In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Wie wird im Produkt-, Interface- und Servicedesign geprototypt? In der Designpraxis werden Prototypen oftmals unreflektiert gestaltet. Designer:innen sollten sich damit beschäftigen, was genau Prototypen tun: Wozu werden Prototypen hergestellt? Von wem und für wen? Wie wirken sie? Was bilden sie ab? Und welche Dilemmata treten dabei auf?
My Master thesis unfolds a taxonomy of prototyping. How does prototyping work in product, interface and service design?
In design practice, prototypes are mostly designed unreflectively. Designers must consider what prototypes do: What are prototypes built for? By whom and for whom? What impact do they have? What do they show? And which dilemmas must be solved?
The taxonomy clusters prototypes in respect of how they are used. I developed the categories of the taxonomy with the help of an empirical study, based on case studies.
Geht man auf Suche nach den Charakteristika des Designs im Vergleich zu anderen Tätigkeiten, sticht das Prototyping heraus. Prototyping ist ein spezifisches Arbeitswerkzeug des Designs. Meine zentrale Fragestellung lautet: Wie werden Prototypen in der Designpraxis hergestellt und eingesetzt? Welche Prototyp-Kategorien lassen sich hierbei unterscheiden?
Neben den handwerklichen Fähigkeiten, Prototypen herzustellen und diese im Designprozess zu verwenden, benötigen Designer:innen die Kompetenz, zu wissen, wann welcher Prototyp angemessen ist. Ich gehe davon aus, dass es gutes Prototyping gibt. Ein guter Prototyp ist angemessen für einen bestimmten Zweck, eine Situation und eine Zielgruppe: »The designer must consider the purpose of the prototype at each stage of the design process and choose the representation that is best suited to the current design question« (BEAUDOUIN-LAFON & MACKAY, 2009, S.128)
Einerseits betrachte ich in der vorliegende Arbeit Prototypen als physischen und digitale Artefakte. Andererseits betrachte ich Prototyping als die gesammelten Praktiken und Ausformungen von Prozessen, in welchem diese Artefakte erzeugt werden. Das Besondere meiner Untersuchung zum Prototyping ist, dass ich mir nicht in erster Linie anschaue, wie Prototypen als Artefakte aussehen. Es geht mir also Prototypen in der Designpraxis 9 weniger um die Objektbeschaffenheit und formalästhetische Überlegungen. Ich kopple das Prototyp-Konzept von einem bestimmten Zeitpunkt im Projekt, einem bestimmten Aussehen oder einer bestimmte Objektreife ab. Sehgewohnheiten assoziieren formale Eigenschaften auch fälschlicherweise mit einem prototypischen Stadium: Der Cyber Truck von Tesla wurde durch sein kantiges Aussehen als »nicht fertig gerendert« belächelt (NIKOLAEV, 2019). Und Brutalismus-Websiten spielen mit einer brutalen, unfertigen Ästhetik (SCHMIDT, 2017).
Dafür schaue ich mir an, was Prototypen »tun«. Ich betrachte ihr aktives Mitwirken in Situationen des Designprozesses. Dabei fokussiere ich mich auch insbesondere auf die kommunikative Dimension, wie die Akteur:innen in einem Designprojekt mit dem Prototyp interagieren. Prototypen betrachte ich als Medien. Neben einer Verdinglichung schaffen sie Interaktion zwischen Menschen: Sie ermöglichen Kollaboration, regen an, Fragen zu stellen und inspirieren (SCHRAGE, 2003, S.21). Die Zwecke und Rollen, die ich dabei für Prototypen erarbeite, zeigen meine zentrale Haltung zu Prototypen auf: Sie sind wandelbar, nicht festgeschrieben, sondern situationsbedingt und flexibel.
Die Arbeit richtet sich an Designer:innen und soll ihnen eine Hilfestellung im Berufsalltag bieten. Die Arbeit kann auch die Kommunikation mit anderen Disziplinen vereinfachen, indem die Arbeitsweise von Designer:innen nachvollziehbar wird. Es liegt noch immer ein Mangel an Wissen über die Designpraxis vor – oftmals wissen Designer:innen nicht, was sie tun. Es fehlt ihnen am Vokabular, um angemessen über Prototyping zu sprechen. Die wenigen existierenden Bezeichnungen für Prototyp-Kategorien werden den aktuellen Veränderungen des Designberufs nicht gerecht. Verschiedene Verständnisse von Prototypen führen zu Missverständnissen, beispielsweise aufgrund unterschiedlicher Erwartungen.
Das zugrunde liegende Verständnis von Design kann dann problematisch werden, wenn es veraltet ist: Das Designmodell meint in diesem Fall nur das Äußere, ein Styling, eine Hülle reduziert auf Ästhetik. Design weitet sich auf immer mehr Bereiche aus, die es zu Gegenständen von Gestaltung macht (PFEFFER, 2014, S.26). Neben physischen und digitalen Dingen sind das auch immaterielle, systemische und prozesshafte Gegenständen. Alles kann gestaltet werden. Design macht selbst keinen Halt davor, die Natur beispielsweise mit Hilfe von Genmanipulationen zu gestalten. (STALDER, 2016, S.65) Design verschiebt zunehmend den Fokus von Produkt zu Prozess (SCHNEIDER 2005, S.196– 197) und wird strategischer.
Damit sich meine Betrachtung nicht in der Breite der Design-Disziplinen verliert, möchte ich deutlich machen, welche Auswahl ich für meine Betrachtung zum Prototyping getroffen habe. Ich untersuche Prototypen des Produkt-, Interface- und Servicedesigns. Als Designerin, die sich genau zwischen diesen drei Designdisziplinen bewegt, sehe ich Prototypen als zentrales Werkzeug von Designpraktiker:innen, aber auch Studierenden, denen es ähnlich geht wie mir. In diesem Feld gibt es sich stark voneinander unterscheidende Prototyping-Praktiken. Prototyping funktioniert über die Grenzen dieser Disziplinen hinweg. Das ermöglicht, trotz vorhandener Unterschiede, einen gebündelten Diskurs zu führen. Bislang sind physische Prototypen aus dem Produkt- bzw. Industriedesign in der Designtheorie wenig in Verbindung mit digitalen Prototypen aus dem Interfacedesign gebracht worden. Interfacedesign verstehe ich synonym zu Interaction- Design oder User Experience (UX) Design, welches das User Interface (UI) Design einschließt. Überschneidungen zum Produktdesign gibt es im Bereich der Human Computer Interaction (HCI), der Mensch-Maschine-Interaktion. Im Servicedesign, das im deutschen Sprachraum bislang kaum als Studienfach zu finden ist, wird hauptsächlich mit prozessbasierten Prototypen gearbeitet. Diese stellen holistische Systeme da, sie umfassen auch Prototypen des Produktund Interfacedesigns. Hier wird in einer ganzheitliche Gestaltung von Dienstleistungen in einem Nutzer:innen-zentrierten Prozess entworfen (INTERACTION DESIGN FOUNDATION, O.J.). Servicedesign und ein forschend ausgerichtetes UX Design sind stärker methodisch geprägte Designdisziplinen – sie beschäftigen sich stärker mit Prototypen. Ich lasse bewusst aus aus: Kommunikationsdesign und Modedesign, da dort Prototypen nicht vordergründig eingesetzt und diskutiert werden und wenig Nutzer:innen-zentriert gearbeitet wird. Das Testen von Prototypen hat nahezu keinen Stellenwert. Nichtsdestotrotz können sicher Prototypen auch dort gefunden und mit den anderen Disziplinen erkenntnisbringend analysiert werden.
Allen drei hier untersuchten Designdisziplinen liegt zugrunde, dass ein Produkt im weiteren Sinne entworfen und entwickelt wird, das auf den Markt gebracht werden soll. Dies gilt es hervorzuheben, da sich die von mir betrachteten Disziplinen dahingehend grundlegend von Designströmungen unterscheiden, die stärker kritisch und künstlerisch arbeiten (wie z.B. Critical Design). Dort nehmen Prototypen andere Rollen ein, richten sich an weitere Adressat:innen und erfüllen anderen Zwecke. Der Kern des angewandten Designs, so unterschiedlich die Unterdisziplinen auch sind, Prototypen in der Designpraxis 11 ist der Marktlogik unterworfen, in das kapitalistischen System eingebettet und produziert Konsumprodukte. In diesem Kontext bewege ich mich, wenn ich in dieser Arbeit Prototypen untersuche. Meine Arbeit positioniert sich im material turn und im practical turn. Im material turn haben die materiellen Artefakte zuletzt vermehrt Aufmerksamkeit bekommen – Materialität und Technologie werden auch im Designprozess ein wichtiger Einfluss zugestanden (HÄUßLING, 2016, S.27–31). Dabei interessiert mich, wie materielle und soziale Aspekte zusammenwirken. Ich schaue mir die Praxis der designerischen Tätigkeit an. Dass ich den Begriff der Praxis hervorhebe, hat einen Hintergrund. Im Practical Turn (ähnlich zur Praxistheorie der Soziologie) wird der Fokus auf die Praktiken des Designs gelenkt (EWENSTEIN & WHYTE, 2010, S.47). Ich untersuche Prototyping als soziale Praxis, in der Prototypen situativ bedingt verschiedene Rollen in der Interaktion mit anderen Akteur:innen übernehmen. Aus diesem Grund habe ich für die Erarbeitung einer Theorie des Prototypings eine empirische Studie durchgeführt, durch die ich Prototyping-Praktiken besser verstehen kann.
Bevor ich beginne, fasse ich unter einer Arbeitsdefinition, welche Charakteristika Prototypen ausmachen. Anschließend zeige ich auf, wie Prototypen zu immer früheren Zeitpunkten im Designprozess eingesetzt werden und wie sich das Prototyp-Verständnis ausweitet. Ich erkläre mein theoretisches Fundament, die Symmetrie von Mensch und Ding, auf dessen Basis sich der Einfluss der physischen und digitalen Artefakte der Prototypen erklären lässt. Ich gehe auf zukünftige Entwicklungen wie Digitalisierung und Partizipation ein, die Prototyping prägen werden. Die empirische Studie bildet im Weiteren eine wesentliche Grundlage, eine Theorie des Prototypings zu erarbeiten, die Prototypen kategorisiert. Diese Taxonomie umfasst verschiedene Zwecke, Akteur:innen, Rollen, Dimensionen und Dilemmata des Prototypings. Anhand dieser kann geklärt werden, was Prototypen sind anhand der unterschiedlichen Dinge, die sie»tun«. Abschließend diskutiere ich meine Theorie vor dem Hintergrund ihres Mehrwerts für die Designpraxis.
Eine ausführliche Beschreibung folgt :)