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Einblicke in die Vorstellungen von Mobilität und Zukunft - Nils Krüger und die Schienenfahrzeuge

Einblicke in die Vorstellungen von Mobilität und Zukunft - Nils Krüger und die Schienenfahrzeuge

Diese Arbeit beschäftigt sich mit mit der Frage welche Rolle Utopien im Gestaltungsprozess spielen und welche Implikationen dies für Mensch und Gesellschaft hat. Die Utopie kann hier als Vorzeichen begriffen werden, unter welchem Gestalter*innen ihre Tätigkeitsfelder wählen, abstecken und innerhalb dieser ihre Entwurfsarbeit verrichten. um dieser Frage nachzugehen habe ich den Mobilitätsgestalter Professor Nils Krüger zu seiner Arbeit befragt. Sein Tätigkeitsfeld mit dem Büro + Staubach ist eindeutig in der Gestaltung von Schienenfahrzeugen für den öffentlichen Personennahverkehr zu verorten. In einem weiteren Schritt werde ich einen eigenen Entwurf auf meine eigenen Intentionen prüfen.

Gedanken zu Utopien, Gesellschaft und Gestaltung

Das Gestaltungshandwerk kann als redaktionelle und kuratorische Arbeit verstanden werden, bei welcher entschieden wird, wie ein Ort, Gegenstand oder auch Prozess geartet ist. Meiner Auffassung nach gibt es hier keine richtigen oder falschen Entscheidungen, vielmehr kann die Qualität und Angemessenheit der Arbeit nur in Hinblick auf deren Intention geprüft werden. Es soll also untersucht werden ob Utopien - als konkrete Szenarien - die Absichten und somit die Vorzeichen beschreiben können, nach welchen Entwerfer*innen ihre kuratorischen Entscheidungen treffen.

Bevor ich die Aussagen von Professor Nils Krüger auswerte, möchte ich die Bedeutung und die Mechanismen von Gestaltung innerhalb unserer Gesellschaft beschreiben. Hierbei beschränke ich mich auf die Objektgestaltung. Zwar findet Gestaltung in vielen weiteren Bereichen statt und ich denke viele meiner Annahmen können auch auf diese weiteren Felder übertragen werden, doch sehe ich meine Kompetenz eindeutig und ausschließlich in dem Gebiet der Objektgestaltung und etwas weiter gefasst in der Raum- und Ortgestaltung.

In meinem Verständnis wird beim konkreten Gestalten die übergeordnete Frage nach unseren Lebensräumen verhandelt. Ein Umstand der bei näherer Betrachtung alles andere als trivial ist. Um dies zu verstehen ist ein Blick in die Anfänge der menschlichen Spezies und in das Tierreich geraten, denn der Großteil der Organismen im Tierreich gestaltet ihr Habitat kaum bis gar nicht. Deren Lebensraum wird eindeutig von der Natur, dessen makroskopischen und mikroskopischen Ökosystemen und dem Wetter bestimmt. Die konkrete Artung der Lebensräume wird von hochkomplexen multifaktoriellen Systemen diktiert. Abseits von menschlichen subjektiven Konzepten wie Moralität und Gerechtigkeit werden naturbelassene Lebensräume von physikalischen Gesetzmäßigkeiten geformt. Anders als so manche Glaubensgemeinschaft meint, gibt es keine kuratorische Absicht. Der Lebensraum ist somit nicht nach einem Entwurf, Konzept oder Ideal gestaltet. Ich behaupte, dass die Organismen in diesen Lebensräumen eine rein passive Rolle einnehmen in dem sie auf naturgegebene Situationen reagieren. Verändern sich die Lebensräume, müssen Organismen migrieren oder sich als Spezies über die Generationen hinweg mit körperlichen Adaptionen entwickeln. Die Evolution als passiver Anpassungsmechanismus an die Umwelt.

Im Kontrast zu dem gerade geschilderten hat der Mensch im Laufe seiner zivilisatorischen Entwicklung immer häufiger und tiefgreifender in seinen Lebensraum eingegriffen und somit eine immer aktivere Rolle eingenommen. Da ich kein Historiker bin, kann ich keine fundierten Aussagen darüber treffen, wann genau die Menschheit angefangen hat sich von passiven Lebensraumbewoner*innen zu aktiven Lebensraumgestalter*innen zu entwickeln. Die landwirtschaftliche Revolution vor ca. 10.000 Jahren und der demographische Wandel getrieben durch die Industrialisierung um siebzehnhundert sind jedoch allgemein bekannt als Wendepunkte und Katalysatoren für den größer werdenden Eingriff in die Umwelt. Frei nach der Auffassung: Was nicht passend ist wird passend gemacht, hat die Menschheit ihren Lebensraum nach eigenen Vorstellungen gestaltet. Grundsätzlich kann behauptet werden, dass die Entdeckung und Entwicklung neuer Technologien Schlüsselrollen bei diesem Phänomen gespielt haben. Die exponentiell steigende menschliche Population kann ebenfalls als Indikator für die Veränderung der Lebensräume herangezogen werden. Diese kommt eben nicht aufgrund einer evolutionären Anpassung oder einer signifikanten Vermilderung der Umwelt zustande, sondern eben durch die aktive Umgestaltung der eigenen Lebensräume.

Genauso wie die Naturgegebenen Lebensräume haben die von Menschen gestalteten Lebensräume einen großen Einfluss auf ihre Bewohner*innen. Aus diesem Umstand kann also die enorme Verantwortung abgeleitet werden, die mit der aktiven Kuratierung unseres Lebensraumes einhergeht. Die Konsequenzen unserer Entscheidungen sind unmittelbar und mittelbar. So kann die menschengemachte Klimakrise beispielsweise als mittelbare Konsequenz ganz konkreter gesellschaftlicher gestalterischer Entscheidungen verstanden werden. Zwar handelt es sich in diesem Fall nicht ausschließlich um Objektgestaltung im engeren Sinne, doch sind in der Konsequenz dieser Gesellschaftsgestaltung viele Objekte entstanden, die Gewohnheiten konsolidiert und weitere Bedarfe geschürt haben. Was also im Tierreich ein unidirektionales Phänomen darstellt - die Natur gibt den Lebensraum vor - ist im Fall der Menschheit zu einer bidirektionalen Angelegenheit geworden, bei welcher wir die Umwelt gestalten, welche wiederum Einfluss auf uns und unsere Entscheidungen hat. Man könnte also von einer Rückkopplungsschleife sprechen.

Aus diesen Beobachtungen kann ich auf die Bedeutung von Gestaltung für unsere Gesellschaft schließen: Die Formgebung im Bereich der Objekte und besonders im Bereich der Räume und Orte nimmt großen Einfluss auf unsere Lebensgewohnheiten und somit auf unseren körperlichen und Geistigen Zustand. Sie bestimmt auch unmittelbar und mittelbar mit welchen ökologischen Voraussetzungen wir und die zukünftigen Generationen leben müssen. Gestalten bedeutet in gewisser Maßen Fakten zu schaffen. Welche Fakten geschaffen werden, liegt aber nicht ausschließlich in der Hand der gestaltenden Person, sondern hängt auch stark von den gesellschaftlichen Verabredungen, moralischen Vorstellungen und den daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Systemen ab. So können also Utopien als die Überzeichnung eines Wertekanons verstanden werden, welche die Motive und Vorzeichen beschreiben nach denen ein Entwurf möglicherweise gestaltet ist. Aus diesem Grund untersuche ich ob und wie diese Wertekanone Einfluss auf konkrete gestalterische Entscheidungen nehmen.

Die Frage nach den Motiven und Zielen unserer Lebensweise kann aktueller nicht sein. Der technologische Fortschritt hat uns eine nahezu grenzenlose Menge an Werkzeugen an die Hand gegeben unsere Lebensräume zu gestalten, Tendenz steigend.

Kurzgesagt: Wir haben das know how, aber uns fehlt das know why.

Professor Nils Krüger und die Mobilität

Interview_N.Krüger_Transkript.pdf PDF Interview_N.Krüger_Transkript.pdf

Die Arbeiten von Nils Krüger sind für mich von großem Interesse, da sie auf unterschiedliche Art und Weise Vorstellungen von städtischem Leben, von Mobilität, Nachhaltigkeit und urbanen Räumen materialisiert. Die Schienenfahrzeuge, die Büro + Staubach gestaltet, werden täglich von mehreren tausend Menschen genutzt und sind mehrere Jahrzehnte im Einsatz. Dies bedeutet, dass diese Züge und besonders deren Innenräume einen großen und regelmäßigen Einfluss auf deren Nutzer*innen haben.

Krüger leitet seit einiger Zeit das Büro und ist somit einer der Hauptverantwortlichen für die Arbeiten des Büros. Auf [Seite 10, Zeilen 20 - 33] und [Seite 11, Zeilen 5 - 14] beschreibt Prof. Krüger seine Rolle in den Gestaltungs- und Konzeptionsprozessen. Seine Rolle ist klar in der Strukturierung, Benennung, Verteilung und Bewertung der Projekte und Aufgaben zu verorten. Er selber zeichnet und modelliert nicht persönlich, sondert kuratiert, delegiert und revidiert.

Um zu verstehen wie Krüger zur Gestaltung steht, frage ich Ihn nach seinem Verständnis der Formgestaltung im Kontrast zur Kunst [Seite 03, Zeilen 31 - 36]. Mit dieser Frage versuche ich die Grundlegende Gesinnung von Nils Krüger zu verstehen. Aus meiner Sicht können grob zwei Strömungen beziehungsweise Haltungen in der Gestaltung beschreiben werden, welche als Überbegriffe vieler weiteren, differenzierteren Haltungen und Auffassungen dienen: Im Kern unterscheiden sich meiner Auffassung nach diese Zwei Lager bei der Frage welche Rolle die Kunst, das Ornament und die Schönheit bei der Architektur und Formgebung spielen. So behaupte ich, dass bis in das neunzehnte Jahrhundert hinein Gestaltung im allgemeinen eng verknüpft mit einem Formverständnis war, welches die Schönheit klar als Funktion und Notwendigkeit definierte. Schönheit in der Objektgestaltung war durch Opulenz, Schmuck und Farbenvielfalt geprägt. Objekte wurden verziert und um Applikationen erweitert, welche ausschließlich die Funktion der Verschönerung hatten. Schönheit als Funktion zeichnet Gestaltung bis in das Achtzehnhundert aus und auch heute besteht diese Strömung noch. Prominente zeitgenössische Gestalter dieses Lagers sind beispielsweise Karim Rashid oder Matthieu Lehanneur. Die Nähe zu den bildenden Künsten ist groß. Man spricht von Kunsthandwerk und den angewandten Künsten. In dieser Art der Gestaltung können verschiedenste Utopien oder zumindest Elemente dieser ausgemacht werden: Eine davon ist beispielsweise die Luxus Utopie. Aber auch Elemente aus der Lebensreformbewegung und religiösen Utopien können damit in Verbindung gebracht werden wenn sich Gestalter*innen besonders Elemente aus der Natur bedienen.

Mit dem demographischen Wandel und der Industrialisierung und Technologisierung der Gesellschaft kommen neue Ideen und Behauptungen in Bezug auf eine adäquate und Menschengerechte Gestaltung auf. Allgemein als Moderne benannt wird eine rationalistischere und funktionalistischere Sichtweise laut, die von nun an neben der gerade beschriebenen Strömung besteht. Hier treten Utopien der Reinheit, der Ordnung und der Technologie in den Vordergrund. So wird behauptet, dass den Dingen eine Art Wahrhaftigkeit inne wohnt, welche sich auf ihrer Funktion und gesellschaftlichen Kontextualisierung und Verortung ergibt. Das Bauhaus und einige seiner Vertreter*innen sind ein prominentes Beispiel dieser modernen Gestalterischen Bewegung. Die Form ist hier, so die Vertreter*innen der Moderne, kein Ergebnis eines künstlerischen Geistes, sondern leitet sich klar und logisch aus dessen Funktion ab. Die Modernisten positionieren sich eindeutig im Hinblick auf das Ornament und die bloße Schönheit als Funktion. So kann der Rede von Adolf Loos „Ornament und Verbrechen“ entnommen werden wie vehement sich die Moderne gegen das Prinzip der so genannten Verhübschung stellt.

Auf [Seite 4, Zeilen 1 - 34] Positioniert sich Krüger ziemlich eindeutig indem er seinen Gestaltungsbegriff klar von den (bildenden) Künsten abgrenzt und ihn eher als Problemerkennende und problemlösende Disziplin beschreibt. So spricht er sich auch eindeutig gegen den Begriff der angewandten Künste aus. Er spricht von dem Wandel, welche die Zunft der Produktgestaltung erfährt und beschreibt eine Veränderung und Erweiterung des Tätigkeitsfeldes, da es im Produktdesign schon lange nicht mehrausschließlich um die Gestaltung von Gegenständen ginge, sondern auch und vermehrt um Services, Prozessketten und digitale Welten. So spielen in seinen Augen die formal ästhetische Auseinandersetzung in seinen Prozessen eine kleine untergeordnete Rolle. Hier spricht er von den „letzten zehn Prozent“.

Interieur der Baureihe IK U-Bahn Berlin [Bild_01]

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[Bild 1] zeigt das Interieur der Berliner U-Bahn der Baureihe IK, ein Projekt des Büros. Die Gestaltung kann als modern und zweckorientiert beschrieben werden. Die Material- und Farbwahl orientiert sich stark bis ausschließlich an die Funktion der Elemente. So kommen Rot und Gelb als Signalfarben zum Einsatz um auf die Notbremsen, Feuerlöscher, Türschließsignale und Haltestangen aufmerksam zu machen. Schwarzer Kunststoff kommt zum Einsatz, wo vermehrt Dreck entsteht (Fußboden und Sitze). Die restliche Flächen sind mit grauen Kunststoffpanälen verkleidet. Viele dieser Entscheidungen sind Professor Nils Krüger zufolge Ergebnisse vielseitiger Kompromisse. So kann auf [den Seiten 11 & 12, Zeilen 23 - 31 & 1 - 13] nachgelesen werden, welche Rolle Regelwerke, Vorschriften und Normen bei der Gestaltung spielen. Krüger beschreibt den Gestaltungsprozess als Balanceakt zwischen den verschiedensten Vorschriften, den technischen Machbarkeiten auf Seite der Ingenieure, den Kundenwünschen und des Etats. Auch diese Aussage unterstreicht die Gewichtung und Priorisierung bei der Gestaltung. Für Nils Krüger geht es offensichtlich vordergründig um die Transportfunktion des Schienenfahrzeuges, wobei die Sicherheit, technische- und ökonomische Funktion dabei auch eine große Rolle zu spielen scheinen.

Bei der Frage nach den den Herausforderungen die das Entwerfen eines zeitgemäßen Schienenfahrzeuges spricht Krüger auf [Seite 13, Teilen 8 - 30] von den vermehrten Zielkonflikten, die ein modernes Fahrzeug aushalten muss. Ihm nach Ist die Frage nach der Raumnutzung und Einteilung eine der zentralen Fragen bei der Entwurfarbeit. Er beschreibt den Raum als knapp und strebt eine maximale Flexibilität an, um den Raum so versatil wie möglich den verschiedensten Fahrgastkombinationen anzupassen.

Flexibel gestalteter Innenraum der Baureihe IK [Bild_02]

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Auf [Bild 2] ist so eine Versatilität zu sehen: Der Raum kann von normalen Fahrgästen stehend, stehsitzend, von Rollstuhl- und Fahrradfahrern genutzt werden. Das Wort „Zielkonflikte“ impliziert auch, dass der gemeinsame Aufenthalt in der Bahn eher als problematisch empfunden wird.

Im Weiteren thematisiert Professor Nils Krüger auf den [Seite 13, Zeilen 30 - 49] die urbane Mobilität als System. Er spricht von Verkehrsketten, Carsharing und die digitale Vernetzung mit welcher gebucht, umgebucht, verfolgt und geplant wird. Gegen Ende dieser Antwort spricht Krüger im Rahmen einer Studie für das Schienenfahrzeugmodell DT6 in Hamburg über formalästhetische Fragen wie beispielsweise Technik gut eingepackt werden kann oder der Raum luftig gestaltet wird. Auch hier steht die formale Gestaltung im Lichte einer klar definierten Funktion.

Exterieur der Baureihe IK U-Bahn Berlin [Bild_03]

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[Bild 3] Zeigt die IK Baureihe von außen. Eine erste und oberflächliche Analyse sieht in dem Konzept des Exterieurs das Anknüpfen an das Farbkonzept der Berliner Verkehrsbetriebe. Die Kubatur leitet sich klar aus dem Schienen und Tunnelformat ab. Die Formsprache kann allgemein als reduziert, rational und organisiert beschrieben werden. Symmetrien und Wiederholungen dominieren den Entwurf. Es ist klar eine Ordnung zu erkennen. Lediglich die Front alludiert auf ein Gesicht und wirkt fast niedlich. Doch auch die Front ist im gleichen eher technischen Duktus gestaltet.

Auf [Seite 15, Zeilen 19 - 27] Antwortet Professor Krüger auf meine Frage ob er aus seiner Sicht eher Objekte, Räume oder Systeme gestaltet. Er sieht das Tätigkeitsgebiet des Büros klar in allen drei Bereichen. An dieser Stelle setzt er weder in die eine noch in die andere Richtung eine Gewichtung.

Ich denke an Hand der gerade genannten Aussagen von Krüger kann ich sagen, dass dessen Utopien eher in der Moderne zu verorten sind. Mann kann seine Arbeitsweise dem Funktionalismus zuordnen. Die Fahrzeuge scheinen mehr oder minder ausschließlich im Hinblick auf die Funktion des Transportes von Menschen konzipiert und entworfen zu sein. Motive seiner Gestaltung sind utilitaristischer Natur und verfolgen die klare Strategie die Bedarfe klar zu definieren und einzugrenzen, um sie dann effizient und zweckdienlich zu lösen. Selbstverständlich muss gesagt werden, dass diese Herangehensweise an die Herausforderung der städtischen Mobilität nicht ausschließlich Herrn Krüger zuzuordnen ist. Im Gegenteil, sie ist eher eine Tendenz der gesamten Gesellschaft. Die Ideale Krügers und dessen Kunden reihen sich also ein in die Vorstellung einer technologisierten und rationalisierten Vorstellung von Mobilität.

Auf [Seite 17, Zeilen 1 - 18 & 20 - 26] antwortet Herr Krüger auf meine Frage nach seiner utopischen Vorstellung von Mobilität in Berlin einhundert Jahre in der Zukunft. Seiner Antwort ist zu entnehmen, dass er auch hier ein rationales und realitätsorientiertes Bild zeichnet. Er spricht sich klar gegen Parzellierung der Mobilitätskonzepte aus, sprich die Zerkleinerung der Fortbewegungsmittel in PKW oder autonome Kapseln etc. Er Sieht eine Steigende Relevanz der Schienenfahrzeuge und lehnt die „Nutzung der dritten Dimension“ - hier ist der Luftraum gemeint - mit Drohnen oder Ähnlichem ab. Er nutzt diese Gelegenheit auch um eine verwandte Utopie anzusprechen. So thematisiert er die Organisation des urbanen Lebensraumes und erhofft sich wieder eine stärkere Durchmischung im Hinblick auf das Wohnen und Arbeiten, was ein geringeres Mobilitätsaufkommen zur Folge hätte. Denn wer in unmittelbarer Nähe zu seinem Arbeitsplatz wohnt, benötigt ein deutlich geringeres Mobilitätsangebot.


Ob und in wie fern Professor Krügers und somit auch die aktuelle gesellschaftliche Vision von Mobilität die richtige ist, liegt in diesem Rahmen nicht an mir zu beurteilen. ich möchte an dieser Stelle aber sagen, dass es bei weitem nicht die einzige ist und sein muss. Gerade wenn es um Utopien geht sollten wir als Gesellschaft stets in alternativen denken und uns das Träumen nicht verbieten. Die zentrale Frage ist hier was Mobilität grundlegend leisten sollte und welchen Preis wir als Gesellschaft bereit sind dafür zu bezahlen. Wie im Vorangegangenen analysiert sieht Herr Krüger die grundlegende Funktion der Mobilität in dem effektiven, reibungslosen und sicheren Transport von Menschen. Schaut man sich aber beispielsweise die Gestaltung von Schienenfahrzeugen im späten neunzehnten Jahrhundert an können auch Motive erkannt werden, die über den reinen Transport hinausgehen.

Interieur des Orientexpresses [Bild_04]

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Auf [Bild4] ist das Interieur des Orientexpresses zu sehen. Die Reise mit diesem Zug bedeutete ein Erlebnis. Die Reise wurde genutzt um Geschäfte zu machen, Freundschaften zu erleben und im allgemeinen zu netztwerken. Mit diesem verweis möchte ich aufzeigen, dass die Zeit in den Transportmitteln auch mehrdimensional betrachtet werden kann. So wäre eine Möglichkeit in der Konzeption und Gestaltung der Fahrzeuge den Aufenthalt über das reine Absitzen der Fahrtzeit hinaus zu denken. Der Vergleich mit dem Orientexpress muss natürlich mit Vorsicht genossen werden, da dies ein exklusives Fortbewegungsmedium war und mit den Massentransportmitteln unserer Zeit nur schwer zu vergleichen ist. Es geht mir bei der Gegenüberstellung eher um das übergeordnete Ziel, welches wir als Gesellschaft definieren wenn wir über Mobilität sprechen.

So könnten Fahrzeuge mit dem Ziel gestaltet werden das Aufeinander treffen der Fahrgäste nicht als Hindernis, sondern als Chance zu betrachten. All dies müsste selbstverständlich im Rahmen der technischen, ökonomischen und ökologischen Möglichkeiten stattfinden. Ein Um- und Weiterdenken von Mobilität könnte aber die Lebensqualität vieler nachhaltig verändern. Wenn dies als Funktion betrachtet wird kann es zu einem Paradigmenwechsel kommen. So könnte zum Beispiel ein komfortabler Nachtzug für einen Geschäftsreisenden interessanter sein als eine hektische und umweltschädliche Flugreise.

Konzept für das Interieur des Eurostar-Zuges [Bild_05]

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Auf [Bild 5] ist der Konzeptentwurf des Interieurs für den Eurostar Zug zu sehen. Christopher Jenner denkt Mobilität hier anders und leistet einen Zeitgenössischen Vorschlag, wie wir Mobilität begreifen wollen.

Wie in meiner Einleitung beschrieben kann man aus meiner Sicht nicht binär gute oder schlechte Gestaltung benennen. Und es geht auch nicht um das Ausspielen verschiedener Utopien oder Gesellschaftsentwürfen. Vielmehr geht es um einen reflektierten Umgang mit verschiedensten Konzepten. Wir als Gesellschaft und somit in zweiter Instanz als Gestalter*innen sollten uns stets mit diesen Fragen auseinandersetzen und unsere Arbeit und Intentionen dahingehend prüfen. Realitäten sind nie alternativlos und unsere Umwelt, auf welche wir einen nicht unerheblichen Einfluss haben, schon gar nicht.

Ich selber kann mich sehr gut mit Professor Krügers Vorstellungen von Mobilität identifizieren und glaub, dass er einen sehr wichtigen Beitrag zur Mobilität leistet. Trotzdem sollten wir dort kein Halt machen und in die Zukunft schauen.

Untersuchung des eigenen Entwurfes: Wandregal aus Blech

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Für die Reflexion einer eigenen Arbeit habe ich mich für den Entwurf eines Blechregals für die Wand entschieden. Die Arbeit entstand im Rahmen eines Entwurfskurses, welcher von den Gründern des jungen Berliner Möbelunternehmens „Objekte unserer Tage betreut“ wurde. Die Aufgabe bestand in der Konzeption eines für den Verbrauchermarkt geeigneten Regal für die Wand aus Blech. Grundsätzlich waren wir, ausgenommen von der Vorgabe des Materials, in der Gestaltung ziemlich frei. Die Kursleitung legte jedoch sehr großen Wert auf die technische und ökonomische Machbarkeit des Entwurfes. So bestand unsere Aufgabe zu einem großem Teil auch aus der Prüfung unserer Ideen im Hinblick auf diese Vorgabe. Ein Entwurf der zu komplex und oder zu teuer in der Produktion gewesen wäre, hätte die Aufgabenstellung verfehlt.

Somit kann ich sagen, dass die Gestaltungsideale und somit die Utopien wenn man so will zum Teil von dem Kursrahmen gesetzt wurden. Dieser Umstand bildet aber nicht zuletzt auch die Realbedingungen vieler Gestalter*innen in der Praxis ab. Zwar ist die theoretische und ideologische Auseinandersetzung mit den eigenen Gestaltungsmotiven von großer Bedeutung, doch sind diese nicht immer oder nur zu kleinen Teilen mit den Rahmenbedingungen der Gesellschaft und somit Wirtschaft in Einklang zu bringen. Trotz alle dem hatte ich bei meiner Arbeit, wenn auch nur im kleinen Umfang, gestalterische Freiheiten und ich möchte diese im Folgenden auf meine Ideale und Utopien prüfen.

Rückbesinnend möchte ich meine Ansprüche an den Entwurf des Blechregals formulieren. Es war mir wichtig einen Beitrag zu leisten, der sich von bekannten Entwürfen absetzt. So kann gesagt werden, dass mir in der Formfindung ein gewisses Alleinstellungsmerkmal wichtig war.

Blechregal in seinen Einzelteilen [Bild_06]

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Auf [Bild 6] ist das Wandregal mit seinen zwei Wandelementen und dem nicht eingelegten Auflageblech zu sehen. Um die technischen Anforderung eines an der Wand montierten Regals zu bedienen habe ich mich gefragt ob das Halbzeug wie beispielsweise konventionelle Winkel anders und in gewisser Weise ornamentaler gedacht werden kann. Aus diesem Ansatz heraus habe ich die Wandelemente entwickelt, welche als reduzierte vertikale Elemente das Auflageblech aufnehmen und so aus meiner Sicht mit dem konventionellen Winkel brechen.

Wandregal als Bücherregal [Bild_07]

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[Bild 7] zeigt den Entwurf als Bücherregal. Hier ist zu sehen, dass der obere Teil im Gegensatz zum unteren Teil der Wandelemente, welcher das Gewicht des Auflagebleches und in diesem Fall der Bücher aufnimmt, einerseits einen rein ornamentalen Charakter hat indem er den unteren Teil symmetrisch spiegelt, anderseits auch die Funktion als Buchstütze hat. Rückblickend kann ich also sagen, eine meiner Maximen war, dass alle Bauelemente eine Funktion erfüllen. Die Module erfüllen somit in verschiedenen Instanzen mehrere Funktionen: Sie sind im Hinblick auf eine kostensparenden und Maschinelle Produktion herstellungsgerecht, sie erfüllen aufgrund ihrer Materialität und Topologie die statischen Anforderungen und fungieren in letzter und wichtigster Instanz als Regal. Ich erinnere mich an die unzähligen Varianten und Überlegungen, die ich anstellte, um die Bauelemente all diesen Ansprüchen gerecht zu gestalten. Selbstverständlich geschah all dies unter der ständigen Berücksichtigung meiner formalästhetischen Ansprüche. Wie unschwer an dem Entwurf zu erkennen ist, können diese relativ eindeutig in der Moderne verortet werden. Technische, geordnete und nachvollziehbare Formen reizen mich besonders. Um ein Beispiel zu nennen möchte ich den Entwurf der „Tizio“ leuchte von Richard Sapper heranziehen.

Leuchte "Tizio" von Richard Sapper [Bild_08]

Leuchte Leuchte

Auf [Bild 8] ist zu sehen wie er mit der damals neuen Niedervolttechnologie umgegangen ist. Sein Entwurf hat eine besonders technische Anmutung, fast wie ein Kran liefert die Leuchte Licht für den Schreibtisch.

Es fällt mir schwer, die Utopien hinter meinem Entwurf zu konkretisieren. Ich kann aber sagen, dass rein nüchtern betrachtet Ideale von Erweiterung, Systemgedanken, Technologien und Maschineller Produktion in meinem Entwurf wiederzukennen sind. So spielen Utopien der Moderne eine klare Rolle, wie die der Ordnung und Reinheit. Zwar glaube ich nicht, dass diese Ideale alleine und ausschließlich meine entwerferische Welt bestimmen sollten, doch glaube ich schon, dass die maschinelle und serielle Herstellung von Objekten eine wichtige Rolle in der Demokratisierung der Gegenstände spielt. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die reine Rückbesinnung auf das Kunsthandwerk und auf die ursprüngliche Idee von Ornament und Schönheit allein Antworten auf die Gestaltung unserer Welt bieten. Mein Entwurf ist nicht ornamentfrei, sondern definiert dieses anders.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Theorie

Art des Projekts

Studienarbeit im zweiten Studienabschnitt

Betreuung

foto: Prof. Dr. phil. Rainer Funke

Zugehöriger Workspace

Auf dem Weg nach Utopia? Design mit allen Sinnen oder verloren im Nirgendwo? #TransFormation

Entstehungszeitraum

Sommersemester 2022

Keywords