In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
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Ein Redesign der Struktur und der Benutzeroberfläche.
Es gibt rund 6.800 Automaten an ca. 4.000 Standorten in Deutschland.
Unsere Aufgabe im Kurs „Grundlagen Visual Interfacedesign“ war ein Bedieninterface mit Screen unserer Wahl zu untersuchen, dessen Struktur visuell darzustellen und schließlich ein Redesign zu gestalten. Dazu kommt ein Plakat, das eine Übersicht davon zeigen soll.
Ich habe mich für den Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn entschieden, weil für mich die Bedienung viel zu kompliziert ist und ich regelmäßig verzweifelte Bahnkunden am Automaten stehen sehe. Also habe ich die Herausforderung angenommen!
Nach meiner ersten Recherche merkte ich jedoch ziemlich schnell, dass der Automat nicht unbedingt die Alleinschuld am Problem trägt. In einer aktuellen Befragung vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) halten nur 12% der Befragten das Tarifsystem der Bahn für verständlich. [1]
Folgender Auszug aus dem VCD Bahntest 2015/2016 beschreibt die aktuelle Situation: „Das gegenwärtige Tarifsystem im Bahnverkehr ist geprägt von sich ausschließenden Verbund-, Nah- und Fernverkehrstarifen. (...) Außerdem hat sich (…) eine Vielfalt von Sondertarifen, Informationssystemen und Vertriebskanälen entwickelt“. [1]
Es ist Aufgabe der Bahn und der Verkehrsverbunde, dieses Chaos zu lösen. Dennoch war ich mir sicher, dass man die Bedienung am Automaten trotzdem etwas übersichtlicher gestalten könnte.
Als allererstes sollte die komplette Struktur erfasst werden. Ziel der Visualisierung war aber nicht nur, dass wir mit einer kompletten Struktur konfrontiert werden und uns mit ihr auseinandersetzen, sondern auch, dass wir sie einigermaßen ansprechend gestalten.
In der finalen Version werden alle Untermenüs vertikal und dann horizontal angezeigt (Gesamtes Angebot, Verkehrsverbund, Sprache), wobei einzelne Schritte treppenförmig dargestellt werden (Fahrplanauskunft, Start–Ziel). Die Untermenüs von Tarifinfo habe ich zwar erfasst, aber aus Platz- und Relevanzgründen weggelassen.
BahnCard und Hilfe haben keine Untermenüs.
Im zweiten Schritt sollten wir die Struktur vereinfachen und neu gestalten.
Wenn man in Start–Ziel nach einer Fahrkarte sucht, werden alle möglichen Preise und Angebote angezeigt, die es gibt. Vom Sparpreis bis zum Quer-durchs-Land-Ticket wird dem Kunden immer das angeboten, was für die ausgewählte Reise am günstigsten ist. Im Grunde muss man gar nicht alle Angebote kennen, sondern einfach nur die Suchfunktion benutzen und den günstigsten Preis wählen. Alle Angebote sind im System integriert.
Und doch kann ich nachvollziehen, dass man der Suchfunktion nicht komplett vertraut. Denn diese verschiedenen Preise und Angebote sind ja zusätzlich unter Gesamtes Angebot zu finden. Sagen wir mal, ich möchte nach Brüssel fahren. Da habe ich die Wahl: soll ich in Start–Ziel nach einer Fahrkarte suchen und hoffen, dass ich das günstigste Ticket bekomme? Oder bekomme ich ein besseres Angebot, wenn ich mich durch das Menü Gesamtes Angebot > Spezial- und Sparangebote > Sparpreis Europa Ausland klicke und dort nach einer Fahrkarte suche? Die Antwort ist: in beiden Fällen würde ich die gleichen Angebote bekommen. Aber verwirrend ist es trotzdem.
Also habe ich den Unterpunkt Spezial- und Sparangebote komplett weggelassen und auch andere verschoben oder umbenannt.
Sogar einen ganzen Menüpunkt ließ ich in letzter Minute verschwinden: Fahrplanauskunft. Es handelt sich dabei um eine Suchfunktion, die Start–Ziel verdächtig ähnlich sieht. Man gibt Ziel, Datum und Uhrzeit ein und sucht nach passenden Verbindungen. Der einzige große Unterschied zwischen beiden ist, dass man im nächsten Schritt auf „Ausdrucken“ statt auf „Kaufen“ drückt. Und nachdem ich die Start–Ziel-Funktion zusätzlich noch etwas vereinfacht hatte, konnte ich dieses komische Zusammenleben nicht wirklich rechtfertigen.
Ach ja, man merkt schon, am liebsten würde ich nur die Suchfunktion dalassen. Ich kann jedoch verstehen, dass man manchmal schon genau weiß, was man braucht. Zum Beispiel zwei Berlin-AB-Karten. Oder ein Schönes-Wochenende-Ticket für den nächsten Monat. Oder eine Fahrradtageskarte. All diese Fahrkarten finden ihren Platz in der neuen Kategorie Direktkarten. (Ursprünglich wollte ich diese Kategorie „Offene Karten“ nennen, aber die Bedeutung war nicht eindeutig. Ein Kommilitone hatte dann die Idee mit den Direktkarten; man überspringt die Suchfunktion und geht direkt und selbstbewusst zur gewünschten Karte.) In dieser Kategorie werden die verschiedenen Fahrkarten wiederum in drei Kategorien unterteilt: Tagestickets, Monats- und Jahreskarten sowie Verkehrsverbund.
Im Menü Service habe ich folgende Menüpunkte untergebracht: Zusatzkarten, Vorbestellte Fahrkarten, Geschäftsreisen und BahnCard. Last but not least sind Sprache, Tarifinfo und Hilfe natürlich immer noch da, zusammen mit der neuen Funktion Zugänglichkeit, die verschiedene Optionen für eine erleichterte Bedienung wie Schriftgröße, hoher Kontrast oder Sprachausgabe beinhalten soll.
Ein Vergleich der Benutzeroberfläche von Anfang der 2000er und das Redesign von 2010.
2010 wurde das Interface der Automaten überarbeitet. Die Animation zeigt, dass – auch wenn das Layout etwas umgestaltet wurde und es neue Farben und Piktogramme gibt – sich auf der Startseite grundsätzlich nichts verändert hat; es sind die gleichen Optionen wie vorher da.
Die aktuelle Startseite.
„57 Prozent der Geschäftsreisenden sind schon mindestens einmal am Tarifsystem des öffentlichen Nahverkehrs und an der Bedienung der jeweiligen Automaten gescheitert und deshalb aufs Taxi umgestiegen.“ [2]
Beim Entwerfen des neuen Interfaces habe ich einiges ausprobiert:
Rechts oben habe ich beispielsweise alle Kartenoptionen gruppiert. Dies würde jedoch bedeuten, dass die wahrscheinlich viel weniger genutzte Option Zusatzkarten ganz weit oben in der Hierarchie erscheint, direkt neben Start–Ziel und Offene Karten/Direktkarten.
Unten rechts eine simplifizierte Start–Ziel-Suche; auf der linken Seite sind auch noch die vier Kategorien inklusive Fahrplanauskunft zu erkennen, die ich später auf drei reduziert habe.
Und so sieht schließlich mein Vorschlag für ein Redesign der Benutzeroberfläche aus:
Auf der Startseite gibt es drei Hauptoptionen, die immer sichtbar sind. Damit wollte ich vermeiden, dass man sich in einem Menü verliert. So kann man hin und her wechseln, ohne den Überblick zu verlieren. Auch wenn das Design sehr einfach gehalten ist, habe ich versucht, passende farbliche und typografische Elemente der Bahn zu verwenden.
Hier habe ich versucht, den ganzen Prozess einfach und übersichtlich zu halten und dafür oben eine Brotkrümelnavigation (breadcrumbs) hinzugefügt.
Um die verschiedenen Karten besser zu unterscheiden habe ich hier einerseits die Verkehrsverbunde und andererseits die Tagestickets sowie die Monats- und Jahreskarten separat gruppiert, ohne ihren hierarchischen Platz in der Struktur zu ändern.
Diese Option erklärt sich eigentlich von selbst.
Auf dem Plakat sind beide Strukturen nebeneinander zu sehen, sowie die Evolution der Interfaces der Bahn und einige key screens des Redesigns.
Was für ein spannendes Projekt! Im Kurs lernten wir die Grundlagen, die wir bei unseren Projekten beachten und anwenden sollten. Außerdem hatten wir die Chance, regelmäßig unsere Entwürfe zu präsentieren und uns gegenseitig Feedback zu geben, was immer sehr hilfreich war.
Das Projekt an sich war nicht immer einfach und teilweise auch sehr zeitintensiv. Ich habe gemerkt, dass man am Thema dranbleiben muss, gerade wenn es schwierig wird. Ich wusste zum Beispiel wochenlang nicht, wie ich ein Problem im Redesign der Struktur lösen sollte, bis ich eines Morgens einen Moment der Erleuchtung hatte und plötzlich genau wusste, was ich ändern musste. Und sonst? Ausprobieren, Ausprobieren und wieder Ausprobieren.
Das Redesign von Struktur und Interface ist nur ein Vorschlag – hier und da kann sicher noch einiges verbessert werden – aber dennoch bin ich mit meinen Ergebnissen zufrieden.
Und vielleicht reicht es sogar, um zu zeigen, dass eine Neugestaltung der Automaten gar nicht so schwierig ist und auch Sinn machen kann. Immerhin kauft noch fast ein Drittel der Kunden die Fahrkarten über die Automaten. [3]
Und tatsächlich: Ein Sprecher der Deutschen Bahn teilte mir mit, dass sie zurzeit die Benutzeroberfläche überarbeiten, jedoch „nicht in einem solch umfassenden Umfang“ wie 2010. Mehr wollte er mir nicht verraten, aber immerhin!
Danke fürs Lesen.
[1] VCD Bahntest 2015/2016 (https://www.vcd.org/themen/bahn/vcd-bahntest/vcd-bahntest-20152016/)
[2] Befragung unter 100 Vorständen, Führungs- und Fachkräften des Deutschen Reiseverbands (DRV); „Geschäftsreisende verzweifeln an öffentlichen Verkehrsmitteln“, Oktober 2013 (https://www.drv.de/fachthemen/business-travel/detail/geschaeftsreisende-verzweifeln-an-oeffentlichen-verkehrsmitteln-1.html)
[3] „Weiter anhaltendes Wachstum beim Online-Vertrieb – dessen Anteil am Vertriebskanalmix steigt 2015 auf 32,6%“, Deutsche Bahn