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 AR im öffentlichen Raum im Jahr 2035

Methoden der Zukunftsforschung anwenden: Eine Delphistudie zum Thema Augmented Reality im öffentlichen Raum im Jahr 2035

1. EINLEITUNG

Der öffentliche Raum unterliegt ständiger Veränderung. Er ist stets Gegenstand von Aushandlungsprozessen und Diskursen, nicht zuletzt seit vielen Menschen durch die Einschränkungen des öffentlichen Lebens aufgrund der Corona-Pandemie die Relevanz des öffentlichen Raumes als Ort des Austauschs und des Zusammenlebens neu bewusst wurde. Viel nachgedacht wird dabei beispielsweise über bauliche Aspekte, die Verteilung und die materielle Gestaltung. Teilweise gerät dabei in Vergessenheit, dass bereits andere Ebenen in den Startlöchern stehen, die unsere Wahrnehmung des städtischen öffentlichen Raums grundlegend verändern können. Dazu gehört beispielsweise Augmented Reality. Diese technologiegestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung erleben wir im privaten Raum bereits auf unseren technischen Endgeräten, beispielsweise durch Instagram-Filter. Was passiert, wenn sich diese Technologie zunehmend auch auf andere Bereiche unseres Lebens, wie den städtischen öffentlichen Raum ausbreitet? Wie kann und wird diese Ebene unser Erleben des städtischen Raums verändern? Erleben wir im Jahr 2035 einen virtuellen Raum parallel zum städtischen öffentlichen Raum? Wie könnte dieser Raum aussehen? Welche Entwicklungen sind realistisch, und welche werden vorerst Science-Fiction bleiben? Welche Potenziale birgt diese Technologie? Und welche Risiken, aber auch Grenzen hat sie? Auf einige dieser Fragen wollen wir mithilfe einer Delphi-Studie über Augmented Reality im öffentlichen Raum im Jahr 2035 Antworten finden.

1.1 Delphi Studie

Wie bereits bei der Befragung des Orakels von Delphi im antiken Griechenland ist auch bei der Delphi-Methode in ihrer heutigen Form das Ziel, zukünftige Entwicklungen einschätzen zu können. Die Delphi-Methode, wie sie heute Anwendung findet, ist US-amerikanischen Ursprungs und wurde zunächst in der Planung strategischer Waffensysteme entwickelt (Ammon 2009: 459).

Bei einer Delphi-Studie werden die Einschätzungen von Expert*innen erhoben, die sich auf Zeiträume bis zu mehreren Jahrzehnten beziehen. Der Grundgedanke der Delphi-Methode ist, dass unsicheres und unvollständiges Wissen von Expert*innen beurteilt wird (Häder & Häder 2019: 701). Durch die Konzeption als strukturierter Gruppenkommunikationsprozess wird ein temporäres Expert*innensystem angelegt. Durch das Agglomerat von Expert*innenmeinungen soll die Präzision der Einschätzung zukünftiger Entwicklungen erhöht werden. Durch die getrennte Befragung der Expert*innen sollte dem „Einfluss psychologischer bzw. situativer Faktoren wie Überredung, Abneigung“ sowie dem „Einfluss einer Mehrheitsmeinung“ entgegengewirkt werden (Ammon 2009: 459).

Für die Durchführung einer Delphi-Studie wird auf der Grundlage von Vorabrecherchen eine Reihe von Hypothesen formuliert. Diese beschreiben eine mögliche Entwicklung beziehungsweise Veränderung in der Zukunft. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Hypothesen eintreten, werden im Laufe der Delphi-Studie durch Expert*innen aus dem Themenbereich eingeschätzt. Die Hypothesen sollten eindeutig formuliert sein, um bei der Erhebung der Erwartungen der Expert*innen keine Missverständnisse oder Unklarheiten aufkommen zu lassen und sowohl Zustimmung als auch Ablehnung zu ermöglichen. Charakteristisch für die Delphi-Methode ist die Verwendung eines formalisierten Fragebogens. Die Teilnehmenden untereinander bleiben anonym.

Nachdem die Expert*innen ihre Einschätzung zu den Hypothesen abgegeben haben, wird in der Regel mindestens eine zweite Befragungsrunde durchgeführt. Die Teilnehmenden können dabei die Einschätzungen der anderen Expert*innen aus der ersten Befragungsrunde einsehen, und ihr eigenes Urteil gegebenenfalls revidieren und anpassen. Insbesondere diese kontrollierte Rückkopplung der Expert*innenmeinungen kann zu einer höheren Validität und Präzision des Ergebnisses führen.

Das Ergebnis einer Delphi-Studie ist eine statistische Gruppenantwort.

Delphi-Studien können sich unterscheiden hinsichtlich der Auswahl der befragten Expert*innen, des Umfangs der Expert*innengruppe, der Fragetypen, der Anzahl der Befragungsrunden und der Gestalt der Rückkopplung. Gegebenenfalls können die Expert*innen zu Beginn der Befragung um eine Selbsteinschätzung ihrer Kompetenz im behandelten Themenbereich gebeten werden.

2. Delphi Studie Methode in Praxis

In unserer Delphi-Studie widmeten wir uns der Forschungsfrage: Wie verändert Augmented Reality (AR) den öffentlichen Raum bis 2035?

Konkret bedeutet dies, dass wir Einschätzungen eingeholt haben darüber, wie sich die Verwendung von AR im öffentlichen Raum im Jahr 2035 gestaltet.

Einbeziehen wollten wir dabei auch die gesellschaftlichen Entwicklungen, die damit einhergehen. Außerdem versuchten wir, verschiedene Bereiche des öffentlichen Raums zu integrieren, um ein möglichst umfassendes Bild zu erlangen. Dazu zählten Gestaltung, Navigation, Tourismus, Marketing, Kommunikation, Bürger*innenbeteiligung sowie soziale/gesellschaftliche Auswirkungen. Einige Fragen waren dabei sehr allgemein gehalten, andere wiederum sehr fachspezifisch.

Für eine Delphi-Studie erschien es uns sehr sinnvoll, uns mit einer Emerging Technology zu beschäftigen, da insbesondere Expert*innen den Möglichkeitsrahmen von Augmented Reality bewerten können. Mit ihrer Expertise können sie einschätzen, was technisch möglich ist und wo Grenzen liegen. Durch ihre Erfahrung können sie außerdem abschätzen, wie technologische Neuerungen wie AR gesellschaftlich angenommen werden. 

Unsere Wahl fiel auf Augmented Reality, da wir diese Technologie zwar bereits alle in unseren eigenen Leben spüren können (bspw. durch Filterfuktionen auf Social-Media-Plattformen), jedoch die Auswirkungen in der Zukunft gerade im öffentlichen Raum durch fehlendes Expert*innenwissen nicht abschätzen konnten. Der öffentliche Raum als Anwendungsfeld bot sich an, da er einen vorstellbaren Raum definiert, zu dem jede*r einen Bezug hat.

Den Zeithorizont von 15 Jahren wählten wir, da diese Zeitspanne in unserem heutigen technologischen Zeitalter einen großen Sprung bedeuten kann, sie aber gleichzeitig eine realistische Prognose zulässt.

2.1 Vorbereitung

Zu Beginn war es unsere Überlegung, uns auf einen Bereich des öffentlichen Raums zu beschränken. Durch die Vielseitigkeit des Themas haben wir jedoch gemerkt, dass wir mehr daran interessiert sind, einen Überblick über verschiedene Bereich zu erlangen. Um die Themenbereiche zu definieren, haben wir uns einen zentralen Ort in einer Stadt imaginiert und uns vorgestellt, welche Interaktionen und Tätigkeiten dort stattfinden könnten.

Durch das Sammeln und Definieren von vielversprechenden Thesen, kristallisierten sich folgende Themen heraus: Allgemeine Entwicklungen, Gestaltung des öffentlichen Raums, Navigation im öffentlichen Raum, Tourismus, Markting, Kommunikation, Bürger*innenbeteiligung und Soziale/Gesellschaftliche Auswirkungen.

Eine besondere Schwierigkeit lag in der Formulierung der Thesen. Wir haben bemerkt, dass es eine Herausforderung darstellt, nicht unsere persönlichen Erwartungen oder implizite Wertungen in die Thesen einfließen zu lassen. Deshalb haben wir uns bemüht, die Thesen möglichst neutral zu formulieren, keine manipulative Wortwahl zu nutzen, und das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.

Um die Ergebnisse noch mehr zu schärfen, versuchten wir, die Thesen sehr konkret zu formulieren, beispielsweise durch Prozentangaben. Dadurch lässt sich die Thesen einfacher verifizieren oder falsifizieren, was zu einem klareren Ergebnis führt. Schwammige Aussagen, bei denen möglicherweise nicht klar wird, was konkret gemeint ist, haben wir versucht zu vermeiden.

Die Bewertung geschah über eine vierstufige Skala von „sehr wahrscheinlich“, „eher wahrscheinlich“, „eher unwahrscheinlich“, bis „unwahrscheinlich“, stets mit Bezug zu dem bereits genannten konkreten Zeithorizont (2035). Zu Anfang gab es die Überlegung, ob wir abfragen, für welchen Zeithorizont die Expert*innen das Eintreffen der These für wahrscheinlich halten. In diesem Fall hätte es jedoch keinen Raum dafür gegeben, dass Expert*innen Thesen für unwahrscheinlich halten. Außerdem hielten wir es für spannender, eine Expert*inneneinschätzung für einen konkreten Zeitpunkt zu erhalten. 

Die Expert*innensuche gestaltete sich als recht einfach. Dafür nutzen wir die herkömmlichen Suchmaschinen sowie unsere persönlichen Kontakte. So konnten wir Expert*innen von wissenschaftlichen Instituten, Universitäten, aber auch kommerzielle Unternehmer*innen ausmachen. Auch Wissenschaftler*innen unserer Hochschule nahmen an der Umfrage teil. Das Anschreiben geschah mit einem standardisierten Text per Mail. Kannten wir die Expert*innen persönlich, so wandten wir uns mit einer personalisierten Anfrage an sie.

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2.2 Phase I - die erste Umfrage

Die erste Umfrage fand vom 11.12.2020 bis zum 05.01.2021 statt und erfolgte über ein Google Forms. Dafür wurden 15 Expert*innen angefragt, von denen sieben an der Befragung teilgenommen haben.

In der Umfrage sollten Expert*innen ihre persönlichen Einschätzungen zu konkreten Thesen abgeben.

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2.3 Phase II - die zweite Umfrage

Die zweite Umfrage fand vom 05.01.2020 bis zum 10.05.2020 statt. Angeschrieben wurden wieder die 15 Expert*innen, da wir uns nicht sicher waren, wer genau an der ersten Umfrage teilgenommen hatte. Dabei wurden die Expert*innen jedoch aufgefordert, nur an der zweiten Umfrage teilzunehmen, falls sie bereits an der ersten Umfrage teilgenommen haben. Fünf Personen nahmen teil.

Bei der ersten Umfrage konnten die Teilnehmenden ihre persönliche Einschätzung abgeben. In der zweiten Runde, bekamen sie die Einschätzungen der anderen Teilnehmenden zu sehen. Dafür betteten wir die Ergebnisse der ersten Umfrage in das Google Forms ein. Die Expert*innen hatten nun die Möglichkeit, ihre eigene Meinung nochmals zu überdenken und gegebenenfalls anzugleichen. Dadurch sollte eine noch genauere Aussage erzielt werden.

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2.4 Auswertung

Die Teilnehmenden der Delphi-Studie denken allgemein, dass Augmented Reality im Jahr 2035 verstärkt eingesetzt wird, denn 100% der Expert*innen schätzen, dass mindestens 80% der Menschen AR auf öffentlichen Plätzen auf persönlichen Endgeräten nutzen. Dabei schätzen sie die Rolle von privaten Unternehmen sehr wahrscheinlich als beherrschend ein, denken aber trotzdem, dass Gesetze die Nutzung sowie die Bereitstellung von AR regulieren werden.

Hinsichtlich der Gestaltung des öffentlichen Raums sind die Expert*innen unentschieden, ob mindestens 50% der Menschen AR nutzen werden, um den öffentlichen Raum nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Die Erfüllung verschiedener Funktionen gleichzeitig durch den öffentlichen Raum, durch die Anpassung der AR-Inhalte an die Nutzer*innen schätzen sie als eher wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich ein.

Im Bereich der Navigation schätzen die Expert*innen es einstimmig als sehr wahrscheinlich ein, dass sich Menschen mithilfe von AR durch den öffentlichen Raum navigieren lassen können. Auch die Bereitstellung von sensorischen Erweiterungen durch AR-Applikationen für sehbeeinträchtigte und gehörlose Menschen wird mehrheitlich als sehr wahrscheinlich eingeschätzt. Die Expert*innen sind sich jedoch ebenfalls einig, dass ein vollständiger Ersatz herkömmlicher Verkehrszeichen durch AR-Technologie eher nicht wahrscheinlich bis unwahrscheinlich ist.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich im Bereich Tourismus. Zwar wird die zusätzliche Verfügbarkeit von touristischen AR-Angeboten in allen 81 deutschen Großstädten mehrheitlich als sehr wahrscheinlich eingeschätzt, jedoch hält die Mehrheit der Expert*innen den vollständigen Ersatz von Tourismusbüros durch AR für eher nicht wahrscheinlich bis unwahrscheinlich.

Im Bereich des Marketings schätzen die Expert*innen die Anzeige von personalisierter Werbung im AR-Raum als sehr wahrscheinlich bis eher wahrscheinlich ein, Unstimmigkeit herrscht jedoch bei der Frage nach dem darauf verwendeten Werbebudget.

Hinsichtlich der Kommunikation schätzen es die Expert*innen als eher wahrscheinlich ein, dass sich neue Formen der Kommunikation durch Nachrichten im öffentlichen Raum etablieren. Schwankend zwischen eher wahrscheinlich und eher nicht wahrscheinlich sind die Expert*innen jedoch hinsichtlich der Beeinflussung der Interaktion zwischen den Passant*innen durch AR-Technologie, beispielsweise durch die Anzeige der Stimmung.

Der Einsatz von AR im Bereich der Bürger*innenbeteiligung wird von den Expert*innen als eher wahrscheinlich eingeschätzt. Auch die erhöhte Teilnahme der Bürger*innen an Stadtplanungsprozessen durch AR, die erhöhte Akzeptanz von Veränderungen in der Stadt, sowie die Kommunikation der Stadtverwaltung über AR werden als eher wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich eingeschätzt.

Hinsichtlich der sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen von AR-Technologie zeigt sich ein sehr uneindeutiges Bild der Einschätzungen der Expert*innen. Mehrheitlich als eher wahrscheinlich schätzen sie ein, dass sich Menschen aufgrund des Einsatzes von AR häufiger im öffentlichen Raum aufhalten, da dieser beispielsweise durch Gamification attraktiver geworden ist. Auch strenge Richtlinien zur Regulation von AR, die von Antidiskriminierungsexpert*innen erarbeitet wurden, schätzen sie als eher wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich ein. Hinsichtlich der Frage, ob sich Menschen aus dem öffentlichen Raum ausgeschlossen fühlen werden, falls sie kein AR nutzen, oder diesen deshalb sogar meiden, der freien Entscheidung über das Teilen von Daten mit staatlichen Stellen oder privaten Unternehmen oder der Rolle von Sicherheitsbehörden zeichnet sich zwischen den Expert*innen auch nach der zweiten Befragungsrunde keine klare Tendenz ab. Unentschieden sind sie auch hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit einer globalen Bewegung, die die Reduktion des Einsatzes von AR Technologien aufgrund des Klimaschutzes fordert, sowie hinsichtlich der Frage, ob sich verschiedene Bevölkerungsgruppen weiter voneinander entfernen werden, da die Individualisierung des öffentlichen Raums durch AR den Austausch mit Gleichgesinnten fördert.

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3. Fazit

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3. 1. Reflektion der Ergebnisse

Hinsichtlich der Reflektion unserer Ergebnisse lässt sich zuerst feststellen, dass in der ersten Befragungsrunde sieben Expert*innen teilgenommen haben, während es in der zweiten Befragungsrunde nur noch fünf Expert*innen waren. Durch die eher geringe Zahl der Expert*innen sind die Ergebnisse zwar ein spannender Einblick, jedoch nicht unbedingt repräsentativ. Durch die veränderte Anzahl der Teilnehmenden lassen sich ebenso die Ergebnisse der zwei Runden nur erschwert vergleichen. Eine Schwierigkeit bestand darin, dass wir von den meisten Expert*innen keine Rückmeldung über die Teilnahme/Nicht-Teilnahme erhalten haben. Demnach können wir nicht nachvollziehen, welche Expert*innenmeinungen in der zweiten Runde fehlten.

Die Zwischenergebnisse aus der ersten Befragungsrunde wurden in der zweiten Befragungsrunde in Prozent angegeben. Dies könnte die Teilnehmenden stärker beeinflusst haben als die Angabe der Teilnehmendenzahl.

Hinsichtlich der Auswahl der Expert*innen lässt sich reflektieren, dass sich unter ihnen viele Designer*innen befanden. Die Auswahl ist demnach möglicherweise nicht repräsentativ. Rückblickend haben wir festgestellt, dass eine breitere Auswahl der Expert*innen, auch aus den verschiedenen Bereichen mit denen wir uns befasst haben (Tourismus, Marketing etc.) möglicherweise die Zukunft der AR holistischer erfasst hätte.

Im Vergleich der Ergebnisse der ersten Befragungsrunde mit der zweiten Befragungsrunde lässt sich feststellen, dass sich in in der zweiten Runde bei vielen Fragen die Streuung der Einschätzungen reduziert hat. Dies zeigt sich besonders eindrucksvoll an den Beispielen These 3 und These 12.

In einigen Fällen hat sich jedoch bei der zweiten Befragungsrunde eine noch größere Streuung ergeben, beispielsweise bei These 7. Bei einigen Thesen wurde in der zweiten Befragungsrunde sogar eine Antwortmöglichkeit gewählt, die in der ersten Befragungsrunde noch gar nicht gewählt wurde, so beispielsweise bei These 13.

Bei einigen These sind sich die Expert*innen in ihren Einschätzungen sehr einig, während sie hinsichtlich anderer Thesen eine breite Streuung der Einschätzungen aufweisen. Letzteres fällt insbesondere hinsichtlich der Einschätzung der gesellschaftlichen Auswirkungen ins Auge.

Weiterhin konnten wir beobachten, dass sich bei einigen Thesen extreme Einschätzungen aus der ersten Befragungsrunde (sehr wahrscheinlich/unwahrscheinlich) in der zweiten Befragungsrunde eher gemäßigt haben (eher wahrscheinlich/eher unwahrscheinlich). Ein Beispiel hierfür ist These 28.

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3.2. Reflektion der Delphi-Methode

Die Durchführung der Delphi-Studie war für uns sehr interessant und lehrreich. Wir haben gelernt, wie das systematische Nachdenken über zukünftige Entwicklungen ausgestaltet werden kann. Herausfordernd war dies insbesondere bei der Erstellung der Thesen, da wir stets das Risiko sahen, zu sehr im aktuellen Möglichkeitsrahmen von AR verhaftet zu bleiben und möglicherweise weitere Entwicklungen außer Acht zu lassen. Dabei mussten wir lernen, eigene Meinungen, Haltungen und insbesondere Erwartungen bei der Erstellung der Thesen zurückzustellen und diese möglichst neutral zu formulieren. Eine weitere Herausforderung war es, die Thesen eindeutig zu formulieren, denn für diese eindeutige Formulieren bedurfte es bereits in gewisser Weise einer Prognose. Formulierungen wie „viele Menschen“ oder „einige Menschen“ ersetzten wir deshalb durch beispielsweise „mehr als die Hälfte“ oder „mindestens 80%“ um schwammige Thesen zu verhindern und eine möglichst präzise und verifizierbare Einschätzung der Expert*innen zu erhalten. Im Zuge der Auswertung wurde uns bewusst, dass einige der Thesen visionärer formuliert sind als andere. Deshalb sind die Einschätzungen der Thesen teilweise schwer direkt vergleichbar.

Der kurze Zeitraum, der uns für die Durchführung der Studie zur Verfügung stand, setzte uns teilweise unter Zeitdruck und schränkte der Umfang unserer Studie hinsichtlich der Anzahl der Befragungsrunden ein. Als Umfragetool nutzten wir Google Forms. Dies hat unsere Anforderungen erfüllt, trotzdem hätten wir rückblickend einen anderen Anbieter bevorzugt, unter anderem aus Datenschutzgründen. Hilfreich wäre es, wenn die Fachhochschule Potsdam ein Umfragetool für die Studierenden zur Verfügung stellen würde.

Um Expert*innen für unsere Umfrage zu rekrutieren, haben wir 15 Personen angeschrieben. Es haben also etwas weniger als die Hälfte der Personen teilgenommen. Trotzdem sind wir mit dieser Anzahl zufrieden, da wir uns bewusst sind, dass das Mitmachen an der Umfrage einen zeitlichen Aufwand bedeutet.

Im Prozess der Durchführung der Methode konnten wir einige Schwächen der Methode bemerken. Wie bereits angedeutet, sind die formulierten Hypothesen immer subjektiv gefärbt und lassen dadurch keinen objektiven Blick auf die Zukunft zu. Zudem handelt es sich häufig um verkürzte Aussagen, die komplexe Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge außer Acht lassen. Auch die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit in vier Kategorien schränkt den Rahmen der Beantwortung einer komplexen Frage ein, da keine Kausalitätsbeziehungen oder Bedingungen für bestimmte Entwicklungen abgebildet werden können. Das liegt auch daran, dass die Expert*innen keine Begründungen zu ihren Einschätzungen abgeben, die der Bewertung der Thesen mehr Tiefe und Hintergrund geben würden. Insbesondere im Prozess der Auswertung ist uns aufgefallen, dass wir selbst neugierig waren, warum Expert*innen auf bestimmte Weise abgestimmt haben, insbesondere hinsichtlich der Einschätzung gesellschaftlicher Entwicklungen.

Wir befürchten, dass die erneute Befragung dazu führen könnte, dass sich einige Expert*innen in ihren Einschätzungen unsicher werden und sich der Mehrheitsmeinung anschließen. Nuancierungen und abweichende Meinungen, die möglicherweise die treffendsten Prognosen sein könnten, gehen so verloren.

Eine Schwäche der Delphi-Methode ist zudem, dass sie sehr zeit- und ressourcenaufwändig sein kann, was uns dazu gezwungen hat, ihren Umfang stark zu reduzieren.

Hinsichtlich der Ergebnisse der Studie kann kritisiert werden, dass sie ein Bild der Zukunft zeichnet, dass eher die Ideen und Vorstellungen der Zeit widerspiegelt, in der die Studie durchgeführt wurde, als die reale zukünftige Entwicklung. Das kann mitunter zu einem sehr technikzentrierten und zu zukunftsoptimistischen Bild führen.

Neben diesen Schwächen sind uns jedoch vor allem auch die Vorteile der Methode bewusst geworden. Sie erlaubt es, die Einschätzungen von einer großen Gruppe von Expert*innen auf systematische Weise zu betrachten. Tendenzen zukünftiger Entwicklungen können so gut und präzise abgeschätzt werden. Insbesondere die zweite Befragungsrunde präzisiert die Einschätzung. Zudem denken wir, dass die Teilnahme an einer solchen Delphi-Studie ebenso ein interessanter Austausch für Expert*innen sein kann, da sie Einblicke in die Erwartungen ihrer Kolleg*innen bekommen.

Als Stärke der Methode schätzen wir außerdem, dass die Ergebnisse grafisch in Tabellen und Diagrammen dargestellt werden können. Auch die hohe Transparenz während des gesamten Prozesses sehen wir als große Stärke der Methode, insbesondere hinsichtlich der Legitimität der Ergebnisse.

Es wäre spannend, noch mehr Expert*innen in eine solche Delphi-Studie einzubeziehen, um ein noch präziseres Ergebnis zu erhalten.

Die Ergebnisse einer Delphi-Studie können als Grundlage für die Entwicklung von Zukunftsszenarien dienen.

4. Referenzen / Quellen

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Fachgruppe

Design Master

Art des Projekts

Studienarbeit im Masterstudium

Betreuung

foto: Prof. Dr. Frank Heidmann

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2020 / 2021

Keywords