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Wir sind doch nicht blöhd.

Eine Publikation zum Thema Nachhaltigkeit.

INHALT

Nachhaltigkeit. Um keinen Begriff kommen wir heute schlechter herum als um diesen. Kein Wunder, schließlich spricht die Menschheit schon seit über 300 Jahren von dieser Idee: »Im Wald ist nur so viel Holz zu schlagen, wie permanent auch nachwachsen kann.«

Das war die Erkenntnis des sächsischen Oberberghauptmannes Carl von Carlowitz, der 1713 angesichts einer Holzausbeute in den deutschen Wäldern erstmalig ein Prinzip von nachhaltigem Handeln definierte. Dieser Gedanke wurde über die Forstwirtschaft hinaus, für viele weitere Naturprobleme adaptiert und hat sich zum Wertegrundsatz in Wirtschaft und Gesellschaft entwickelt. Zumindest auf der theoretischen Ebene. Denn wenn wir uns die Welt drei Jahrhunderte später anschauen, so kann man nicht sagen, dass der Mensch in all den Jahren besonders viel Bewusstsein aus der Entwicklung dieses Begriffs mitgenommen hat. Denn mit dem Beginn der Industrialisierung und der Entwicklung zu einer Massenkonsumgesellschaft haben wir über Jahre hinweg gelernt: Mehr ist mehr. Und mehr ist gut.

Als eindeutigen Motor oder auch Trainer dieses Überflussdenkens lässt sich an dieser Stelle zuerst kein anderer Begriff als der der Werbung nennen. Sie hat uns mit ihren cleveren Tricks und Gestaltungsmethoden mit auf Reisen, Abenteuer, Sehnsuchtsorte, Wunschvorstellungen und Geschichten genommen, damit wir am Ende ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung in unserem Alltag integriert und alte weggeschmissen haben. Und das jeden Tag aufs Neue. Oder anders gesagt: Die Werbung ist Mittäter dieses ökologischen Dilemmas, in dem wir uns gerade befinden. In dieser Hinsicht scheinen sich die nun beiden besprochenen Begriffe Werbung und Nachhaltigkeit auf den ersten Blick total zu widersprechen.

Doch wenn wir die Werbung einmal ohne Vorurteile und Erfahrungswerte betrachten, so ist sie im Grunde ein essenzielles Werkzeug unserer Gesellschaft. Sie erzählt den Menschen von Dingen, für die sie ein Bedürfnis entwickeln könnten. So soll sie (zumindest in der Theorie) vermeintlich öde Produkte oder Dienstleistungen in etwas Wünschenswertes verwandeln. Damit kann sie die Werte und Bedürfnisse einer Gesellschaft definieren und Statussymbole kreieren.

Demgegenüber ist der Begriff der Nachhaltigkeit in der breiten Masse noch häufig von sehr negativen Bildern besetzt: Nachhaltig Leben heißt für viele immer noch Verzicht, Langeweile oder Angst vor der Zukunft: Wieso hat die Werbung sich mit ihrem großen Gestaltungspotential dieses Problems nicht schon lange angenommen und begonnen, Nachhaltigkeit zum Statussymbol zu machen?

Diesem Gedanken auf den Grund zu gehen, das nahm ich zum inhaltlichen Ziel meiner politischen Publikation. Dafür habe ich mich auf die Suche nach zwei Positionen begeben, die stellvertretend für die beiden Bereiche ihre Perspektive auf diese Grundfrage darlegen könnten. So fand ich den Nachhaltigkeitsberater Stephan Bohle und meinen ehemaligen Professor für Bild-Text-Konzeption Burkhart von Scheven, die ich beide unabhängig voneinander interviewen durfte.

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KONZEPT & GESTALTUNG

Gestalterisch setzte ich mir dann zwei Hauptziele. Ich wollte einmal rein typografisch arbeiten, einfach weil ich das bisher noch nie gemacht habe und ich mich der Herausforderung stellen wollte, auch ohne Bilder von Bildern zu erzählen. Und zweitens wollte ich in diesem typografischen Ansatz einen Weg finden, diese zwei an sich sehr gegensätzlichen Interviews neu und homogen in der Publikation miteinander zu verbinden. Ich wollte den Widerspruch deutlich machen, der in meiner Fragestellung und damit auch in der Auseinandersetzung mit dem Thema pro Position gilt, gleichzeitig in diesem Widerspruch durch die gemeinschaftliche Positionierung und Nichttrennung der Antworten die Möglichkeit einer Einigung andeuten. Ich wollte die Frage visualisieren: Werbung und Nachhaltigkeit – geht das?

Dass es nicht geht, ließ mich die herausfordernde gestalterische Arbeit am Anfang tatsächlich glauben. Ich probierte mich an einer ganzen Reihe von Layouts aus, fand aber keinen Weg, der mich wirklich glücklich machte. Schließlich kam mir der »rettende« Einfall: Durch den Verzicht auf die Bildebene könnte ich über die Typografie von diesen beiden widersprüchlichen Begriffen erzählen. So legte ich fest, dass das Werbeinterview groß, breit und mit einem extended Schriftschnitt gesetzt wird. Das Nachhaltigkeitsinterview dagegen sollte klein, schmal und mit dem condensed Schriftschnitt meiner Schrift Aktiv Grotesk gesetzt sein. Meine Texte als Fragestellerin und Einführerin bzw. die neutrale Ebene dazwischen sollten dafür mit dem regulären Schriftschnitt sprechen. Aus diesen Festlegungen entstand dann im zweiten Schritt die Idee, über die Kürzung von bestimmten Seiten den Blick frei auf darunterliegende Seite zu machen. So konnte ich das typografisch kleine, dafür im Inhalt umfangreichere Nachhaltigkeitsinterview auf die langen Seiten; das typografisch große, dafür im Inhalt weniger umfangreiche Werbeinterview auf die gekürzten Seiten setzen. Das könnte den Effekt erzeugen, beide Interviews theoretisch gleichzeitig auf einer Seite lesen und damit auch beide Position gleichzeitig verstehen lasse–trotzdem immer noch von einer Trennung der Themen erzählen zu können.

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DRUCK

Dann kam die Zeit zum Drucken und für meine ersten Erfahrungen mit dem Risographen. Das Drucken an sich war dann sehr interessant. Vor allem der »anspruchsvolle« Denkteil im Ausschießen und Papiereinlegen etc. machte tatsächlich irgendwie Spaß. Doch dann, im nächsten finalen Schritt–dem Binden,–kam es zu einem kleinen Rückschlag. Aus Zeit- und Erfahrungsgründen (so doof es auch klingt, aber gerade Schneiden lag mir noch nie) entschied ich mich dafür, all meine Bögen in einer Druckerei zuschneiden zu lassen. Kaum waren die Bögen wieder bei mir, habe ich diese Entscheidung aber bereut. Die Druckerei hatte leider nicht den Versatz in den Druckbögen miteinberechnet, bzw. habe ich versagt, ihnen das zu sagen, und meine Bögen waren so beschnitten, wie sie eigentlich nicht hätten beschnitten sein sollen. Dazu kam mein Fehler, dass ich mich gegen die Buchbindewerkstatt entschied und damit leider etwas unprofessionell meine Bögen zu Heften band. Ich hätte an diesem Punkt vielleicht einfach den gesamten Druckprozess noch einmal wiederholen können, aber das hätte einfach meinem Thema widersprochen. Also dachte ich mir: Embrace your flaws. Ich akzeptierte die schiefen Schnitte und fand es an irgendeinem Punkt sogar gut, da genau das eben auch von meinem Hauptthema Nachhaltigkeit erzählte.

Und ganz zum Schluss, da kam mir dann doch noch eine Idee für eine Bildebene: Jedes Heft bekam noch einen Reklameumschlag, was mein Thema schließlich auch äußerlich andeuten sollte.

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FAZIT

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Ich nehme vieles aus diesem Kurs mit. Inhaltlich habe ich nicht nur sehr viel über mein Thema, sondern auch die sehr interessanten Themen der anderen Kursteilnehmer gelernt. Auch gestalterisch habe ich das Gefühl, dass ich einen großen Schritt weiter gekommen bin. Nicht nur, dass ich jetzt weiß, dass ein etwas größere Seitenrand bei Risodrucken risikofreier ist oder man vielleicht doch mal eine Weiterbildung im geraden Schneiden absolvieren sollte; sondern vor allem habe ich anhand dieser Publikation erfahren, wie wichtig der Schritt der Konzeption ist. Und wie wichtig in solchen Fällen der Grundsatz ist, dass die Gestaltung dem Inhalt folgt. Der Inhalt gab mir vor, was es zu erzählen gab; und mithilfe der Gestaltung konnte ich das dann erzählen.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Kommunikationsdesign

Art des Projekts

Studienarbeit im Masterstudium

Betreuung

foto: Franziska Morlok

Zugehöriger Workspace

Politiken des Designs – Design als Politik?

Entstehungszeitraum

Sommersemester 2022