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Eros in allen Dingen - Designanalyse - Arbeitstagebuch WiSe 22/23

Eros in allen Dingen - Designanalyse - Arbeitstagebuch WiSe 22/23

Inhalt ist die persönliche, aber auch professionelle Auseinandersetzung mit dem Schallplattencover „20 Golden Hits - THE MAGIC OF Boney M.“ als Hommage an eine der erfolgreichsten Discoformation der 1970er Jahre.

Mein Designobjekt

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Einstiegsübung: 5-Tage-Protokoll zur Selbsterfahrung

Am Abend eines jeden Tages aufschreiben, was ich als positiv oder negativ wahrgenommen habe und so die Reize in meinem Alltag aufspüren

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3 Minuten Präsentation

1. Welche persönliche Beziehung habe ich zu dem gewählten Objekt hinsichtlich meines Lebensstils?

2. Welche meiner Werte, Normen, Träume, Ideale, Ziele kommen in der Gestaltung des Objekts (nicht) zum Ausdruck?

3. Wie finde ich mich (nicht) wieder und was kommuniziere ich über das Objekt mit anderen Menschen?

4. In welcher Hinsicht ist das Objekt schön/häßlich?

5. Welche professionellen Werte, Ideale, Ziele und Methoden als Designer/in sehe ich in meinem Objekt angesprochen/verletzt?

Das Faktische

Die vorliegende Schallplatte „20 Golden Hits - THE MAGIC OF Boney M.“ ist einer von weltweit über 150 Millionen verkauften Tonträgern der 1975 in Deutschland (BRD) gegründeten Musikgruppe Boney M. Sie ist ein Produkt der Mohndruck Graphische Betriebe GmbH mit Sitz in Gütersloh. 

In seiner Gesamtheit umfassen den Tonträger 3 Bestandteile: das Album Cover (Außenhülle), das Inlay (Innenhülle) und die Schallplatte. Der Schwerpunkt meiner Designanalyse liegt dabei auf dem Cover. 

Das Album Cover oder auch LP-Schallplattenhülle genannt, weist eine Größe nach quadratischem Standardmaß 31,5 cm × 31,5 cm auf und wurde aus Karton hergestellt. Mit einem Gewicht von ca. 70 Gramm stülpt sich die leichte Hülle über die sensible Schallplatte. 

Ihre Veröffentlichung erfolgte im Februar 1980 unter dem Label Hansa International im Vertrieb des Ariola Verlags. Das Design der Hülle entspringt der Arbeit des Grafikdesigners Manfred Vormstein in Kooperation mit dem Fotografen Dieter Zoll.

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Welche Merkmale bilden mein Objekt wirklich aus? 

Um diese Frage zu beantworten, habe ich die Schallplattenhülle auf das Minimalste abstrahiert und Menschen in meinem Umfeld gefragt, ob sie erkennen können, um was es sich bei dieser Zeichnung handelt. Dabei wurde die Zeichnung nach jeder Befragung um einen Bestandteil des Objekts ergänzt, also von der Basis zur Prägnanz.

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Das Experiment gibt Aufschluss über die wichtigsten Merkmale zur Identifikation des Schallplattencovers:

  • das Format, quadratisch
  • Formensprache: das Runde ins Eckige
  • Interpretenname
  • Abbildung der Interpreten
  • Hinweis auf Musik z.B. „Hits“ oder Musiktitel auf Rückseite

Es braucht also Details und Kommunikationsmittel wie Schrift und Bild, denn erst mit der letzten Zeichnung wurde meinen Probanden klar, um was es sich eigentlich handelt.

Das Leibschema

Der Mensch gehört hier ganz offensichtlich zum Design. So real, wie eine Fotografie eben sein kann, werden die Musikerinnen direkt auf dem Cover abgebildet. Deren Darstellung wird sich zu Nutzen gemacht, denn Schallplatte und Musik bekommen so ein Gesicht, eine Identität. Für Menschen von Menschen, welche am besten im Gedächtnis bleiben. Denn im Eifer um Popularität verschmelzen hier Design und Marketing.

Auch die Typografie weckt körperliche Assoziationen . So könnte das „M“, die Beine darstellend, gemeinsam mit dem „o“ oder „y“ auf eine typische Pose des Disco Dance hindeuten.

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Das Kindchenschema

Glatte Haut, knappe Outfits, lange Nächte - das wird oft mit Jugendlichkeit verbunden und findet auch im Design der Schallplatte seinen Ausdruck. Man blickt in makellos geschminkte Gesichter, denen ein gewisser Stolz abzulesen ist, vielleicht im Wissen um die eigene Schönheit? 

In freizügigen Glitzeroutfits posieren und provozieren die vier Sänger*innen als Einheit. Ihre Nähe zueinander wirft auch das Thema Freundschaft auf, welches gerade in der Jugend in Form von Cliquen oder Gangs eine zentrale Rolle spielt. 

Ganz besonders kindlich wirkt Liz Mitchell (unten rechts), welche tatsächlich auch jüngstes Mietglied der Gruppe war. Fast mütterlich legt Marcia Barrett (oben rechts) ihren Arm um Liz, was vor allem inhaltlich einen fraglichen Widerspruch aufwirft.

Mit dem blauschimmernden Hintergrund fügt sich das Gesamtbild zu einer nächtlich abenteuerlichen Szenerie, welche an das Innenleben eines Clubs erinnert. Dass das Nachtleben offiziell aber erst ab 18 beginnt und hier der Jugendschutz greift, macht deutlich wie unrealistisch der Anspruch ist, welcher von Boney M. nach außen vermittelt und scheinbar gelebt wird.

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Das Naturschema

Die Verbindung zur Natur findet bei meinem Objekt über das Material statt, denn die Hülle aus Karton umschließt das Inlay aus Papier. Somit überträgt sich die Bedeutung der Natur als Ursprung auch auf die Herstellung des Album Covers. Noch vor dem Druck muss erst einmal mit der Verarbeitung des Materials begonnen werden, wobei der Karton ausgeschnitten, gefaltet und zusammengeklebt wird, sodass dieser die Form einer Hülle annimmt. 

Wirft man einen Blick in das Innere der Hülle, so ist der reine unbedruckte Karton zu erkennen, welcher in seiner bereits vergilbten braunen Farbe von etwas Organischem zeugt. Papier ist empfindlich und verändert sich im Laufe der Zeit und eben diese hinterlässt ihre Spuren, sodass Knicke und stumpfe Ecken zum Abbild der irdischen Vergänglichkeit werden. Auch die Haptik steht unter dem Einfluss des Materials, welches sich z.B. im Vergleich zu Plastik eher warm, vertraut und natürlich anfühlt.

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Gestaltgesetze

Gesetz der Ähnlichkeit: Über das Design hinaus, spielt auch die Ähnlichkeit der einzelnen Performer*innen zueinander eine wichtige Rolle, um als harmonische Formation auftreten zu können. Diese Zusammengehörigkeit wird auf dem Inlay vor allem durch die aufeinander abgestimmten Outfits wirksam, welche sich in Farbe und Textur ähneln, aber auch die Hautfarbe der Performer*innen trägt zu dieser Wirkung bei.

Gesetz der Nähe/Verbundenheit: Hierbei fällt die Laufweite in Anbetracht der Typografie auf. Da die Abstände der Buchstaben zueinander sehr gering sind oder wie beim Wort „Boney“ keinen Bestand haben, wirken die Worte in sich kompakt und nehmen zueinander Bezug auf. Die „Magic“ (zu dt.: Magie) und „Boney M.“ werden also auch über die Gestaltung hinaus auf eine Bedeutungsebene gebracht. Dass sich das „y“ sogar in das große „M“ fügt, verweist auf die unzertrennliche Zusammenführung der beiden Bestandteile zum Namen der Musikgruppe „ Boney M.“

Gesetz der Prägnanz: In seiner Gestalt sticht das „M“ hervor und hebt sich durch seine Kursivität von den anderen Buchstaben ab. Durch die besondere gestalterische Umsetzung des „M“ in der Mitte des Covers, wird dem Künstlernamen verstärkt Ausdruck verliehen. Sowohl die ausgeschnittenen Elemente als auch die Größe des Buchstaben offenbaren ein weiteres prägnantes Merkmal, nämlich die Zusammensetzung der Gruppe. Drei Frauen posieren um einen Mann, diese Konstellation ist untypisch in der Musikszene und trägt somit zum Wiedererkennungswert bei.

Gesetz der Geschlossenheit: Eingerahmt wird das Schallplattencover durch sein Format (31,5cm × 31,5cm). Dieses bestimmt den Raum auf welchem das Design stattfinden kann und schafft somit einen Hintergrund. Dennoch handelt es sich um eine Hülle, welche mittels eines Schlitzes an der rechten Seite die zweckmäßige Öffnung und somit auch den Raum für die Schallplatte an sich schafft. Diese Offenheit wird durch einen zweiten Rahmen, den Umriss des großen „M“, auf der Vorderseite sichtbar. Dabei wird die Musikgruppe als Ganzes, aber auch jedes Mitglied für sich in einem jeweils ausgeschnittenen Ab- oder Aufstrich des „M“, eingerahmt.

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Gesetz der Kontinuität: Diese Gesetzmäßigkeit wirkt im Bereich der Typografie, da sich die gewählte Schrift durch das ganze Design zieht. Sie findet sich auf allen Elementen meines Objekts und darüber hinaus auch auf allen weiteren Tonträgern der Discoformation wieder. Somit prägt sich eine für Boney M. charakteristische Marke aus. 

Auch das blau goldene Farbschema kann hier berücksichtigt werden, welches den Zusammenhang zwischen Hülle und Schallplatte verstärkt.

Gesetz des gemeinsamen Schicksals: Mit dem Beginn der Discokultur in den 1970er Jahren breitete sich simultan ein neues Lebensgefühl aus. Freiheit, Vergnügen und Unbeschwertheit traten in den Vordergrund, sodass sich auch in der Musik der Fokus vom Inhaltlichen auf den zum Tanzen geeigneten Beat verlagerte. Dieser Wertewandel sollte auch in meinem Objekt visualisiert werden, da mit dem Erfolg Boney M.'s der Discotrend aus Amerika in Europa Anschluss fand. Erinnern doch die Spiegelreflexe der goldenen Farbe des Covers an Discokugeln, so bietet das bewusst mondän gewählte Design Identifikation für eine ganze Generation, deren Erleben auf einem gemeinsamen Zeitgeist fußt.

Bildaufbau und Visuelle Gewichte

Farbe: 

Gold steht als Symbolfarbe für Unvergänglichkeit, Ewigkeit, Vollkommenheit und Tugend. Gold ist „verflüssigte Sonne„ und steht daher auch für Energie, Fülle und Stärke. Seiner der Sonne ähnlichen Strahlkraft wegen wird es zum Zeichen für (esoterische) Erkenntnis, aber auch zum Hoheitssymbol. Ebenso ist meine erste Assoziation mit Gold: Geld. Die Schallplatte erlangt dadurch eine gewisse Schwere, welcher allerdings nur die Illusion von Wertigkeit innewohnt. Denn schon die Kratzer in der Farbe und auch die Abnutzung des Papiers, welche vor allem an den Kanten und durch die abgerundeten Ecken ersichtlich wird, geben Aufschluss über den Manipulationsversuch.

Dieser Schein kann auch als Parallele zum Skandal um Frontsänger Bobby Farrell betrachtet werden, welcher ausschließlich seine Lippen zum Text bewegte. Eingesungen und bei Auftritten als Playback abgespielt wurde die männliche Gesangstimme vom Produzenten Frank Farian. 

Ihre Kraft entfaltet die goldene Farbe dennoch. Das Schallplattencover sticht ins Auge des Betrachters und aus der Menge hervor. Auch wenn natürlich klar ist, dass es sich hier nicht um echtes Gold handelt, so regt die Kolorierung gleichwohl zum Kauf an.

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Über- und Unterordnung: 

Bei Betrachtung der Schallplatte wird man zunächst vom Blick der Sänger*innen erfasst. Dieser scheint so lebendig, dass der Kontakt zum Objekt über deren zentrale Präsenz aufgenommen wird.

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Der Fokus richtet sich jedoch auf das mittig platzierte Porträt des Bandmitglieds Bobby Farrell. Sein Kopf wird zum Mittelpunkt des Designs, um ihn dreht sich die Schallplatte und auch auch die ganze Inszenierung der Gruppe. Ihm kommt die Rolle des Anführers zu, welche in der Darstellung für Zentrierung und Stabilität sorgt. Auch in verwandten Werbeplakaten findet sich die Überordnung des Sängers aufgrund seines Geschlechts wieder und obwohl die Geschlechterverteilung der Musiker*innen mit 3:1 im Ungleichgewicht ist, schafft die gestalterische Umsetzung (das Begehren um den Mann und die Unterwürfigkeit der Frauen) mit patriarchaler Sichtweise einen Ausgleich. Diesen bewerte ich allerdings als sexistisch, weshalb die Männlichkeitsnormierung des Bildaufbaus unbedingt hinterfragt werden sollte.

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Von der Fotografie geleitet, wandert der Blick nun zum teils ausgestanzten „M“. Dieses nimmt durch seine monumentale Größe viel Raum und Aufmerksamkeit ein. Mit seinen vier Säulen stellt es das Grundgerüst für alle folgenden Elemente dar und wird somit zum Herzstück des Designs. Ihm entspringen Worte wie Musik, Magie oder Meisterwerk und auch Boney M. selbst fügen sich in dessen Form ein, sodass sowohl die Vielschichtigkeit des Objekts an sich, aber auch das Spielerische in der Musik dargestellt wird. Inhaltlich unterstützt und wird diese Aussage durch den Punkt unten rechts vom „M“.

Folglich gelangen wir zum anderen Teil des Künstlernamens „Boney“ im oberen Drittel des Covers. Durch seine individuelle Schriftgröße hebt sich dieser zwar ab, aber fußt dennoch auf dem „M“ und geht mit diesem über das „y“ eine bereits erwähnte Verbindung ein.

Parallel darüber befindet sich der in Großbuchstaben gedruckte Schriftzug „20 GOLDEN HITS“, welcher die Vertikale im Bild ergänzt und in seiner blauen Farbe gemeinsam mit dem nächtlichen Hintergrund der Fotografie für das farbliches Gleichgewicht sorgt.

Als letzter Bestandteil wird die rechtsbündig formatierte Wortgruppe „THE MAGIC OF“ erfasst. Es dient der sprachlichen Einleitung in das Design wie auch in die Musik und orientiert sich an der Höhe des „B“ von „Boney“, welches den Worten Halt verleiht. Außerdem steht die Wortgruppe dem quadratischen Punkt schräg gegenüber, sodass sich eine Diagonale aufspannt, welche der nach rechts oben strebenden Bildbewegung etwas entgegenwirkt.

Insgesamt kann man von einem harmonischen Bildaufbau sprechen.

Spannung und Bewegung:

Durch den Kontrast von kursiver und normal aufrechter Schrift entsteht ein Spannungsverhältnis, welches die Bewegung nach rechts oben verstärkt. Diese Diagonale beginnt unten links mit dem großen „M“ und bewegt sich über das „y“ hin ins scheinbar Unendliche. Sie ist die kraftvollste Dynamik im Bild, welche durch die stärkere Gewichtung der rechten Coverseite unterstützt wird. Metaphorisch weist diese Richtung hin zum Erfolg, es geht immer weiter nach oben.

Allerdings wirkt die Verbindung der Wortgruppe „THE MAGIC OF“ mit dem quadratischen Punkt schräg gegenüber etwas entgegen und auch sonst teilt sich das Design in weitere Bewegungen auf, die als Äquivalent ein visuelles Gleichgewicht anstreben.

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Synästhetische Wahrnehmung

Sinnlichkeit ist eng mit dem Akt des Schallplatten Hörens verbunden. Doch auch schon bevor ich die Musik über meine Ohren im ganzen Körper erfahre, erlebe ich die Hülle als Kunstwerk, kommt mir ein muffig alter Geruch entgegen oder bediene ich vorsichtig die Hebel des Schallplattenspielers. Ich als Mensch bin mit allen Sinnen eingebunden und das macht den antiquarischen Tonträger zu einem echten Erlebnis.

Was ich sehe, ist die glamouröse Aufmachung der Musikgruppe, welche über Kleidung und eine selbstbewusste Haltung, Ruhm und Reichtum ausstrahlen. Das müssen echte Stars sein, denke ich. 

Was ich fühle sind natürlich haptische Eigenschaften, aber auch Melancholie und die Sehnsucht danach, die Zeit der 70er Jahre einmal miterlebt zu haben. 

Was ich rieche, das hat mein Opa wohl noch nicht gerochen. Für ihn hatte das Album vielleicht einen neutralen Geruch, aber in meiner Nase verbreitet sich ein leichtes Stechen. Sofort weiß ich, die Platte stammt aus einer anderen Zeit und ist nicht mehr neu. In ihr sammeln sich Geschichten, Berührungen und Düfte aus über 40 Jahren.

Was ich schmecke, dass gelangt über assoziative Bilder auf meine Geschmacksknospen. Mit Betrachtung der Schallplatte kommen mir Häppchen, Kaviar, ein Schokoladenbrunnen und Champagner in den Sinn. Es ist die Opulenz, welche auch über die Ernährung in einem gewissen Lebensstil mündet.

Was ich schlussendlich hören werde, das kann ich nun schon erahnen. Es geht darum, dass Leben zu zelebrieren und sich dem Genuss hinzugeben. Mit einfachen, aber prägnanten Textfragmenten schafft die Musik im Stil von Pop und Funk eine ausgelassene Stimmung, die sofort zum Tanzen anregt und noch lange als Ohrwurm nachhallt. Egal wo ich bin, in der Disco oder aber in den eigenen vier Wänden, die Lieder Boney M's ermöglichen mir immer eine Party.

Fetischisierung

Das Popstar-Sein lebt von Verehrung und Kult. Es scheint auf magische Weise anzuziehen und somit ein Konsens Gefühl unter den Menschen zu schaffen, dass diese zu Fans werden lässt. In ihrer Masse beschwören sie eine Popularität der Einzelnen herauf, welche sich folglich nicht mehr nur in der Kunst, sonder auch über rote Teppiche, Schallplattencover und in der Öffentlichkeit allgemein bewegen. Sie werden zu Persönlichkeiten, die man zu kennen und lieben meint und doch bleibt da die Barriere einer Unantastbarkeit, vielleicht die der Privatsphäre, welche den echten Menschen zum Objekt der Begierde macht. Um das was Popstars öffentlich zum Ausdruck bringen, werden Geschichten, Bilder und Sehnsüchte gebaut, sodass emotionale und persönliche Bezüge von Außenstehenden scheinbar Platz im Leben derer finden. Ob dieses Verhalten sofort als Fetisch einzuordnen gilt, darf man bezweifeln. Dennoch stoßen wir hier auf typische Tendenzen, welche sich auch in meinem Analyseobjekt fortsetzen. Was hier entspringt, ist ein Objekt (Schallplatte) aus dem Subjekt (Boney M.), welches mit der Kaufentscheidung für Nähe und Bekenntnis sorgt. Auch heute noch 40 Jahre später entfacht die Platte bei meinem Opa eine Leidenschaft. Er legt sie auf, singt mit und startet zumindest den  Versuch zu tanzen, denn auch er ist mittlerweile alt geworden.

Über Zeichen zum Bedeutungsfeld Design

In meinem Analyseobjekt gibt es einige Zeichen, welche dieses auf eine höhere Bedeutungsebene bringen. Im Folgenden möchte ich die verschiedenen Arten von Zeichen benennen und ihr Wirken auf der Schallplattenhülle veranschaulichen.

Die Funktion eines ikonischen Zeichen beruht darauf, dass es mit dem bezeichneten Gegenstand eine wahrnehmbare Ähnlichkeit hat. Im Falle meines Objektes könnte hier die Ähnlichkeit zu Gegenständen wie Postern, Plattgold oder Schiebebücher in Betracht gezogen werden. 

Bei indexikalischen Zeichen zielt die Funktion auf einen kausalen Zusammenhang ab. Dabei werden Informationen zu der Beschaffenheit eines Objekts angegeben und Herstellungsprozesse nachvollziehbar. Auffällig wird in meinem Fall der Kelber oder die Reste dessen, welcher den gefalteten Karton zusammenfügt und als Hülle funktionieren lässt. Dieser bewährt sich als geeignetes Mittel, da das Schallplattencover in Anbetracht des langen Bestandes noch immer gut erhalten ist.

Auch die Öffnung der Hülle kann an dieser Stelle erwähnt werden, welche den Eingang für das Verstauen der Schallplatte kennzeichnet. Dieser Schlitz ist sehr schmal, sodass die Schallplatte nur an ihrem Rand herausgenommen werden kann und gleichzeitig nicht beschädigt wird. In der Handhabung wird man also von den Zeichen geleitet, welche die Benutzung und alle möglichen Operationen verständlich machen sollen. Daraus ergibt sich eine Poetik des Gebrauchs, welche besonders bei Schallplatten sehr nostalgisch sein kann. 

Die Unebenheit, welche durch den Eindruck der Schrift sichtbar und spürbar wird, gibt ebenfalls einen Hinweis auf das Druckverfahren. 

Symbolische Zeichen sollen neben der bloßen Abbildung noch auf eine weitere, weniger offensichtliche Bedeutung verweisen. Sie unterliegen bestimmten Konventionen und machen Abstraktes (z.B. Glück) sichtbar. Unterlegen ist mein Objekt der maßgebenden Norm einer Langspielplatte. Über Farbe, Sprache und Typografie erhält es Symbolkraft, sodass beispielsweise der Gebrauch des Englischen oder aber die coole Schrift eine Expression von Modernität erzeugen.

Über die Bedeutung der Zeichen ergeben sich auch verschiedene Nutzen. Die Schallplattenhülle steht für:

Schutz: Sie soll das Produkt vor schädlichen physischen Einflüssen wie Kratzer, Staub oder starker Hitze schützen. Zudem ist auch für den Transport und für die Lagerung eine Hülle notwendig.

Trägermedium von Informationen: Auf einer Schallplattenhülle können Informationen zur Musik (Aufnahmedaten, beteiligte Künstler und Techniker, verschiedene Angaben zur Musik selbst, Danksagungen usw.) gegeben werden.

Mittel zur Identifikation: Aus der Sicht des Marketings soll die Hülle den Inhalt durch eine ansprechende Aufmachung anpreisen, zumal die Schallplatte selbst für Abbildungen kaum Platz bietet. Außerdem ist dadurch schon auf den ersten Blick erkennbar, um welches Produkt es sich handelt, sodass dieses durch die äußere Gestaltung unverwechselbar wird.

Medium der Kunst: Aus künstlerischer Warte soll die Hülle die Ansprüche und Vorstellungen der Musiker*innen sowie die der Verleger visualisieren. Das Cover wurde zu einem wichtigen Teil der Musikkultur, indem es bald mit der Musik als Einheit gesehen wurde.

Wo sich Schallplattencover nun im Alltag wiederfinden, sind Orte an denen diese auf ihre Umwelt Bezug nehmen können. Ist also ein Plattenspieler vorhanden, so können Schallplatten und darüberhinaus ihre Hüllen auch Anwendung finden. Damals war das natürlich noch üblicher als heute und viel mehr Haushalte verfügten über ein Abspielgerät. Trotzdem kenne ich einige junge Leute, die sich dem Medium wieder angenommen haben und deren Zuhause mit Schallplatten beschmückt  ist. Ansonsten wird in speziellen Musik- und Plattenläden, auf Flohmärkten, aber auch in Drogerien wie Müller, der Verkauf von den Schallplatten angeboten.

Der ökonomische Wert meines Objekts ist (mittlerweile) eng mit dem historischen verknüpft. Auf Ebay kann man die Platte schon zwischen 10€ und 35€ ersteigern, was sie dem Preis nach nicht zu einem Luxusprodukt macht. Auch in der Vergangenheit war die Schallplatte für den Normalverbraucher erschwinglich und ihr glanzvolles Design stellte sich über den eigentlichen Wert. Aber vielleicht sollte auch genau das verkörpert werden: Luxus als reine Frage der Darstellung und jedem zugänglich. Als wertvoll würde ich sie dennoch beschreiben, da sie nur noch gebraucht gekauft werden kann und somit zu einer Rarität wird.

Ihr reflexives Potential ist mit dem zeitlichen Abstand zur Veröffentlichung gestiegen. Waren die Schallplatte und ihr Design damals um ihrer selbst Willen ein reines Erlebnisprodukt, so kann die Gestaltung heute dank eines gesteigerten Bewusstseins zur Auseinandersetzung mit Rassismus und Sexismus anregen. Für mich persönlich schafft sie einen Zugang für meine eigene Herkunftsgeschichte und steigert das Interesse für die Erfahrungen meines Vaters als PoC im Deutschland der 1970er und 80er Jahre. 

Als in meinen Besitz übergegangenes Erbe spiegelt sich im Schallplattencover meine Liebe zur Musik, zu Antiquitäten und zu meiner Familie nach außen wieder.

Kitsch

Der Kitsch als angeeignetes Ausdrucksmittel der Discomusik ist auch im Design meines Analyseobjekts integriert. Dahinter steht die übertriebene Äußerung von Emotionen mit einfachen Mitteln. Mit auffälligen Farben, viel Glitzer und wilden Shows sollten Gefühle wie Freiheit und Unbeschwertheit verstärkt und alle Sorgen und Zukunftsängste übertüncht werden. Das Schallplattencover Boney M's ist ein Relikt des Ausbruchs in  den 1970er Jahren aus einer politisierten Gesellschaft hinein in das Vergnügen.

Differenzierung in Milieus nach Gerhard Schulze

Jedes Objekt spricht auch einen bestimmten Lebensstil an und findet sich dann vermehrt bei speziellen Menschengruppen wieder. Soweit man dies also kategorisieren kann, lassen sich die Konsumenten in bestimmte Milieus einteilen. Über die gemeinsame soziale Lage und gleiche Alltagsmotivationen ergibt sich eine Deutungsgemeinschaft, welche zum Kauf des gleichen Produkts führt. 

Anhand des Modells der „Erlebnisgesellschaft“ nach Gerhard Schulze findet eine Unterscheidung der Menschen in 5 Milieus nach ihren Erlebnisparadigmen statt. Dabei fühlen sich vor allem diese Milieus von meinen Objekt adressiert:

Das Selbstverwirklichungsmilieu: Meist junge Leute, die sich gerne mit Musikgeschichte auseinandersetzen und ein Interesse an der Designarbeit von Schallplatten haben. Ihr Anspruch an Offenheit und kreativer Arbeit kann das Schallplattencover erfüllen.

Das Unterhaltungsmilieu: Bei dieser Gruppe kann die Hülle vor allem mit ihrer Stimulation der Sinne punkten. Zu ihr gehören sowohl ältere Generationen, welche damals in ihren Gartenlauben oder in Discos zu dieser Musik getanzt und gefeiert haben. Heute sind diese vermutlich einem anderen Milieu zugehörig, doch die Platte ist noch immer in ihrem Besitz und weckt herrliche Erinnerung.  Aber ganz klar auch jüngere Menschen ordnen sich in diesem Milieu ein, welche dann eher aus der Mode heraus wieder Schallplatten hören. Von der Guten-Laune-Musik fühlen sie sich unterhalten und können so den alltäglichen Strukturen entkommen. 

Das Niveau- und Integrationsmilieu: Dazu gehören Menschen, die sich öffentlich wahrscheinlich nicht zum Schallplattencover bekennen würden, dessen Inhalt sie aber heimlich hören. Zwischen ihnen und meinem Objekt gibt es scheinbar keine Kompatibilität der Ansprüche und Werte, aber genau diese Gegensätzlichkeit kann eine Flucht aus der eigenen Spießbürgerlichkeit sein. Ein Genuss welcher in Heimlichkeit stattfindet, verbunden mit Scham.

Erfolg

Betrachtet man die Verkaufszahlen der Schallplatte oder die Popularität Boney M's während der 1970er bis 80er Jahre, so könnte man den Erfolg meines Objekts und der dazugehörigen Designarbeit anhand dessen besiegeln. 

Denn nicht nur in Deutschland genossen sie Anerkennung, auch in Großbritannien stehen bis heute zwei Boney-M.-Singles in der Liste der zehn meistverkauften Platten aller Zeiten. Das Quartett war die erste Musikgruppe seit langem, die von Königin Elisabeth II. empfangen und von ihr als „erfolgreichste Popgruppe in England 1978“ ausgezeichnet wurde. In der Sowjetunion erteilte Generalsekretär Leonid Breschnew Boney M. persönlich im selben Jahr die Erlaubnis, als erste westliche Gruppe zehn Konzerte in der damaligen UdSSR zu geben. 

Doch mit dem wachsenden Erfolg kamen auch die internen Probleme, sodass Frontsänger Bobby Farrell 1982 nach Streitigkeiten mit dem Produzenten Frank Farian durch Reggie Tsiboe ersetzt wurde. 1984, zwei Jahre vor dem endgültigen Aus der Gruppe, kehrte Farrell nach Beilegung der Differenzen zur Gruppe zurück, ohne jedoch auch nur annähernd an die frühen Erfolge anknüpfen zu können. Zu jener Zeit verlor Farian sein Interesse an Boney M. und nach fast zehn Jahren erfolgte 1986 die Auflösung der Disco-Formation. 

Heute gibt es, nach diversen Rechtsstreitigkeiten, mehrere Gruppen, welche unter dem Namen Boney M. auftreten. Nahezu alle ehemaligen Mitglieder sind mit den Liedern von _Boney M. individuell _für Auftritte zu buchen. Trotz des Verfalls leben Name und Identität der Gruppe also weiterhin fort, sodass die Kräfte des Designs von Marke, Musik und Mensch noch immer wirken. Diese Einflussnahme würde ich als sehr erfolgreich beschreiben, sowohl aus kommerzieller, designersicher wie auch musikalischer Sicht.

Die erfolgreiche Geschichte Boney M's ist dennoch eine Unbeständige und zeigt, dass es zum Erfolg immer zwei Seiten der Medaille gibt.

7 Minuten Präsentation

Quellen

Bildquellen

Titelbild: https://www.designmynight.com/london/bars/canary-wharf/boisdale-of-canary-wharf/boney-m-featuring-maizie-williams-1

Goldene Bilder:

Frau in Kleid - https://www.etsy.com/de/listing/1107701452/glanzendes-gold-kleid-haute-couture-sexy

Champagner - https://www.champagner-und-champagner.de/moet-gold/

Pharao - https://www.thecultureconcept.com/the-silver-pharaoh-psusennes-i-facing-the-afterlife-in-style

Schmuck - https://www.spiegel.de/wirtschaft/gold-nachfrage-nach-goldschmuck-hat-sich-fast-halbiert-a-00000000-0002-0001-0000-000172378503

Goldbarren - https://www.focus.de/finanzen/boerse/gold/gold-kaufen-das-muessen-sie-beachten_id_5379329.html

Kreditkarte - https://www.americanexpress.com/de/kreditkarte/goldcard/

Münzen - https://www.sincona-trading.com/edelmetalle/gold/

Uhr - https://www.uhren-salzmann.ch 

Weitere Schallplattencover:

Blau - https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww.ebay-kleinanzeigen.de%2Fs-boney-m-poster%2Fk0&psig=AOvVaw0PFESD7hqaVkBxZlXTv6dH&ust=1673881265421000&source=images&cd=vfe&ved=0CBEQjRxqFwoTCLiJzePryfwCFQAAAAAdAAAAABAF

Beige - https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww.jpc.de%2Fjpcng%2Fpoprock%2Fdetail%2F-%2Fart%2Fboney-m-take-the-heat-off-me%2Fhnum%2F6175861&psig=AOvVaw1qlrKzCcmUuJm2uMa7KhNV&ust=1673881058739000&source=images&cd=vfe&ved=0CBAQjRxqFwoTCKCL_oDryfwCFQAAAAAdAAAAABAE

Fetisch:

Barbies - https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Ffashiondollz.de%2Fboney-m-ooak%2F&psig=AOvVaw3cLsNF-SlIR1J6zRGzbx50&ust=1673888741078000&source=images&cd=vfe&ved=0CBAQjRxqFwoTCOD7otCHyvwCFQAAAAAdAAAAABAF

Konzert - https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Ffrc-all-music.com%2Fmadboney2%2Fgallery%2F2622%2Fboney-m-concert&psig=AOvVaw2wJV0F0YeP2NsXZBKMLdct&ust=1673888921152000&source=images&cd=vfe&ved=0CBAQjRxqFwoTCKi-_aWIyvwCFQAAAAAdAAAAABAE

Zeitungsartikel - https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fbravoposters.wordpress.com%2F2019%2F02%2F08%2Fboney-m-1978%2F&psig=AOvVaw0WNpqxHGFF1BMQb2ZajnZ9&ust=1673889088200000&source=images&cd=vfe&ved=0CBAQjRxqFwoTCJjW5fWIyvwCFQAAAAAdAAAAABAE

Tshirt - https://www.google.com/url?sa=i&url=https%3A%2F%2Fwww.aliexpress.com%2Fitem%2F1005003359896698.html&psig=AOvVaw3Gl9NUB-CDArYIUY_rt-cx&ust=1673889230863000&source=images&cd=vfe&ved=0CBAQjRxqFwoTCKCo3LmJyvwCFQAAAAAdAAAAABAw

Plakat - https://www.redbubble.com/de/i/poster/Das-M-ist-Boney-von-soldesign72/104034584.LVTDI?country_code=DE&utm_source=google&utm_medium=cpc&utm_campaign=g.pla+-+%5Bg%5Dcos.usa%5D+%5Bl.eng%5D+%5BPT.%5D&utm_id=notset&utm_term=Content_taxonomy&utm_content=music&gclid=CjwKCAiA5Y6eBhAbEiwA_2ZWIYfmhojKV_ddVh7Cm7KOa8Qm2hnQKNkaQryStihIEN9sQ2PvW2i-VBoCL6kQAvD_BwE&gclsrc=aw.ds

Schallplattensammlung - https://www.ebay.de/itm/324766993619?chn=ps&norover=1&mkevt=1&mkrid=707-134425-41852-0&mkcid=2&mkscid=101&itemid=324766993619&targetid=1405282543919&device=c&mktype=pla&googleloc=9043186&poi=&campaignid=17935704717&mkgroupid=139162549385&rlsatarget=pla-1405282543919&abcId=9301059&merchantid=7539952&gclid=CjwKCAiA5Y6eBhAbEiwA_2ZWIR3TWxNdEsNVJzpwfbo2qqTFLUc35CtmwgS_20YGVayyCsa8YEITrRoCWlkQAvD_BwE

Informationsquellen

https://de.wikipedia.org/wiki/Boney_M

https://de.wikipedia.org/wiki/Bobby_Farrell

https://youtu.be/RnWJz-s69Sg

https://gws2.de/schallplattenhuelle-basteln-papierverpackung-fuer-vinyl-mit-plastikeinlage/

https://de.wikipedia.org/wiki/Schallplattenhülle

https://www.discogs.com/de/release/1398086-Boney-M-The-Magic-Of-Boney-M-20-Golden-Hits

Ein Projekt von

Fachgruppe

Theorie

Art des Projekts

Studienarbeit im ersten Studienabschnitt

Betreuung

foto: Prof. Dr. phil. Rainer Funke

Zugehöriger Workspace

Eros in allen Dingen - Designanalyse

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2022 / 2023