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fundstück - Auf Materialsuche im urbanen Raum

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Bachelor Thesis I Lisa Sperber

Abstract Deutsch

Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft, die Teil eines linearen Systems ist, in dem Produkte am Ende ihrer Nutzungsdauer entsorgt werden. Laut dem aktuellen Circularity Gap Report (2022) werden 100 Milliarden Tonnen Materialien jährlich verbraucht, wovon über 90 % verschwendet werden (vgl. Circularity Gap Report, 2022).
Abfall ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern auch ein wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Verlust. Denn er entsteht dort, wo etwas als wertlos deklariert wird.
Als Gegenentwurf zum Linearen sind die Circular Economy (Kreislaufwirtschaft) und das Cradle to Cradle (von der Wiege zur Wiege) System entstanden. Eines der Prinzipien der Kreislaufwirtschaft lautet: Materialien und Produkte sollten möglichst lange in Umlauf gebracht werden. Bei diesem Prinzip knüpft der Open Circular Design Ansatz an, mit dem ich mich in meiner Arbeit auseinandersetzen möchte. Hierbei werden Materialien und Bauteile zur Wieder- und Weiterverwendung mit in das Design eingeplant. Es geht um die Vision einer Demokratisierung im Design - alle sollen mitgestalten. Es ist eine Utopie, die unsere Beziehung zu den uns umgebenden Konsumgütern ändern möchte. Kann als Abfall deklariertes Material durch den Designprozess in den Kreislauf zurückgeführt werden?
In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit der Entstehung der Begrifflichkeit von Abfall (Mülltheorie: Über die Schaffung und Vernichtung von Werten, Michael Thompson) und untersuche den Zusammenhang von Abfall und Wertigkeit untersuchen. Wann erscheint etwas wertlos und wie lässt sich da ansetzen? Kann ein Open Source Design dazu führen, Produkte verständlicher zu machen und sie anders wahrzunehmen und wertzuschätzen?
Basierend auf meinen Beobachtungen sollen dreidimensionale Objekte entstehen. Das Endergebnis wird in einem Katalog präsentiert, der Konsument*innen dazu animiert, Dinge selbst zu gestalten. Der Prozess sollbeispielhaft zeigen, wie Materialien oder Bauteile zurückgeführt werdenkönnen.

Abstract English

We live in a throw-away society that is part of a linear system in which products are disposed of at the end of their useful life. According to the latest Circularity Gap Report (2022), 100 billion tons of materials are consumed annually, of which over 90% are wasted (see Circularity Gap Report, 2022).
Waste is not only an environmental problem, it is also an economic and social loss. It arises where something is declared to be worthless.
The Circular Economy and the Cradle to Cradle system have emerged as a counter design to the linear. One of the principles of the Circular Economy is that materials and products should be kept in circulation for as long as possible. This principle is the starting point for the Open Circular Design approach that I would like to deal with in my work. Hereby materials and components for reuse and recycling are included in the design. It is about the vision of a democratization in design - everyone should participate. It is a utopian thought that wants to change our relationship to the consumer goods that surround us. Can material declared as waste be returned to the cycle through the design process?
In my work, I look at the origins of the conceptualization of waste (Rubbish Theory: The Creation and Destruction of Value, Michael Thompson) and examine the relationship between waste and value. When does something appear worthless and how can we start there? Can an open source design lead to more understandable products and to perceive and value them differently?
Based on my observations, a three-dimensional objects will be created. The final result will be presented in a catalog that encourages consumers to design things themselves. The process should exemplify how materials or components can be recycled.

Bachelor Thesis

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Konzept

Worum geht es?

Mich beschäftigte von Beginn an die Frage, warum Gegenstände und Materialien in der Öffentlichkeit abgelegt werden und sich in einem Schwebezustand befinden. Wann erscheint etwas wertlos und wie lässt sich da ansetzen? Als Designerin finde ich es wichtig, Sekundärrohstoffe als Materialquelle zu begreifen, da es bereits genug Materialien gibt, die sich im Umlauf befinden. Sekundärrohstoffe zu verwenden, kann zu einem nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen beitragen und lokale Materialkreisläufe fördern.

Was möchte ich erzählen?

In meiner Arbeit möchte ich die Straße, bzw. den öffentlichen Raum als wertvolle Materialquelle nutzen, um auf die Potenziale dieser Quelle aufmerksam zu machen. Meine Arbeit erzählt eine exemplarische Geschichte, wie etwas Wertloses zu etwas Wertvollem transferiert wird. Sie handelt davon, dass ich mich von zufällig gefundenen Materialien, den Fundstücken, zu einem Entwurf inspirieren lasse. Die Fundstücke tragen alle eine Vorgeschichte in sich, die in meinem Entwurf neu interpretiert
und fortgesetzt wird.
Die als Abfall deklarierten Materialien (Sperrabfall) werden in den Vordergrund gestellt und zeigen auf welchen Wert, welche Schönheit in ihnen steckt. Es werden individuelle Objekte bzw. Möbelstücke entstehen, die leicht zuverstehen sind, zum Selbermachen inspirieren und somit zum Handeln animieren.

Wo setze ich im Kreislauf an?

Unsere Gegenstände unterliegen einem räumlich transferierenden
Prozess, da sie vom privaten in den öffentlichen Raum gestellt werden. Diesen Prozess kehre ich um, indem ich sie aus dem öffentlichen in denprivaten Raum zurückhole. Dadurch verlängert sich ihre Nutzungsdauer, sie bleiben länger im Umlauf und die Fundstücke landen nicht auf dem Abfallhaufen. Sie erhalten einen neuen Wert, vielleicht auch eine/n neuen Besitzer*in und bleiben dadurch in Form eines Produktes länger im Kreislauf. In den Produkten stecken wertvolle Ressourcen (Energie, Arbeit, Zeit, Rohstoffe…), um die es schade wäre, sie zu verschwenden.

Prozess

Tour #1 Neukölln

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In den nächsten Wochen werde ich weitere Sperrabfalltouren mit dem Lastenrad in anderen Bezirken unternehmen. Als Kontrast zu Neukölln werde ich die Bezirke Charlottenburg im Westen Berlins und Prenzlauer Berg/Mitte/Wedding im Norden aufsuchen. Möglicherweise lassen sich Unterschiede in den gefundenen Materialien anhand der Bezirke feststellen.

Die Fundstücke werden im Atelier gesammelt, fotografiert und aufbereitet. Die Herausforderung wird sein, möglichst viele Objekte zu bauen. Esgeht darum, schnell ins Machen zu kommen. Im Prozess werde ich immer wieder bewusste oder unbewusste Entscheidungen treffen, die meine Handlungen begleiten und lenken. Am Ende sollen mutige und farbenfrohe Objekte entstehen, die überraschen, durch ihre ungewöhnlichen Materialkombinationen spannend sind und das Interesse der Leute wecken auf gebrauchte Materialien zurückzugreifen.

Fundorte

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mapping 1 Neukölln Stationen.jpgmapping 1 Neukölln Stationen.jpg

Fundstücke Neukölln

Sperrabfall Collage nk 2-2.jpgSperrabfall Collage nk 2-2.jpg

Materialien & Werkzeuge

Werkzeuge 2.jpgWerkzeuge 2.jpg

Entwurf #1 - Leuchte Werra

Leuchte werra bearbeitet.jpgLeuchte werra bearbeitet.jpg
Werra Detail 1 2.JPGWerra Detail 1 2.JPG
Werra Detail unten 2.JPGWerra Detail unten 2.JPG

Fazit

Das Projekt war und ist ein Prozess.

Von Beginn an hatte ich mein Oberthema gefunden, wusste jedoch nichtkonkret in welche Richtung es laufen wird. In meiner Arbeit konnte ich nur Teile anreißen, da mir bei der Recherche schnell bewusst geworden ist, wie unglaublich komplex dieses Thema ist.
Es braucht mehr Transparenz. Als Designerin finde ich es wichtig zu hinterfragen, was mit dem gestalteten Produkt nach seiner Nutzung passiert. Können die Materialien recycelt werden? Bauen sie sich biologisch ab? Werden sie als Nährstoff in den biologischen oder technischen Kreislauf zurückgeführt? Design kann eine wichtige Schnittstelle in der Kommunikation zwischen der Industrie und den Endnutzer*innen bilden und ein besseres Verständnis im Umgang mit unseren Ressourcen fördern. Das Open Source Design bietet die Möglichkeit, die Dinge wortwörtlich in die Hand zu nehmen und selbst zu gestalten. Durch das Selbermachenerhalten sie einerseits mehr Wertschätzung, andererseits bietet ein offengelegtes Design die Möglichkeit, den Entwurf zu verbessern und weiterzuentwickeln, da Werkzeuge und Vorgehensweisen verwendet werden, auf die viele Menschen zugreifen können. Wir Menschen streben nach Individualität. Genau bei dieser Einzigartigkeit können die Entwürfe ansetzen, da sie einen Anreiz schaffen, sich durch diesen Prozess individuelle Objekte zu bauen, die keiner Massenware entsprechen, jedoch trotzdem günstige Einzelstücke sind. Ich erhoffe mir, dass durch das Projekt mehr Menschen die Schönheit im Gebrauchten sehen.

Der Prozess ist, im Vergleich zum Kaufen von Möbeln, natürlich mit mehr Aufwand und Arbeitszeit verbunden. Außerdem ist nicht voraussetzbar, dass Menschen viele Materialien in ihren Privaträumen lagern können. Dennoch ist diese Vorgehensweise, dieser Designprozess, eine Option für Designer*innen, Künstler*innen oder Aktivist*innen eine Alternative im Umgang mit unserem Abfall aufzuzeigen.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Produktdesign

Art des Projekts

Bachelorarbeit

Betreuung

foto: Prof. Alexandra Martini foto: Prof. Silvia Knüppel

Entstehungszeitraum

Sommersemester 2023

zusätzliches Material