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Weg von der Oberfläche; hinein in die Tiefe | Konzeption & Gestaltung einer Dating App

Weg von der Oberfläche; hinein in die Tiefe | Konzeption & Gestaltung einer Dating App

In unserer zunehmend vernetzten Gesellschaft ist das Kennenlernen über digitale Kanäle mittlerweile so normal wie Online Shopping oder Digital Banking. Das Angebot ist riesig und für so ziemlich alle ist etwas dabei. Aber egal welcher Anbieter, egal ob man Liebe oder eine heiße Nacht sucht: Im Mittelpunkt stehen die Profilbilder.

Das Ziel der vorliegenden Masterarbeit ist es, die zentrale Rolle von Profilbildern auf Dating Apps zu entkräften und den Fokus der Nutzer:innen durch visuelle Gestaltung auf andere, tiefgehende Kriterien zu lenken. Anhand eines Fragebogens werden quantitative Daten erhoben, um das Online Dating Verhalten von Nutzer:innen mittels deskriptiver Statistik auswerten zu können. Die analysierte Zielgruppe weist folgende gemeinsame Merkmale auf: (1) Das Interesse, eine:n passende:n Partner:in zu finden sowie (2) die Offenheit für neue Verbindungen auf Basis von Persönlichkeit, Interessen und anderen nicht körperlichen Kriterien. Anschließend werden vier Design Sprints mit abschließenden Testing, mit jeweils fünf ausgewählten Teilnehmer:innen, durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigen, dass durch visuelle Hervorhebung anderer Merkmale und Eigenschaften das Profilbild in den Hintergrund gerückt werden kann, ohne die Online Dating Qualität negativ zu beeinflussen. Ganz im Gegenteil: Neue Arten der Begegnungen werden zugelassen.

Abstract English

In our increasingly networked society, getting to know someone through digital channels has become as normal as online shopping or digital banking. The offer is huge and there is something for everyone. However, no matter which service, no matter whether it's the search for love or a one night stand: The focus lies on the profile pictures.

The aim of this master thesis was to invalidate the central role of profile pictures on dating apps and to direct the focus of users to other, more significant criteria through visual design. Quantitative data was collected with a questionnaire and analyzed with descriptive statistics. This made it possible to analyze the dating behavior of the respondents. The target group that was analyzed has the following common characteristics:

(1) interest in finding a suitable partner and (2) openness to new connections based on personality, interests, and other non-physical criteria. Subsequently, four design sprints with final testing were conducted. Each process was tested with five participants. The results confirm that by visually highlighting other features and characteristics, the profile picture can be moved into the background without negatively affecting the online dating quality.On the contrary, new forms of encounters are allowed.

Um das Dating Verhalten der Nutzer:innen vor dem Start des ersten Design Sprints besser zu verstehen, wurde eine Umfrage erstellt.

Die daraus gewonnenen Ergebnisse gaben Aufschluss über die zentrale Rolle von Profilbildern und zeigten auf, welchen anderen, tiefgehenden Kriterien ein höherer Stellenwert zugeschrieben werden soll.

Relevanz & Fragestellung

Trotz der körperlichen Entfernung durch das Internet bekommen Körper und Aussehen beim Online Dating eine ganz neue, zentrale Rolle zugeschrieben. Die Fotos, die auf Dating Plattformen hochgeladen werden, sind maßgeblich entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg der eigenen Partnersuche. Die Suche nach Liebe und Nähe wird zu einem Wettbewerb, voller Vorurteile und Schubladendenken.

Meine Forschungsfrage:

Wie kann die zentrale Rolle von Profilbildern auf Dating Apps entkräftet und der Fokus der Nutzer:innen durch visuelle Gestaltung auf andere, tierergehende, Kriterien gelenkt werden.

Viele Nutzer:innen von Dating Apps achten bei der Partnersuche vor allem auf das Aussehen und andere eher oberflächliche Kriterien und schließen damit viele Menschen aus, die eigentlich viel besser zu ihnen passen.

Forschungsdesign

Im Laufe der Arbeit werden mehrere Design Sprints durchführen. Durch das regelmäßige Testen mit Nutzer:innen bekommt man ungefilterte Einsichten, ob der Prototyp und damit die Idee funktioniert oder was man daran verbessern kann.

Jeder Sprint besteht aus fünf Phasen: (1) Das Problem verstehen und analysieren, (2) Ideen sammeln und Lösungen finden, (3) die Richtung entscheiden, (4) die Erstellung eines realistischen Prototyps und (5) Testings an der ausgewählten Zielgruppe durchführen.

Die Arbeit gliedert sich in vier solcher Sprints mit einer anschließenden Optimierung des Entwurfes.

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Einblicke & Erkenntnisse

Diese Arbeit entwickelte ein Konzept einer Dating App, die tiefgehendere Kriterien in den Fokus stellt. Dazu wurden durch die Testings insbesondere das Dating - und Nutzerverhalten der Teilnehmer:innen durchleuchtet, welche einige Erkenntnisse hervorbrachten. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Entkräftung der Rolle von Profilbildern sehr gut von den Testpersonen aufgenommen wurde und das Datingverhalten positiv beeinflusst hat.

Keine Fotos führen zu Unsicherheit

Schon zu Beginn zeigte die Umfrage, dass ein Großteil der Nutzer:innen keine Personen treffen würden, die sie noch nie zuvor gesehen haben. Aus diesem Grund wurde diese zentrale Information nicht zur Gänze entfernt. Mithilfe visueller Gestaltung wurde Profilbildern stattdessen eine andere Rolle zugeschrieben, indem sie erst zu einem späteren Zeitpunkt des Kennenlernens sichtbar sind.

Mehr Neugier durch ein anderes Erscheinungsbild

Statt ein Selfie zu machen und hochzuladen, gestalten die Nutzer:innen eine:n Avatar:in. Je weiter sich dieser/diese vom Aussehen der Nutzer:innen entfernte, desto größer wurde die Neugier und die Abenteuerlust. Die Testpersonen wollten immer mehr entdecken und die Person hinter dem erstellten Character spielerisch kennenlernen.

Spielerischer Charakter vermeidet Monotonie

Der spielerische Charakter zieht sich durch die ganze Dating App. Angefangen bei der Anmeldung über die Gestaltung des eigenen Profils bis hin zur Kontaktaufnahme mit anderen Mitglieder:innen. Der spielerische Ansatz wurde in allen Design Sprints positiv hervorgehoben und machte den Testpersonen Lust auf mehr.

Es lässt sich anhand der Ergebnisse und der Recherche belegen, dass Nutzer:innen von der massenhaften Auswahl an potenziellen Datingpartner:innen in Dating Apps überfordert sind. Das Swipen gängiger Dating-Apps trägt einen großen Teil dazu bei und führt schnell zur Monotonie. Man gibt sich immer schneller mit weniger zufrieden und ist der Meinung, dass es nach jedem Wisch nach rechts oder links noch etwas besseres geben kann. Das kann zu monotonen, endlosen Swipen führen.

Um diese Monotonie in der Dating App zu vermeiden wurde auf Swipen verzichtet. Stattdessen müssen die Mitglieder:innen ihr Smartphone schütteln und vier Personen in der Nähe werden zufällig ausgewählt.

Gutes Gefühl durch Gegenseitigkeit

Respekt und Gegenseitigkeit ist ein großer Bestandteil der Dating App. Besonders wegen der Abwesenheit von Profilbildern ist es von großer Wichtigkeit, den Nutzer:innen ein gutes, sicheres Gefühl zu geben. In der App passiert keine Handlung einseitig. Alles beruht auf Gegenseitigkeit.

Nach den gewonnenen Erkenntnissen durch die Testings kann man folgern, dass die Testpersonen viel Wert auf diese Art der reziproken Kommunikation legen. Wertschätzung und Respekt stehen somit zusätzlich im Vodergrund und schaffen einen angenehmen, fairen Kommunikationsraum.

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Ergebnisse

Die Arbeit zeigt, dass es durchaus möglich ist eine Online Dating App zu gestalten, in der die zentrale Rolle von Profilbildern entkräftet wird. Die anfängliche Zielsetzung Profilbilder komplett zu löschen, wurde jedoch nur teilweise erreicht. Die Testings haben gezeigt, dass die Nutzer:innen ein großes Sicherheitsbedürfnis haben. Die Idee eine Dating App ohne Profilbilder zu entwickeln beschrieben alle Testpersonen als aufregend und positiv. Als es aber darum ging, die Person tatsächlich zu treffen, machten alle einen Rückzieher und beschrieben ein unwohles, negatives Gefühl.

Aus diesem Grund wurde mithilfe visueller Gestaltung Profilbildern eine andere Rolle zugeschrieben und der Fokus wurde auf Interessen und Werte gelegt. Somit wurde diese zentrale Information nicht zur Gänze entfernt und genügend Informationen zum Sortieren und Filtern sind vorhanden, um die Datingbedürfnisse der Nutzer:innen zu berücksichtigen.

Das Ergebnis der vorliegenden Arbeit ist keine fertig programmierte App, aber ein ausführlich getestetes Konzept mit Potenzial. Der Dating App Markt braucht nicht noch eine App voller Oberflächlichkeit, Vorurteile und perfekter Fotos.

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Mein Fazit

Mein Ziel war es, eine Dating App ganz ohne Oberflächlichkeit und Vorurteile zu gestalten. Das ist natürlich ein sehr großes und vielleicht auch unerreichbares Ziel. Während der Arbeit wurde mir bewusst, dass ich diese Faktoren nicht komplett ausradieren kann, aber einen großen Schritt in Richtung Achtsamkeit und Slow Dating gehen kann.

Im Nachhinein bin ich sehr froh, mich für Design Sprints entschieden zu haben. Anfangs war ich noch etwas unsicher, da ich mit dieser Methode noch nie gearbeitet hatte. Aber mithilfe von Knapps Buch „SPRINT - Wie man in nur fünf Tagen neue Ideen testet und Probleme löst“ konnte ich schnell die einzelnen Schritte eines Design Sprints verstehen und durchführen. Die Arbeit hat mich nicht nur weiter in die Thematik Online Dating geführt, sondern mir auch gezeigt, wie sinnvoll und effektiv Testings sind. Immer wenn ich dachte, mein Entwurf sei perfekt und bereit für die Finalisierung, zeigten mir die Ergebnisse des Testings etwas anderes. Oft musste ich Ideen neu überdenken oder komplett verwerfen. Das war tatsächlich nicht immer einfach, aber ich habe daraus sehr viel über meinen eigenen Arbeitsprozess gelernt und wie ich diesen verbessern kann.

Ob meine Dating App ganz ohne Oberflächlichkeit und Vorurteile funktioniert, kann ich nicht garantieren. Ich bin mir aber sicher, dass ich durch die gewonnenen Erkenntnisse einen respektvollen und sicheren Raum für Nutzer:innen schaffen konnte, indem sie spielerisch neue Begegnungen machen und sich auf Neues einlassen können.

Ein Projekt von

Fachgruppe

Kommunikationsdesign

Art des Projekts

Masterarbeit

Betreuung

foto: Prof. Lisa Bucher foto: Franziska Morlok

Entstehungszeitraum

WiSe 20 / 21 – SoSe 21

Keywords