In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Wenn der Kunde König ist, wie müsste dann das Königreich aussehen und welche Rolle spielt Service Design in diesem Reich?
Heutzutage ist es im Verkaufsprozess immer bedeutender, dass der Konsument ein Produkt oder eine Dienstleistung ganzheitlich wahrnimmt. Statt des reinen Besitzes, des Konsums, werden viele kleine Bedürfnisse durch ergänzende Services befriedigt, die auf das Wohl und ein Wiederkommen des Kunden abzielen.
Der Kurs Co-Creation im Service Design behandelte in drei Phasen die Stationen der »Reise eines Kunden« und vermittelte die Methoden des Service-Design sowie grundlegende Lösungsstrategien für die zuvor aufgedeckten Probleme. Einen wichtigen Arbeitsschritt bildete dabei die Alltags- und Gebrauchsforschung. Funktionalität und Form des Services wurden aus der Perspektive des Kunden gestaltet und geprüft.
Die drei Phasen:
Als Ergebnis des Prozesses sollte dann, begleitet von einigen Workshops, ein Favorit aus allen Ideen zu einem neuen Service ausgearbeitet werden.
Zu Beginn des Kurses organisierten sich die Kursteilnehmer in Kleingruppen und wählten anschließend einen konkreten Fachhandel, der die Basis für alle nun folgenden Prozesse sein wird. Wir entschieden uns für den Schallplattenladen, zu dem wir spannenderweise ganz unterschiedlich in Bezug standen: Steffen als Vinyl-Kenner und Plattenliebhaber, Josephin als unbeschriebenes Blatt auf diesem Gebiet, und Stefan als gelegentliche Begleitung von befreundeten DJs auf Shopping-Tour.
Eine erste Recherche ergab, dass der Schallplattenmarkt stetig wächst und nicht, wie oft vermutet wird, mit sinkenden Absatzzahlen zu kämpfen hat. Trotz, oder gerade wegen anderer digitaler Medien und Online-Konsum-Möglichkeiten, sind die Vinyl-Fans treu geblieben und schätzen Ihr Medium und den damit verbundenen sozialen Austausch im Plattenladen.
Als nächstes erstellten wir die Stakeholder Map. Das ist eine Übersicht, die alle Beteiligten und ihre Aktivitäten in Beziehung zueinander setzt. So entstand ein erster Überblick über die potenziellen Zielgruppen, die wir ansprechen könnten. Anschließend definierten wir die Touchpoints, d.h. die diversen Berührungspunkte aller im Prozess involvierten.
In der nun folgenden Recherche-Phase besuchten wir Plattenläden in mehreren Stadtteilen Berlins und erfuhren viele Insights aus interessanten Gesprächen mit Kunden und deren Begleitungen sowie den Ladenbetreibern.
Fragen wie diesen gingen wir in den Interviews auf den Grund, um herauszufinden, was die Menschen im Plattenladen beschäftigt, verwirrt, erstaunt, begeistert oder stört.
Die Interviews führten wir direkt im Laden, im nächstliegenden Park oder bei den Gesprächspartnern zu Hause. Anhand der von uns erstellten Fragenkataloge, und den spontanen Schwärmereien unserer Probanden, gelangten wir zu aufschlussreichen Informationen:
Der eine lässt sich beim Stöbern nach Platten gern überraschen und versucht gar nicht erst aufs Cover zu schauen um dadurch nicht beeinflusst zu werden. Die nächste fährt dagegen voll auf die kleinen Info-Sticker an der Hülle ab und würde sogar gern noch Informationen zum Hintergrund der Geschichte des Albums erhalten. Ein anderer holt im Laden lediglich bestellte Ware ab, pflegt diese dann aber zu Hause akribisch in seine bewusst inszenierte Sammlung ein. Die Nachbarin hingegen lässt Platten meist verstreut in ihrer Wohnung herumliegen, verfällt dann beim Hören der „runden Glücksspender“ in eine Art Trance und hat zu jedem Song einen Vortrag über das Lebensgefühl auf Lager.
Mal fragten wir ganz konkret nach der durchschnittlichen Aufenthaltszeit von Kunden im Plattenladen; mal entlockten wir Gedanken durch eher abstrakte Fragen, z.B. „Wie würdest du deinen eigenen Plattenladen einrichten, wenn du unbeschränkte Mittel hättest?“. Wir sprachen mit Ladenbesitzern um festzustellen, wie erfahrene Vertreter der Vinyl-Branche die Kunden wahrnehmen oder wodurch sich ein Geschäft von anderen unterscheidet. Auch Die Begleitungen der Gäste gaben uns spannende und unerwartete Einblicke.
Aber es muss doch etwas geben, mit dem man nicht nur vereinzelte Sonderlinge ansprechen kann? Nach zahlreichen interessanten Gesprächen und Gedankenexperimenten wurde klar, dass wir uns in der nun folgenden Projektarbeit auf den Kunden fokussieren werden, denn hier sahen wir die spannendsten Entwicklungsmöglichkeiten.
Der abschließende Schritt der Research-Phase war das Konzipieren, Erstellen und Anwenden von sogenannten „Cultural Probes“. Diese bestehen meist aus Fragen, die oft spielerischer Natur sind und durch leicht zu bewältigende Aufgaben ergänzt werden. Durch deren Bearbeitung geben die Probanden, unsere Alltags-Experten, einen fachlichen bis emotionalen Aufschluss über ihr Denken und Handeln.
Diese Form der Reflexion und Dokumentation ergibt oft sehr persönliche und überraschende Einblicke. Diese »aus dem Leben« gegriffenen Informationen dienten uns dazu, in der bevorstehenden Ideation-Phase eine Grundlage für gezielte und reale Überlegungen zu haben.
Diese Übersicht zeigt einige der Probes über die wir Zugang zum Leben unserer Alltags-Experten erhalten wollten. Unser Ziel war es herauszufinden, ob es bestimmte wiederkehrende Muster im Verhalten der Nutzer gibt. Sei es die Art und Weise der Suche nach bestimmten Inhalten, Eigenheiten in der Handhabung von Schallplatten im Laden oder am heimischen Plattenspieler, Wünsche oder Lustkiller bei Angebot, Ausstattung, Personal eines Geschäfts.
Zu welchen »Insights« (Einblicke/Erkenntnisse) wir dabei gelangten und wie diese unser weiteres Tun beeinflussten wird im folgenden Abschnitt Ideation näher erläutert.
Weil der menschliche Bezug in dieser Annäherung eine entscheidende Rolle spielt, möchten wir an dieser Stelle kurz die Personen vorgestellen, die unser Projekt als Probanden unterstützt haben:
Max & Daniel • Simon • Josephín • Lino
Als nächstes setzten wir uns zusammen und überlegten, welchen Aspekten in Bezug auf das Medium Vinyl im nächsten Schritt besondere Bedeutung zukommen soll. Was hatten wir herausgefunden – wo bestehen Bedürfnisse und wie lassen sich diese unaufdringlich befriedigen?
Legt der Kunde Wert auf unterstützende Erläuterungen des Plattenverkäufers oder will er lieber in Ruhe gelassen werden? Ist die Verknüpfung mit einem Klamotten-Laden oder Café/Bar sinnvoll oder wird dadurch die ursprüngliche Atmosphäre zerstört? Beschränkt sich das Thema Schallplatte nur auf den Laden oder gibt es damit verbundene Rituale im Musikzimmer zu Hause, die sich auch auf andere Liebhaber übertragen lassen?
Bisweilen mutete unser Seminarraum einer Paintball Arena an, denn nach exzessiven Brainstormings erkannte man vor lauter bunter Post-its kaum noch die Wände. Doch waren diese kleinen Zettel ein sinnvoller Weg Ideen schnell festzuhalten.
Ein Stichwort plus kurze aussagekräftige Beschreibung oder eine kleine Skizze helfen ungemein, Gedanken greifbar und verständlich zu machen. Ebenso sind sie hilfreich, später Erinnerungen wachzurufen und anschaulicher darüber zu diskutieren.
Nach Einschätzung der Potenziale der verschiedenen Ansätze begannen wir, einige näher zu betrachten und zu verfeinern. Wir ließen den eigenen Gedanken freien Lauf und bemühten uns ebenso, den Blick aus der Perspektive unserer Probanden zu berücksichtigen, denn es sind ja die Emotionen und Überlegungen der einzelnen Personen, die unseren Entwicklungen zugrunde lagen.
Als ein weiteres Mittel der Ideengenerierung nutzten wir die „Customer Journey“, eine Reise des Kunden, die alle Stationen rund um das eigentliche Erlebnis des Plattenkaufs visualisiert.
Besuche ich vor Betreten des Geschäfts zuerst die Website und wähle dort Platten aus, die ich später im Laden abhole? Oder freue ich mich auf einen kleinen Imbiss, weil meine Anfahrt so lang war? Gibt es im Laden Probleme, weil sich die Gäste beim Stöbern in den Kisten oder Regalen gegenseitig in die Quere kommen? Würde ich auch nachts in den Plattenladen gehen, wenn dort im Rahmen eines Konzerts Künstler ihre Neuerscheinungen live präsentieren?
Hier sind einge der Ideen anskizziert, die es nicht in die Endrunde geschafft haben:
Unsere Ideen beschäftigten sich z.B. mit dem Hören von Platten, dem Aufbewahren, dem Bewerten von Musikstücken, dem in Szene setzen ausgewählter Vinyls oder dem Transport des Einkaufs nach Hause. Es gelang uns, einige der Probanden nochmals zu treffen und ihnen die Konzeptskizzen für ein Feedback vorzulegen. Die Befragten reagierten mit Interesse und Begeisterung auf unsere Ideen und steuerten wiederum hilfreiche Meinungen und Ratschläge bei.
Am Ende der Ideation-Phase standen wir vor unseren TOP-5-Ideen und haben uns für einen Favoriten entscheiden. Um einen Einblick zu gewähren, welche Ideen bis kurz vor Schluss noch im Rennen waren, zeigen wir an dieser Stelle drei der aussortierten Konzept-Skizzen.
In der abschließenden Phase beschäftigten wir uns nun nur noch mit unserer Lieblings-Idee, dem Platten-Butler. Die Skizze erläutert die wesentlichen Merkmale der Idee:
Wir wählten den zentral gelegenen und von einem sehr offenen, freundlichen und geduldigen Betreiber geführten Plattenladen Mitte Musik in der Libauer Straße (Nähe Bhf. Warschauer Straße) für unsere weiteren Ermittlungen aus. Ein großer Dank geht an dieser Stelle an Gábor, der uns den Aufenthalt in seinem Laden gestattete und die Arbeit an unserem Projekt unterstützte.
Es war ein glücklicher Zufall, dass in Gábors Laden die benötigten Stangen vor den Plattenkisten bereits vorhanden waren, was für den geplanten Prototypen-Test eine optimale Voraussetzung bot.
Wie der Platten-Butler im Detail funktioniert, ist in der Konzeptskizze zusammengefasst.
Unser nächster Schritt bestand darin, einen Prototypen des Plattenbutlers anzufertigen, um einen Test im Laden unter realen Bedingungen durchzuführen zu können. Wir skizzierten die erforderlichen Details, wie Abmessung der Tasche und Dicke des Stoffes, und gaben den Prototypen bei einem Schneider in Auftrag.
Ein weiteres Werkzeug im Service-Design-Prozess ist der Blueprint. In einer großformatigen Übersicht wird, basierend auf den entsprechenden Insights, detailliert beschrieben, welche Probleme ein Nutzer bei den verschiedenen Touchpoints hat. Ebenso wird, ergänzt durch grafische Skizzen, der jeweilige Lösungsansatz erläutert.
Durch einen Video-Protoypen wollten wir nun anschaulich vermitteln, was als Ergebnis aus dem Projekt hervorgegangen ist. In Form einer kleinen Geschichte wird dem Betrachter visualisiert welche Probleme bestehen und wie der Prototyp diese löst.
Wir entschieden uns für eine Realfilm-Umsetzung, skizzierten ein Drehbuch, und holten uns das OKAY von Gábor, dem Besitzer des Ladens, in dem wir den Film drehen wollten. Mit Hilfe eines Smartphones konnte das Konzept kostengünstig und in kleiner Besetzung realisiert werden.