kürzesten, schnellsten, oder verkehrsfreisten Wege wirklich die besten? oder sollten andere, z.B. psychologische Faktoren in die Navigation mit einspielen?. Steigt in einer Zeit in der logische Arbeiten zunehmend von Geräten übernommen werden der Wunsch nach mehr Freiheit? Wann waren wir das letzte mal „LOST“?
Im Kurs “lost in Navigation” suchten wir Antworten auf diese Fragen. Mit Hilfe von spielerischen Aufgaben, Referaten und dem Besuch der Ausstellung “Gestaltung schafft wissen”, gelang es uns von den gewohnten Strukturen befreit neue Ansätze zu finden.
Zobeide
In einer Aufgabe zu Anfang des Kurses lasen wir Kurzgeschichten aus „Invisible cities“ von Italo Calvino. Zu einer der „unsichtbaren städte“-Zobeide entwickelten wir ein Navigationskonzept. Zobeide ist aus einem Traum aufgebaut, den viele Männer hatten: Sie sahen eine nakte Frau, mit langen Haaren die vor ihnen weg lief. Alle wollten die Frau erobern, doch keiner erreichte sie. Die Männer fanden sich gegenseitig und bauten die Stadt aus dem Traum nach. Überall wo die Frau entkommen war zogen sie eine Mauer, bis eine hässliche „Falle“ entstand.
Wir kamen zu dem Schluss ein Navigationssytem in Zobeide müsse ihre Bewohner nicht helfen sich in der Stadt zu orientieren sondern aus dieser „Falle“ heraus zu finden. Da die Frau aus dem Traum die einzige person ist die immer entkommt, projeziert das Gerät genau diese Frau.
Aus dieser Aufgabe heraus entstand die Idee eines “Ghost”- eher eine Gedankenstütze als eine Navigation. Sobald man das Haus verlässt sieht man Geister seiner Selbst, die genau die Wege entlang gehen die man schon gegangen ist. Vergleichbar mit einem Rennspiel (z.B. Need for Speed), könnten so Strecken miteinander verglichen, Zeiten überboten und Verbindungen zwischen den bereits erschlossenen Bereichen hergestellt werden. Obwohl wir diese Idee letztendlich verwarfen, spielte sie in unserem Prozess immer wieder eine Rolle.
Die Situationisten (1957-72)
Im Zuge eines Referates, befassten wir uns mit der „Situationistischen Internationale“. Die Mitte des 20. Jahrhunderts in Frankreich entstandene Bewegung lehnte sich gegen die Kapitalistische Gesellschaft. Überzeugt davon dass alles vorhandene der gegenwärtigen Gesellschaft nicht mehr entspricht entwickelte die SI neue Methoden der Kunst, Stadterkundung und der städtischen Bebauung. In der Dérive beispielsweise erkundeten die situationisten eine Stadt in dem sie sich frei von Karten nur von ihren Emotionen treiben ließen und erstellten bei oft stundenlangem Flanieren neue Karten. Darüber hinaus entstand der Entwurf einer urbanen Architektur „New Babylon“ von Constant Niewenhuys. Die Modulartig aufgebaute Stadt sollte ständig verändert werden können um den wechselnden Bedürfnissen ihrer Bewohner gerecht zu werden.
Den Gedanke, eine in die städtische Architektur integrierte Navigation zu gestalten, verfolgten wir bei unserem zweiten Projekt: Will-o-wisp. Indem wir uns mit der Situationistischen Bewegung befassten befreiten wir uns zudem von gewohnten Denkweisen. Wir konnten uns mit einer philosophischen Herangehensweise ein “leeres Blatt Papier” als Grundlage der Arbeit besser vorstellen statt auf bestehenden Systemen aufzubauen.
Jede Umgebung birgt Ablenkungen die den Menschen vom Weg abbringen, und im schlimmsten Fall dafür sorgen dass er sich verirrt. Während in der Natur ein zielloses Umherlaufen nach Art des Dérives akzeptabel ist, erlaubt das urbane Leben keinen derartigen Zeitverlust. Wir brauchen ein Gerät das uns an die Hand nimmt, uns ohne Umwege zum gewünschten Ziel bringt.
Die Lösung: Trojan
Scheuklappen bei Pferden verhindern dass die scheuen Tiere erschrecken und ausbrechen. Bisher war vielen unklar welchen Nutzen sie auch für den Menschen haben können.Indem der Helm sich um den Kopf des Trägers dreht wird eine genaue Richtung vorgegeben. Durch die Starke Einschränkung des Sichtfeldes ist es beinahe unmöglich, durch äußere Einflüsse Zeit zu verlieren und Zeit ist Geld. Der Mensch ist Gerichtet. Navigation war noch nie so einfach. Trojan bietet sich sowohl im privaten, als auch im geschäftlichen Gebrauch an. Besonders Arbeitgeber im Service Bereich können von der einfachen Navigation profitieren. Mögliche Szenarien wären: Trojan einem Postboten aufzusetzten der so effizienter seine Arbeitszeit nutzen kann, einem Kind das Einkäufe für die Eltern erledigen soll, Sportlern die einen Marathon Laufen. etc.
Critical Design
Als wir vorhandene Navigationsgeräte analysierten, fiel auf dass moderne Navigation wie z.B. Google Maps auf dem Smartphone dazu führt dass Menschen auf einen Bildschirm blicken und links und rechts davon kaum etwas wahrnehmen. Sie machen sich freiwillig zu Gefangenen ihrer Geräte. Diese Selbst-Einschränkung haben wir mit Trojan auf die Spitze getrieben. Auf den ersten Blick erfüllt es alle Anforderungen eines Navigationssystems. Spätestens beim Gebrauch jedoch entsteht eine unheimliche Atmosphäre, ein Gefühl des Eingesperrt seins, der Machtlosigkeit.
Bau & Funktionsweise
Der Helm, wurde aus Graupappe angefertigt die nach einem Schnittmuster im Lasercutter zugeschnitten wurde. Die Schwierigkeit beim Bau Trojans lag darin dass der Kopf sich frei um den Träger bewegen musste, und wenn dieser seinen Kopf bewegt zurück auf die Ursprungsposition gelangen sollte. Zunächst überlegten wir deshalb ein Gyroskop einzusetzen. Bei unserem ersten Prototypen entschieden wir uns allerdings für eine manuelle Steuerung über Arduino mit einem einfachen Servomotor.
Die Zweite hälfte des Kurses wurde mit einer allgemeinen Aufgabe um das Thema responsive everyday Objects eingeleitet. In einem kurzen Film sollten wir einen beliebigen Alltagsgegenstand zum Leben erwecken. Eingige Szenen des Videos sind in Stopmotion gedreht, da sich so unrealistische szenen fälschen lassen.
Passwort: staubi
Öffentlicher Raum als Interface
Seit Jahrhunderten wird öffentlicher Raum zur Navigation genutzt sei es durch Beschilderung oder Straßenmalereien. Und nicht nur das, auch Menschen und Menschlicher Kontakt ist ein uraltes Werkzeug der Navigation im belebten Raum, sei es durch erfragen des Weges oder einen einfachen Fingerzeig. Spätestens aber seit dem Erfolg des Smartphones, gibt es einen Trend hin zur Individualisierung der Navigation in form von Apps oder anderen Hilfsmitteln die einen möglichst ohne Umwege und Denkaufwand zum Ziel führen sollen. Diese Entwicklung aber bringt nicht nur Vorteile mit sich, es erschafft einerseits Abhängigkeiten (Akku, Eingabeprobleme, Verbindung, Mitschleppen) und andererseits verlieren wir den zum Teil den Kontakt zu unserer Umwelt durch die Fixation auf unsere Smart Devices. Nun leben wir aber eben in dem modernen Konstrukt Stadt, dass schon über allerhand öffentliche und halb-öffentliche technische Errungenschaften am Straßenrand verfügt. Zum Beispiel Straßenlaternen im (noch) niedertechnologischen Bereich bis hin zu dem Selbstfahrenden–parkenden Auto. Wie können wir diese also schon vorhandenen Systeme und Netze für uns, die wir an maßgeschneiderte, umweglose Navigation gewöhnt sind, nutzen? Warum frage ich meine eigene Hosentasche nach dem Weg wenn die Straße voller (auch digitaler) Bewohner steckt?
will-o-wisp (übersetzt: Irrlicht) steht im klaren Gegensatz zu unserem ersten Projekt. Nachdem wir die Defizite moderner Navigation erkannt hatten wollten wir nun ein Konzept entwickeln was uns wieder unabhängig macht. Will-o-wisp ist kein neues Gerät, sondern ein System das vorhandene öffentliche Objekte nutzt. Es gewährleistet dass sich Menschen freihändig bewegen können und hinterlässt dabei keinen Ökologischen Fußabdruck. Autos, Straßenlaternen etc. können mit Hilfe von Spracherkennung individuell nach dem Weg gefragt werden. Danach agiert z.B. eine Reihe von parkenden Autos im Kollektiv und zeigt durch kurzes Aufblinken der Lichter den Weg an,
Wir haben die Problemstellung Navigation im Kurs nicht vollständig gelöst, waren zwischendurch selbst „Lost in Navigation“, Der Elementar Kurs Prozess, hat jedoch wie der Name schon andeutet vorallem unser konzeptionelles Arbeiten gefördert. Es gab genügend Freiraum zu experimentieren und Dinge auszuprobieren die (noch) nicht realisierbar sind. Trojan war für uns ein erstes Critical Design Project. Es hält der Gesellschaft einen Spiegel vor, und zwingt sie dazu den Ist-Zustand zu überdenken. Um für neue Konzepte offen zu sein muss bei den Nutzern ein kritisches Bewusstsein für das Bestehende geschaffen werden. Dagegen war unser zweites Projekt ein optimistischer Blick in die Zukunft. Ein Modell für eine Zeit in der Carsharing die Überhand im städtischen Verkehr gewinnt, in der die Infrastruktur weitgehend aus Smart-Objects besteht. Zukunftsvisionen können wie bei den Situationisten immer fehlerhaft sein, doch sind sie die Grundlage neuen Designs.