In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
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Der Literaturkanon hat sich seit 100 Jahren kaum geändert. Warum das so ist und wie wir das jetzt ändern.
Die erste Aufforderung innerhalb dieses Kurses bestand darin uns für ein Thema zu entscheiden, von dem wir persönlich sehr überzeugt sind um im Anschluss auch andere Personen mitreißen zu können.
Ich lese schon seit Langem unglaublich gerne und habe Anfang des Jahres begonnen mein eigenes Leseverhalten zu hinterfragen. In meinem Regal standen sehr viele Autoren, zu großen Teilen weiß, privilegiert und bereits tot. Es hat mich selber gefuchst warum das so ist. Warum sieht mein Bücherregal so sexistisch aus?
Also wollte ich mich in diesem Kurs damit beschäftigen wie es dazu kommt, dass der Großteil der sogenannten Höhenkamm-Literatur von Männern geschrieben wurde und sich so hartnäckigen in unserem Literaturkanon hält. Und der Literaturkanon ist auch Grundlage der Leseliste von Schulen und Universitäten wo junge Menschen zum Teil das erste Mal mit Literatur in Kontakt kommen, und identitätsstiftende Literatur muss divers sein um zu funktionieren.
Erst einmal eine Definition des Kanons:
Der Literaturkanon ist eine Liste von Büchern, die eine bestimmte Gruppe als besonders wichtig und maßgebend betrachtet. Diese Bücher haben eine lange Zeit überdauert und gelten als bedeutend. Der Kanon vermittelt uns eine Identität, indem er die Normen und Werte dieser Gruppe repräsentiert.
Also habe ich angefangen mehr darüber zu lesen wie der Literaturkanon entsteht, warum er so ist, wie er gerade ist und warum es so relevant ist, dass wir ihn ändern.
Ich bin auf einige spannende Projekte gestoßen, wie zum Beispiel das Magazin „Literarische Diverse - Ein Magazin für junge und vielfältige Literatur“. Das Heft des „Literarische Diverse Verlag“ gibt jungen marginalisierten* Autor:innen eine Stimme. (* Definition von Literarische Diverse Verlag über marginalisierte Stimmen: Bi_PoC, LGBTQIA* Menschen, rassifizierte, migrantisierte, jüdische, muslimische, Schwarze Personen, (Post-)Migrant*innen, be_hinderte Menschen, FLINTA, Menschen mit Klassismuserfahrung, Menschen mit osteuropäischer Biografie, Sinti*zze und Rom*nja, Menschen, die Mehreres vereinen (Intersektionalität), aber auch vor allem Menschen, die jegliche Begrifflichkeit ablehnen, hier in der Liste fehlen, aber dennoch in der weißen, cis-geschlechtlich und heteronormativ geprägten Literaturlandschaft zu wenig vertreten sind.) https://www.literarischediverse.de/verlag/
„Die Kanon“ ist ein Projekt von Sibylle Berg und vielen weiteren Autor:innen. „Die Kanon“ hat neue Listen für jeden Kulturbereich (Kunst, Literatur, Musik, Sport etc.) verfasst, in denen die ihrer Meinung nach besten weiblichen Künstler:innen vorgestellt werden. (https://diekanon.org/))
Auch dieses Projekt hat das Ziel zum Umdenken zu bewegen und die für gegeben angenommenen Strukturen zu hinterfragen (auch wenn ich finde, dass es nicht reicht, den stark männlich dominierten Bereich allein mit Frauen zu besetzen, das ist zu kurz gedacht). Doch mir war schnell klar, dass ich keinen neuen Kanon schreiben will und kann. Ich wollte auf das strukturelle Problem in der Literaturwelt hinweisen und persönliche Wege aufzeigen, mit welchen jeder:r Teil der Lösung sein kann.
Schließlich habe ich zwei sehr relevante Werke gefunden, die mir als Quelle für mein persönliches Projekt dienten. Zunächst einmal den Ted Talk „The danger of a single story“ von Chimamanda Ngozi Adichie. Eine ganz klare Empfehlung! Adichie erzählt darin wie wichtig es ist, mehrere Perspektiven zu hören, zu lesen, zu sammeln. Sie selbst hat früher viele europäische Kinderbücher gelesen, was dazu führte, dass in ihrer eigenen ersten Geschichte nur weiße Kinder vorkamen die Äpfel aßen und im Schnee spielten.
Dieser Ted Talk macht sehr deutlich warum es so wichtig ist, dass wir divers lesen und uns selbst in der Literatur die wir konsumieren wiederfinden.
Meine andere Quelle war das Buch „Frauen Literatur“ von Nicole Seifert. Nicole Seifert ist angetreten, die frauenfeindlichen Strukturen im Literaturbetrieb aufzuzeigen. Sie zitiert auch die Studie #frauenzählen der Universität Rostock, die untersucht hat, wie viel Sendezeit die jeweiligen Buch Besprechungen bekommen, wie häufig Kritiker nur männliche Autoren besprechen und Kritiker:innen dagegen recht ausgewogen besprechen.
Auch eine klare Leseempfehlung! Mir hat es sehr geholfen das Problem ganzheitlich zu verstehen und einordnen zu können. Einen kleinen Einblick in ihr Buch bekommt man hier: https://www.book2look.com/book/9783462002362
Nun hatte ich meine Ziele für das Projekt klar definiert:
Jetzt brauchte ich aber noch das geeignete Medium dafür. Die ersten Überlegungen gingen in Richtung Plakat. Ich wollte auffallen und ein analogen Produkt erschaffen, was gefühlt und erlebt werden kann.
Schnell war jedoch klar, dass das nicht ausreichen würde um meine Inhalte zu vermitteln. Und inhaltliche Abstriche aufgrund von Platzmangel wollte ich nicht in Kauf nehmen. So kam ich auf die Idee ein Zine zu machen, das man ohne zu kleben zu einem Heft falten kann und aufgeklappt immer noch ein Plakat sein kann, was man aufhängen kann. Dafür gibt es natürlich mehr als eine Falt-Technik, aber ich habe mich für eine sehr simple entschieden, bei der aus einem DIN A2 Papier ein DIN A5 Heft gefaltet wird.
Der Inhalt des Zines war eine Mischung aus verschiedenen Quellen und Meinungen die ich mir im Laufe der Recherche angesammelt habe. Daher wollte ich die Texte selber schreiben und somit genau das abbilden können, was mir am Herzen lag. Ich wollte einen Einstieg ins Thema, eine Erklärung liefern (wieso der Literaturkanon so ist, wie er ist), die Relevanz einer Veränderung deutlich machen und zuletzt noch den Anreiz zum Handeln liefern. Das Zine richtet sich an alle Menschen die sich für Literatur interessieren. Daher wollte ich meine Texte in einfacher Sprache verfassen und kurz halten, sodass man nicht erschlagen wird.
Gestaltung
Da der Inhalt des Zines ausschließlich aus Text besteht habe ich mich lange daran versucht eine lockere und ansprechende Gestaltung zu finden. Der Druck (am RISO DINA2 Drucker der FH) hat meine Gestaltung zusätzlich beeinflusst, da ich mich auf zwei Farben beschränken wollte. Bei einem Probedruck habe ich mich dann für Schwarz und „fluorescent red“ für Auszeichnungen und Details entschieden.
Mir hat dieser Kurs und die entstandene Arbeit unglaublich viel Spaß gemacht. Ich habe mich so in das Thema eingefuchst wie erst selten zuvor und konnte durch meine eigene Überzeugung auch andere einfach mitreißen. Da meine Projekte selten rein typografisch werden war es für mich eine sehr spannende Erfahrung mich nur darauf zu beschränken, und an dem Medium der Schriftgestaltung zu wachsen. Bei mir hat diese Begrenzung auf reine Typo vor allem dazu geführt, dass ich in die Tiefe gegangen bin, viel Raum und Zeit zu experimentieren hatte, was das Projekt sehr bereichert hat.
Ich kann mir gut vorstellen an diesem Thema weiter zu arbeiten (es lässt mich persönlich eh nicht mehr los) und vielleicht meine Bachelorarbeit damit zu verbinden. Ich bin mit zwei Buchhandlungen im Gespräch, ob sie das Zine in ihr Programm aufnehmen würden.
Auch der Austausch im Kurs hat mir sehr gefallen, die gemeinsamen Besprechungen sowie auch die Einzelkonsultationen haben das Projekt weiter gebracht. Aber auch meine Freund:innen die darüber hinaus Texte Korrektur gelesen haben und mir weitere Anmerkungen gegeben haben sind Teil dieses Projekts und ich danke euch ;)