Incom ist die Kommunikations-Plattform der Fachhochschule Potsdam

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Kübel

Die Welt ist so vielfältig, dass ein vollumfängliches Verständnis sich als schwierig erweist. Die Tiere verfügen vielleicht doch über mehr Erfahrungen und Geschick als bereits bekannt. Die Pflanzen sind um ein Vielfaches näher an den Lebewesen, die sich in schnelleren Zeitfenstern bewegen. Ein besseres Verständnis des Lebens und der Sinne innerhalb einer Pflanze intensiviert unsere Beziehung zu ihnen. Wie weit können wir bereits einschätzen was um uns herum geschieht? Welche Prozesse sind bereits begreifbar und welche nicht?
Um diese Fragen zu ergründen, neue aufzuwerfen und alte wieder zu entdecken, starten wir mit diesem Projekt einen speziellen, experimentellen Versuch. Was erfährt eine Pflanze?

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Einleitung

Um sich bewusst zu werden, wie viele Dinge man in der Umgebung annimmt ohne sie je zu überprüfen, reicht es schon, die für uns schwächsten Glieder unseres Ökosystems zu betrachten. Sich nur langsam bewegende, nicht mit uns in wahrnehmbaren Zeiträumen kommunizierende, unscheinbare Geschöpfe: Pflanzen. 

Nicht oft verirrt sich in unsere Köpfe ein Gedanke daran, ob die Zimmerpflanze vielleicht etwas vom wütenden Selbstgespräch oder den Veränderungen in unserem morgendlichen ungeduschten Odeur nach einer durchschwitzten Nacht bemerken könnte. Erst wenn es um größere Einflüsse wie Licht, Wetter, Wasserversorgung geht, achten wir auf die Signale der Pflanzen. Wie sich aber in vielen Beispielen feststellen lässt, ist die Wahrnehmung in der Pflanze nicht so ruhig und behäbig wie einst angenommen.

Konzept

Die BesucherInnen werden in die Lage versetzt eine Nachahmung zu erfahren, selbst zu sehen, fühlen, riechen und hören, was eine Pflanze in ihrem Alltag erfahren könnte. Dieses noch in den Startlöchern stehende Feld der Wissenschaft lässt sich bereits mit einigen Fakten hinterlegen und dennoch bleibt eine große Ungewissheit über das, was wir noch nicht wissen, aber was Realität sein könnte. Ein unendlicher Horizont von Möglichkeiten erstreckt sich hinter den wenig beachteten, für uns langsameren Lebewesen.

Aufbau

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Der Raum wird abgedunkelt und durch LEDs werden die Wände angestrahlt, im Zentrum der Lichtkegel befinden sich jeweils Infotafeln zum jeweiligen Sinn auf der Außenseite des Kübels. Die Soundinstallation besteht aus zwei Boxen für ein räumliches Empfinden bei LR-Sound.

Das Innere des Kübels beinhaltet drei Sichtfenster nach außen sowie eine Installation für drei weitere Sinne: einen Ventilator unter dem vorderen Fenster, der Geruch nach Tomatenpflanzen und eine Rotlichtlampe von Oben. Die gesamte Box wurde so konzipiert, dass eine durchschnittlich große erwachsene Person in dieser stehend Platz hat. 

Der Kübel lädt dazu ein, weniger von dem bereits Bekannten zu spüren und mehr des Unbekannten zu ergründen und erträumen. Die folgenden Texte erklären die Sinneswahrnehmungen, die vermittelt und erfahren werden sollen.

Das Fühlen (und Erinnern) der Mimose

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Wird der Mimose ein kleiner Stoß versetzt, dann schließt sie blitzartig ihre Blattrispen. Die Zweigen der Mimose von der Biologin Monica Gagliano haben sich an die wiederholten Berührungen gewöhnt, aber zogen sich wieder zusammen, als sie auf andere Weise berührt wurden.

Pflanzen sind dazu gezwungen sich ihrer Umgebung anzunehmen und auf diese zu reagieren. Anders als Menschen können sie nicht fliehen. Doch sie sind darauf vorbereitet, indem sie genetisch viel komplexer sind als Tiere und sich zum Überleben anpassen. Das elektronische Signal, dass bei einer Berührung durch die Pflanze gesendet wird, ist dasselbe wie beim Menschen. Der Tastsinn wird jeweils durch Änderungen der Elektrizität ausgelöst.

Das Riechen der Weinrebe

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Eine parasitische amerikanische Weinrebe erkennt am Geruch die Unterschiede zwischen einzelnen Arten. Der Pflanzengenetiker Daniel Chamovitz fand heraus, dass die Pflanze sich gerne in Richtung eines Tomatendufts orientiert, aber die Richtung eines Weizendufts ablehnt und in die andere Richtung wächst. Er argumentiert: „Wenn eine Pflanze ein chemisches Signal in der Luft in ein bestimmtes Verhalten umsetzt, dann heißt so etwas Geruchssinn.“ Pflanzengase dienen einzelnen Pflanzen auch dazu sich selbst vor dem Angriff gefräßiger Insekten zu schützen oder andere Pflanzen davor zu warnen. So stößt beispielsweise die Limabohne einen Duftstoff aus, wenn sie von Milben befallen ist. Auch werden mit einem süßen Nektar Ameisen angelockt, welche die Milben herfallen.

Das Sehen der Bohne

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Bei Sonneneinstrahlung bewegen sich die Blätter der Bohne wie eine Sattelitenschüssel in die Richtung des Lichts und möchten mit ihrer gesamten Fläche soviel wie möglich einfangen. Im Gegensatz zu fast allen Tieren besitzen Pflanzen keine Sehzellen, aber wenn wir „Sehen als eine Fähigkeit beschreiben, auf Lichtunterschiede sinnvoll zu reagieren“ (Stefano Mancuso), dann ist die Pflanze sogar besser darin als der Mensch. Während wir fünf Fotorezeptoren in unserem Auge besitzen, die dafür sorgen, dass wir Farben wahrnehmen können, ist eine Pflanze mit ganzen 13 Fotorezeptoren dafür ausgestattet Farben zu erkennen, die wir nicht sehen können. Dabei sitzen diese nicht nur in einer Iris, sondern in jeder einzelnen Zelle. Durch Erkennen der Farben und Länge der Dunkelheit, können Sie unterschiedliche Tages- und Jahreszeiten erkennen und sich darauf einstellen. Der Pflanzengenetiker Daniel Chamowitz entdeckte gar ein Protein, die dafür sorgen Licht aufzunehmen und zu erkennen, ob es hell oder dunkel ist. Dieses Protein ist, aus denselben Gründen, ebenfalls in der Haut des Menschen vorzufinden.

Das Hören der Erbse

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Pflanzen interessieren sich nicht für Musikrichtungen oder präferieren keine Geräusche. Eine Schutzreaktion auf Lärm wäre eher den starken Schwingungen zuzuordnen. Allerdings besitzen die Pflanzen ein Taubheitsgen, dass auch im Menschen vorzufinden ist. Ist dieses Gen beschädigt, ist das Trommelfell im Ohr beim Menschen und die Wurzelhaare einer Pflanze verkürzt. Der Mensch verliert die Hörkraft und die Pflanze die Möglichkeit der Wasseraufnahme. Daniel Chamowitz ist der Meinung, dass ein Gehörsinn evolutionär nicht notwendig ist für die Pflanzen.

Die Erbsen der Biologin Monica Gagliano konnten allerdings das Wasser wahrnehmen und reagierten darauf. Sie hat Erbsenkeimlinge in Töpfe gepflanzt und ein Arm der Töpfe ragte in einen Behälter, um den Wasser floss. Der andere in ein Gefäß, in dem sich nur trockene Erde befand. Alle Pflanzen wuchsen nur die Richtung des Behälters, der vom Wasser umgeben war. Das einzige, dass sie hätten wahrnehmen konnten, war das Fliessgeräusch.

Konzeptvideo

Sound- und Lichtdesign

Sound und Licht sind bei uns eng miteinander verbunden. Beide erzählen die Geschichte eines Tages. Dabei haben wir mit dem Design des Lichts begonnen und den Sound darauf aufgebaut. 

Für einen Loop der beiden Designelemente planten wir 4 Minuten ein. Jeweils eine Minute für Morgens, Mittags, Abends und Nachts.

Das Licht richtet sich bei jedem Abschnitt nach der grundlegenden Stimmung der entsprechenden Zeit. Morgens und Abends sind Abschnitte des Wandels. Es findet ein Übergang von Blau über Orange zu Weiß und eine Übergang von Weiß über Rot zu Blau statt. Mittags und Nachts sind einfarbig, spielen aber mit Abdunklungen, welche eine Pflanze wahrnehmen würde. Damit eine bessere Immersion auch für die Zuschauer außerhalb der Box gelingt, haben wir die Außenwände der Box so gestrichen, dass in verschiedenen Lichtern verschiedene Ebenen des gemalten mehr herausstechen. Somit entsteht eine bessere Illusion der Tagezeiten.

Der Sound reagiert dabei auf diese Veränderungen. Grundlegend haben wir dabei vier Atmosphärische Ebenen. Eine Bassebene unter 100 hz und einen Grundakkord in E-moll. Diese sollen die Schwingungen in der Erde darstellen, welche die Pflanze den ganzen Tag über von anderen Pflanzen, Wasser, Tieren und weiterem wahrnehmen kann. Diese beiden Ebenen verändern sich am Morgen und am Abend. In der Nacht sind sie einen Halbton tiefer und haben weniger Höhen als am Tag. Es soll auf den Grundlegenden Tagesrhythmus aller Pflanzen hinweisen. Die dritte atmosphärische Ebene ist ein Übergangselement. Sie kommt nur am Morgen und am Abend. Sie soll die Wahrnehmung des Lichtumschwungs der Pflanze verdeutlichen und zudem einen besseren Übergang zwischen Tag und Nacht gewährleisten. Die letzte Atmoebene ist nur am Tag zu hören. Sie ergänzt den Grundakkord durch die Terz, Quinte und Septime. Dies soll dem düsteren Grundakkord eine hellere Stimmung verleihen, um auch den Tag im Klang widerzuspiegeln. 

Zudem kommen dann noch natürliche Klänge, welche einen Kontrast zu den vier Atmosphären bilden sollen um auf bestimmte Ereignisse während des Tages der Pflanze hinzuweisen. Von Morgens bis Mittags haben wir Vögel, welche den Beginn des Tages einleiten. Tagsüber haben wir dann Wind, welcher die Einleitung für die Verdunklung des Lichts durch Wolken ist. Am Abend zirpen dann Grillen bis in die Nacht. Sie werden von Eulen während der Nacht abgelöst. Unsere letzte Ebene sind knackende Äste und das Schnüffeln von Rehen. Sie spielen wieder mit dem Licht zusammen, um die Gefahr für die Pflanze besser darzustellen.

Dabei ist der ganze Sound für ein Stereo System produziert, damit die Illusion mit dem Licht zusammen perfekt wird.

Grafisches System

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Das grafische System für Präsentation, Begleithefte, Infotafeln und etwaige andere Anwendungen basiert auf sehr großen Headlines auf Aufkleber-artigen Trägern, welche den Untergrund verschwimmen lassen als Anspielung auf das milchige Glas und das Sehen der Pflanzen. Die Wärmeorientierung an der Rotlichtlampe findet sich in einem dezenten radialen Farbverlauf am oberen Ende des Stickers wieder.

Die Schrift selbst besteht zur einen Hälfte aus einem sehr fetten, etwas in der Höhe zu großen Schriftzug und einer darüberliegenden manuell angepassten geschwungenen, Kalligrafie-artigen Schrift. Die blockige Headline repräsentiert den technischen Aspekt des Projektes, die gesicherten Informationen und die spielerische, individualisierte Addition steht für die imaginative, nicht erforschte und pflanzliche Seite.

Ergänzt wird dieses Headline System mit Ausschnitten aus den Wandbemalungen des Kübels und Fotoaufnahmen der für die Recherche relevanten Pflanzen, die auf schwarzem Hintergrund liegen und immer mit maximal 2 Elementen in den weißen Untergrund des Fließtextes ragen. Damit wird - wie bereits mit der Bemalung der Wände - das rein industrielle, reduzierte Grundkonstrukt der Informationen um einen grafisch vielseitigen Teil erweitert.

Making Of

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Für den Bau des Kübels hatten wir 2 Wochen eingeplant, die vorangegangene Planungsphase dauerte etwa genauso lang. Letztendlich wendeten wir viele Arbeitsstunden für die Beschaffung der Materialien auf, egal ob wir sie kauften oder liehen - ein großes Dankeschön für die Technik der Sound-, Ventilator-, Wärme- und Lichtinstallation an Trollwerk Produktion GbR. 
Das abbaubare System ermöglicht es die Box leicht zu transportieren, dabei war es uns besonders wichtig Stabilität zu gewährleisten. Der Aufbau  des Kübels nahm einige Arbeitstage in Anspruch, für die Instruktion beim Bemalen bedanken wir uns bei Jaspar Precht. Besonders freuen wir uns jetzt auf die Werkschau, dort den Kübel zu installieren und unsere Technik dort in Aktion zu sehen!

Fachgruppe

Sonstiges

Art des Projekts

Studienarbeit im zweiten Studienabschnitt

Betreuung

foto: Michael Annoff foto: Nicola Lepp foto: Prof. Franziska Morlok foto: Prof. Wiebke Loeper

Entstehungszeitraum

SoSe 21 – WiSe 21 / 22