In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Über die Macht der Gestaltung sowie Politik und Ethik des Designs
Masterthesis von Julian Georg Burkard
(Matrikel-Nr. 15438)
Betreut durch Prof. Matthias Beyrow und Prof. Dr. Rainer Funke
Gestalter*innen sind Werkzeuge, die Repräsentation oder
Legitimation durch Kreativität erzeugen (vgl. Borries, 2016, S.
122).
Diese Vorstellung von Designarbeit entbindet Gestalter*innen
von einer eigenen Meinung und Moral und kann daher als Entmündigung angesehen werden. Diese Vorstellungen von Design
zu widerlegen, ist Sinn und Ziel dieser Arbeit.
Es wird versucht, die Macht und Wirkung der Gestaltung abzubilden
und die dadurch entstehende Verantwortung von Gestalter*
innen herauszustellen, sowie die Schuld zu propagieren,
die entsteht, wenn unüberlegt gestaltet wird.
Ebenso wird versucht, die Tragweite von Gestaltungsentscheidungen
aufzuzeigen.
„Jede Seite [des Themas ist] sehr faszinierend und man gräbt
tiefer und tiefer und stellt noch mehr Zusammenhänge fest.
Man muss nur sehen, dass man darin nicht verloren geht. Sie
werden die Antwort nicht finden, Sie können nur eine Menge
Fragen aufwerfen und Sie können eine Menge Themen so anreißen,
dass man beim Lesen darüber nachdenkt, dass es sich
dabei um ein Thema handelt, was einem vorher nicht bewusst
war. […] Ansonsten wird das Uferlos“
(Henze, 2021).
Diese Arbeit will als moralischer Leitfaden für das Designhandwerk
dienen. Denn Gestaltung sollte als Instrument für die
Bildung von Individuum und Gesellschaft verstanden werden.
Dabei erhebt diese Thesis keinen Anspruch auf Vollständigkeit
und kann mit Sicherheit durch diverse Aspekte der Verantwortung
im Design ergänzt werden. Auch kann nicht jedes
dazugehörige Thema in völliger Gänze und abschließend besprochen
werden. Es ist zu bezweifeln, dass eine vollständige
Abbildung sämtlicher Verantwortungsmomente der Gestaltung
überhaupt möglich ist. Ziel ist es vielmehr, unter Zuhilfenahme
eines weitgefassten Designbegriffs einen Überblick über die
Macht der Gestaltung zu geben. Dazu wird die politische Wirkkraft
von Design untersucht, die Designethik wird betrachtet.
Auch soll bewiesen werden, dass kein Design einfach nur eine
Entscheidung der Formgebung ist. Beispielsweise können
Produktdesigner*innen nie einfach nur einen Stuhl gestalten,
denn Design ist viel mehr. Und wer wirklich denkt nur einen
Stuhl gestaltet zu haben, ignoriert den tatsächlichen Einfluss
von Gestaltung und bewirkt damit vielmehr, unreflektiert zu entwerfen
– und das bedeutet immer, nicht zu Ende Gedachtes in
die Welt zu werfen.
Niemand ist frei von Fehlern. Deshalb will diese Arbeit nicht
diffamieren. Allerdings will sie sensibilisieren, damit zukünftige
Gestaltungsentscheidungen überlegter passieren und die
Dimensionen dieser Entscheidungen klar sind. So soll diese
Arbeit keine perfekten Gestalter*innen schaffen. Allerdings soll
ein bewussteres Gestalten gefördert und gefordert werden.
Thesen und Forschungsgegenstand dieser Arbeit sind:
Die Arbeit von Designenden hat gesellschaftliche, ökonomische,
ökologische oder kulturelle Auswirkungen. Es entsteht Verantwortung
durch die Konsequenz des Handelns.
Design formt Gesellschaft und Individuum und hat dadurch Einfluss
und große Macht.
Gestaltung kann befreien, befähigen und aufklären oder behindern,
ausschließen und verwirren.
Um moralisch zu gestalten und zu Handeln, müssen mehrere
Umstände gegeben sein, ein einzelner Entwurf lässt nicht auf
die moralische Haltung eines/einer Gestalter*in schließen.
Diese Arbeit betrachtet im Kapitel 2_OBSERVATION Momente
der Verantwortung im Design.
Begonnen wird mit einer Definition der Begriffe Design, Verantwortung
und Schuld. Diese dienen dazu, die Bedeutung der
Begriffe in dieser Arbeit zu klären und die Dimensionen dieser
Arbeit abzustecken.
Um die Verantwortung im Beruf von Designer*innen zu
untersuchen, wird durch Interviews mit exemplarischen Gestalter*
innen ein subjektives und nicht repräsentatives
Meinungsbild erzeugt.
Es werden Verantwortungsmomente exemplarisch anhand
von Beispielen aufgezeigt. Dies umfasst die Bereiche Schrift,
Zeichen, Farbe, Bilder und Muster, Infografiken, Körper und
Verhalten. Es wird versucht, Designphänomene und Entscheidungen
differenziert zu betrachten und zu analysieren.
Dadurch sollen keine Gestaltenden für ihre Entscheidungen
diffamiert werden. Vielmehr sollen der Umfang der Wirkung und
die Macht von Design aufgezeigt werden.
In dem Kapitel 3_POLITIK UND DESIGN wird das Zusammenspiel
aus Politik und Design betrachtet.
Dabei wird als Erstes die politische Dimension von Design geklärt,
in einem Sinne des gemeinschaftlichen Zusammenlebens.
Da Design sich zur bestehenden Ordnung positioniert und in
diese eingreift, ist Design immer politisch.
Das Design von Politik wird als besondere Aufgabenstellung für
Designer*innen betrachtet, so ist davon auszugehen, dass Gestalter*
in den Nutzen und die Nutzenden des eigenen Entwurfs
kennen und damit Verantwortung dafür tragen.
Die politische Wirkmacht von Design wird untersucht und die
Verantwortlichkeit wird am Beispiel von Leni Riefenstahl diskutiert.
Die Gestaltung von Rechtsextremismus wird untersucht.
So lassen sich ein Wandel hin zu einem harmlosen Erscheinungsbild
und ein Adaptieren von linker (visueller) Motive
feststellen.
Das Nutzen von Codes und Chiffrierung, was zu einem Gemeinschaftsgefühl
beiträgt, wird untersucht. Der Vergleich von Linksund
Rechtsextremismus ist irreführend und verharmlosend. Dies
wird durch einen Vergleich der politisch motivierten Straftaten
sowie der inne liegenden Werte beider politischen Richtungen
bewiesen. Verursacht wird der Drang nach einem Vergleich
durch die visuelle Ähnlichkeit in Militanz und Ansprache. Gegenübergestellte
Kommunikation, Logos und Symbole zeigen
die visuelle Ähnlichkeit, machen aber auch die Unterschiede
deutlich.
Protest und (gesellschaftlicher) Wandel benötigen ebenfalls
Gestaltung, um erfolgreich zu sein und einen Zusammenhalt
von (teils stark heterogenen) Gruppen zu gewährleisten.
Dies gelingt über verschiedene Mechanismen und dem Durchschauen
von Dynamiken von Widerstand. Deshalb werden hier
die Kommerzialisierung und Instrumentalisierung von Protest
ebenfalls untersucht. Moderne Formen des Protestes in digitaler
Form werden aufgeschlüsselt und auf Gestaltungsmöglichkeiten
befragt.
Gestaltung im Krieg bekommt eine direkte Bedeutung für Leben
und Tod. Dies führt zu einer moralischen Positionierung von Gestalter*
innen im Feld des Kriegsdesigns. Spitze dieses Feldes
ist die Gestaltung des Akts des Tötens. Der aktuelle Stand und
moralische Dimensionen dieses Bereiches werden ebenso besprochen.
Die Camouflage als Design, das nicht sichtbar sein
soll, wird untersucht. Dazu werden Mechanismen des digitalen
Kriegs und die Rolle von Gestalter*innen angerissen.
Konspirationsmythen werden in Wirkung, Intention und Werkzeugen
analysiert. Die Rolle von Gestalter*innen betrachtet.
Der Begriff der Nachhaltigkeit wird auf die Bedeutung für die
Gesellschaft geprüft und Überlegungen zum ‚Ausverkauf des
Nachhaltigkeitsbegriffs‘ und was ‚tatsächliche Nachhaltigkeit‘ ist
werden angestellt.
Inklusion sollte als Grundgedanke im Design gelebt werden und
nicht wie ein ‚Pflichtenheft‘ abgearbeitet werden. Wie durch inklusives
Design ein spannendes Erlebnis für Menschen mit
und ohne Handicap gelingen kann, wird beispielhaft gezeigt.
Ausschließendes Design wird als solches bloßgestellt und die
Wirkung behandelt.
Die Interpassivität (delegiertes Genießen, der Gegenentwurf
zur Interaktivität) findet sich in diversem Gestaltetem. Die
utopischen Möglichkeiten der Immersion werden aufgezeigt.
Im Kapitel 4_IDENTITÄT wird die Wirkung von Gestaltung auf
Gesellschaft und Individuum untersucht.
Im Entwurf kann die Möglichkeit einer Utopie bewiesen werden.
Damit können Ideale in einer Gesellschaft geändert werden.
Design gestaltet Gesellschaft und Gesellschaft gestaltet Design.
Durch Gestaltung können Menschen von ihrer menschlichen
Geworfenheit befreit und befähigt werden. Gleichzeitig unterwirft
Gestaltung Nutzer*innen durch die Bedingungen des Entwurfs.
Instrumentalisierung und Ausverkauf drohen permanent,
so müssen intendierte Wirkung und tatsächliche Wirkung immer
abgeglichen und überprüft werden. Durch den Entwurf kann
Designer*in Verhältnisse mehr als nur rational vermitteln.
Marke dient der Personenbildung, dem Gemeinschaftsgefühl,
aber ebenso der Distinktion. Durch Instrumentalisierung wird
versucht, Marken zu besetzen. Wie dies geschieht und wie
sich Marke dagegen wehrt, wird an Fred Perry gezeigt. Ebenso
wird an ihr die unterschiedliche Auslegung durch verschiedene
Personen bewiesen.
Ansprachestrategien stehen am Anfang eines Sender-
Empfänger-Verhältnisses. Um diese möglichst erfolgreich zu gestalten,
werden verschiedene Ansätze und Strategien gezeigt
und bewertet. Dabei wird klar, dass ein Herausfallen aus der üblichen
Konvention sich auszahlt.
Im Kapitel der 5_DESIGNETHIK wird die philosophische Beschaffenheit
der Gestaltung untersucht.
Dazu werden Moral und Ethik im Kontext von Design definiert.
Anhand des Modells der Voraussetzungen für moralisches
Handeln des Autors werden Notwendigkeiten aufgezeigt, die für
ein Individuum nötig sind, damit es moralisch handeln kann. Klar
wird, dass der Lösungsversuch von Gestaltenden immer einen
Kompromiss darstellt, der im Entwurf ausgehandelt wird.
Die Doppelmoral, das sog. Messen mit zweierlei Maß, wird im
Folgenden auf Begrifflichkeit und Ursachen untersucht. Es darf
nicht davon ausgegangen werden, dass Doppelmoral immer als
bewusster Akt stattfindet, sondern vielmehr in der subjektiven
Wahrnehmung des Individuums begründet ist.
Die Moral der Dinge ist die erzieherische Intention oder Wirkung
von Gestaltung. Sie beschreibt den Einfluss von Gestaltung auf
den Rezipienten. Die ästhetische Wirkung von Design wird als
elementarer Anspruch an Gestaltung erkannt, in einem Umfeld,
in dem tatsächliche Innovationen ausbleiben. Wenn sich Grundansprüche
gleichen, muss eine rein äußerliche Gestaltung zum
qualitativen Unterscheidungsmerkmal werden.
Im Dilemma liegt die Chance, als Gestalter*in von dem Problem
zurückzutreten und mit Distanz die möglichen Auswege abzuwägen.
So kann ein/e Gestalter*in zu einer Lösung abseits des
Dilemmas führen. Sollte es keinen Ausweg geben, muss eine
Entscheidung getroffen werden. Die Ausweglosigkeit von unumgehbaren
Dilemmata führt dazu, dass an einem einzelnen Entwurf
niemals die moralische Haltung von Gestalter*in ablesbar
ist, das ist die Deisgn fallacy.
Eine besondere Dynamik besteht im Verhältnis von Geld und
Moral. So kann die/der Gestalter*in kaum dem kapitalistischen
System entkommen und muss sich deshalb moralisch
positionieren. Die Abwägung von der ethischen und moralischen
Verantwortung muss mit der finanziellen Verantwortung abgewogen
werden.
Im Kapitel 6_ENDE werden die Thesen der Arbeit überprüft und
rückblickend betrachtet. Wenn Gestaltung sich der eigenen Verantwortung
nicht bewusst ist, führt dies zu einem Nicht-Wahrnehmen
von Chancen. Im schlimmsten Fall entsteht lebensgefährliches
Design. Jede getroffene Designentscheidung
bedeutet eine Vielzahl von getroffenen Entscheidungen.
Haltung und Positionierung von Gestaltenden ist durch die möglichen
Konsequenzen von unüberlegter Gestaltung dringend
notwendig.
Das Gestaltungsvorhaben als Konsequenz dieser Arbeit wird
vorgestellt und besprochen.
In this thesis chapter 2_OBSERVATION puts the focus on moments of responsibility in design.
It starts with a definition of the terms design, responsibility and guilt. This is used to clarify the meaning of these terms in the work and the dimensions of this thesis.
To examine the responsibilities in the job of the designer, interviews with example designers were made to develop a subjective and not representative opinion overview.
With the help of examples, moments of responsibility were shown and discussed. This includes typography, signs, pictures and patterns, infographics, body and behavior. It is an attempt to analyze and discuss design phenomenons and decisions in a differentiated way.
It is not intended to defame designers for their decisions. But the scope, the effect and the power of design shall be demonstrated.
In chapter 3_POLITIK UND DESIGN (politics and design) the interaction between politics and design is shown.
First the political dimension of design is discussed with regard to society.
Since design positions itself to the existing order, design always is political.
Designing politics as a specific task of designers is shown and discussed. It is assumed that designers know their clients and know the impact of their work, which results in responsibility for their work and the consequences.
The political impact of design is examined and the responsibility is discussed using the example of Leni Riefenstahl.
The design of political right-wing extremism is examinded, by which a change in appearance is determined. The aim is to look harmless and adapt left-wing (visual) motives.
The chapter’s focus is on the extreme right’s achievement of a common feeling of togetherness with the help of codes and encryption. Comparing left- and right-wing extremism is misleading and would play down the dangers of right extremism. This is shown with regard to political crimes and the inner values of both political directions. The reason why both are compared so often is, that both have a similar visual aesthetic. Both look militant. Compared communication media, logos and symbols show visual similarity and yet reveal the differences.
Protest and (social) change also need design to become successful and to build a cohesion of (usually very heterogeneous) groups.
This works with different mechanisms and by understanding the dynamics of resistance. Therefore the instrumentalization and commercialization of protest are discussed. Modern ways of protest (especially digital protest) and the possibilities of design are examined.
When it comes to war design it is becoming a direct meaning to life and death. That leads to the designers need to find their moral position in the area of war design. The question of morality culminates in the design of the act of killing. The current state of this dimension is shown. Camouflage, a design that is meant to not be seen, is discussed. Mechanisms of digital war are analyzed with regard to impact, intention and tools. The designer’s role is focussed on.
Sustainability is studied, the impact on society and the sellout of the term sustainability is discussed and true sustainability is considered.
Inclusion should be lived as a basic idea and not be treated like tasks that merely need to be fulfilled. Through inclusive design, an exciting experience can be created for people with and without handicaps. Hostile, exclusive and defensive design is revealed and it’s impact considered.
Interpassivity (delegated enjoyment, opposite of interactivity) can be found in many aspects of design. The utopic potential in immersion is put in focus.
In chapter 4_IDENTITÄT (identity) the effect of design on society and the individual person is discussed.
The draft can be the proof of of a possible Utopia. The ideals and aims of a society can be changed by it. Design forms society and society forms design. With design human beings can be freed from the boundaries of their body, but design always subjects the user under the conditions of design.
Instrumentalization and sellout are always a threat, therefore the intended and the actual effect have to be matched and checked.
Through the draft a designer can convey relationships on more than just rational ways.
A brand is used for the building of personality, a feeling of community, but also for distinction.
Brands are being occupied through instrumentalization. How that happens and how to fight this, is shown with the brand Fred Perry. Also the different interpretation of the same brand by different people is proven.
The strategies of approaching people are the beginning of a sender-receiver relationship. To make this as successful as possible, different approaches and strategies are compared. It turns out, that falling out of the norm pays off.
In chapter 5_DESIGNETHIK (ethics of design) the philosophical dimension of design is discussed.
Ethics and moral in the context of design are defined.
With the help of the author’s model of „the requirement for moral acting“ it can be shown what needs have to be fulfilled, so that an individual can act morally.
The attempt to find a solution by a designer is always a compromise, negotiated in the draft.
Double standards and categories of it are defined. It turns out, that double standards are not a conscious act, but are based in the subjective position of the individual.
The morality of things shows the educational intention or effect of design. It describes the influence of design on its receivers. The aesthetical effect of the design is an elementary claim in an environment without actual inventions. If the basic claims are the same, the visual appearance has to be the unique selling proposition.
In dilemmas, there is a chance for the designer to step back from the problem and find, with distance, new solutions offside of the dilemmas.
The problem of dilemmas makes it impossible to find the moral position of a designer in a single draft, the design fallacy.
The relation between money and moral has a special dynamic. The designer can’t escape capitalism and needs to position himself morally. The designer has to weigh up a financial responsibility (for himself and others) and a moral responsibility.
In the final chapter 6_ENDE (End) the theses of this thesis are checked and reviewed.
Not being concious of the responsibilities leads to not perceiving possibilities. In the worst case, it can lead to a life-threatening design. Every design decision made means a lot of made decisions.
Attitude and the position of designers is very important, considering the consequences of thoughtless design.
The design project as a result of the thesis is presented and discussed.