In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
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Emotionen spielen eine große Rolle im Straßenverkehr; Freiheit des einzelnen, Kraft und Selbstbestimmung werden sehr gerne von Automobilherstellern für Marketing Zwecke in Szene gesetzt. Werbeslogans wie „Freude beim Fahren“ (BMW), „aus Liebe zum Automobil“ (VW), „the power of dreams“ (Honda) beherrschen die Werbung der Automobilbranche. Dabei werden, wie in der Werbung üblich, ausschließlich positive Erfahrungen und Gefühle kommuniziert. Negative Aspekte werden dabei sehr gerne ausgeblendet, Themen wie Frust, Angst oder Wut ignoriert, um ein Bild von Freiheit zu verkaufen. Dass dieses Bild mit der Realität oft nicht übereinstimmt, weiß wahrscheinlich jeder Verkehrsteilnehmer der sich einmal durch die Rushhour in einer Metropole gekämpft hat. Frust, Wutausbrüche, schreien, voll entladene Emotionen gehören hier zum vorherrschenden Straßenbild. Das Ziel dieser Arbeit wird es sein, sich genau mit diesen Themen weiter auseinander zu setzen – mit besonderem Augenmerk auf das Thema Wut im Straßenverkehr, im englischen auch als „Road Rage“ bezeichnet. Es wird versucht die Ursachen zu ermitteln und mit einem neuen Blick und aktuellen Forschungsergebnissen ein Konzept zu entwickeln, welches sich dem Thema nähert und versucht eine Lösung für dieses Phänomen zu bieten. Emotional aufgeladene Kommunikation im Kontext des automobilen Miteinanders. Wut als Zugang zu einer verbesserten Interaktion zwischen Verkehrsteilnehmern. Es bleibt bei einem Konzept, welches auf einen aktuellen Stand der Technik basiert, jedoch nur eine Hypothese ist.
Emotions are a big part in the daily road traffic; the freedom of movement, strength and self-determination are part of the marketing by big car manufactures. Slogans of these manufactures are „Pleasure of driving” (BMW) „with love for the automobile” (VW), „the power of dreams„ (Honda). As usual in the Commercials, only good, positive emotions and feelings are shown.
Negativ aspects are often not part of the story they are telling. But these emotions, like anger, fear and frustration are a big part of daily road traffic. Each individual that fought is way trough a city rushhour know these feelings.
This work tries to think more about these aspects of road traffic, with a very specific look on road rage. Taking a look at modern scientific data and looking for a new way to handle the extrem rage on the road. Emotional communication in the road traffic.
Im folgenden Abschnitt geht es darum ein besseres Verständnis für das Thema Emotion, durch Betrachtung von psychologischen Erkenntnissen, Begriffsentwicklung und der Historie zu vermitteln.
Emotion ist eine Gemütsbewegung, die bewusst oder unbewusst durch ein Ereignis oder eine Situation ausgelöst und durch das Individuum bewusst oder unbewusst wahrgenommen wird. Zwar hat sich der Begriff „des Gefühls“ als Emotion in unserem heutigen Sprachgebrauch verankert, dieser ist jedoch nicht alles, was Emotion beschreibt. Anders als Gefühl beschreibt Emotion auch unterbewusste Erfahrung, wie etwa Begeisterung oder Stolz, die wir meist als Gefühl nicht ausdrücken können. [1]
Das deutsche Wort Emotion stammt aus dem lateinischen „emovere“, das mit „herausbewegen“ zu übersetzen ist. Den Begriff Emotion, so wie er heute genutzt wird, prägte als erster der schweizer Philosoph Anton Marty Anfang des 20. Jahrhunderts. [2]
Viele Philosophen und Psychologen beschäftigen sich bereits seit Jahrtausenden mit den menschlichen Emotionen. Dabei taucht immer wieder der Begriff der Basisemotion auf, welcher jedoch von der Anzahl der beinhalteten Emotionen aber vor allem auch vom Inhalt über die Zeit stark variiert.
Bereits im vierten Jahrhundert vor Christus legte Aristoteles insgesamt elf Basisemotionen fest: Begierde, Zorn, Furcht, Mut, Neid, Freude, Freundschaft, Hass, Sehnsucht, Eifer und Mitleid.
Diese wurden über die Jahrhunderte immer wieder verändert, der portugiesische Philosoph Baruch de Spinoza reduzierte diese im Jahr 1658 auf drei: Begierde, Freude und Hass.
Im 20. Jahrhundert entwickelte der Psychologen Paul Ekman das „Facial Action Coding System“. Durch Hilfe dieses Verfahrens werden sieben Emotionen unterschieden die auf der ganzen Welt, unabhängig von Sozialisierung oder Umwelt, messbar sind: Freude, Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Traurigkeit und Überraschung.
Das „Facial Action Coding System“ beschreibt einen Zusammenhang zwischen Gesichtsmuskulatur und den Emotionen des Probanden. Mit diesem System der Klassifizierung hat Ekman auf der ganzen Welt empirische Studien betrieben und die immer wieder erscheinenden Emotionen messen können. Mit Hilfe des Facial Action Coding System kann man beispielsweise zwischen einem gespielten und echten Lächeln unterscheiden. Ekman unterscheidet dafür so genannte „Action Units“ bei dem das Gesicht in 44 verschiedene Muskelbewegungen aufgeteilt wird. Zum Beispiel beschreibt er die Emotion Wut mit vier solcher „Action Units“: Zusammenziehen der Augenbrauen, Heben des oberen Augenlids, angespanntes unteres Augenlid, aufeinander gepresste Lippen.
Wenn eine plötzliche Emotion gespürt wird, bewegen sich die Gesichtsmuskeln so schnell, dass für eine sehr kurze Zeitspanne ein Gesichtsausdruck komplett darstellt ist, bis dieser durch den vom Probanden erwünschte Ausdruck ersetzt wird. Diesen Vorgang nennt sich Mikromimik. [3]
Es wird vermutet, dass Emotionen ein Teil unseres geerbten genetischen Codes sind, die uns im Laufe der Menschheitsgeschichte einen evolutionären Vorteil boten. Dabei sind die eigenen Emotionen zu unterscheiden, welche auf bestimmte Erfahrungen in unserem Leben zu erklären sind, wenn wir beispielsweise gewisse Wörter oder Gerüche wahrnehmen und diese direkt mit einer Emotion verbinden. Das Max-Plank-Institut konnte durch eine Studie nachweisen, dass die Angst vor Schlangen und Spinnen angeboren ist. Zu diesen Untersuchungen wurden Babys Bilder von Spinnen und Schlangen gezeigt und dabei deren Stresslevel gemessen. Diese Grundangst scheint sich über Millionen Jahren in unserem genetischen Code verankert zu haben, wobei andere, für Menschen gefährliche Dinge wie Messer oder Steckdosen bei den Baby-Probanden keine Angst hervorrufen, da diese noch nicht lange genug eine Gefahr für die Menschheit darstellen und darum noch nicht fest in unserem Genmaterial vorhanden sind. [4]
In dieser Arbeit wird sich speziell mit dem Thema Wut auseinandersetzt, insbesondere die Bedeutung jener Emotion im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr.
Wut gehört zu den sehr heftigen Emotionen und ist meist eine impulsive und aggressive Reaktion auf eine Situation, die für das Individuum als unangenehm empfunden wird.
Im psychologischen Sinne wird Wut von den sonst im Volksmund oft vereinheitlichten Wörtern Zorn und Ärger abgetrennt. Wobei Ärger schwächer als die Wut zu verstehen ist und Zorn die distanzierte Wut meint, wenn eine Person etwas ärgert, das nicht im speziellen auf sie selbst sondern auf etwas Übergreifendes bezogen wird. [5]
Ein „Wutanfall“ bezeichnet den Kontrollverlust über die Emotion Wut, dabei wird viel Adrenalin im Körper ausgeschüttet. Meist schlägt das schnell in Aggression und Gewalt um, wobei diese, meistens nur auf die Quelle der Wut fokussiert ist. Außerdem können Personen mit einem Wutanfall gedämpftes Hören, Tunnelblick, einen erhöhten Puls und Hyperventilation erleiden. Des Weiteren kann durch die erhöhten Sauerstoff- und Adrenalinwerte im Blut ein körperliches Zittern erlebt werden. [6]
Die Schweizer Psychologin Verena Kast sagte in einem Interview, dass Wut auch positive Effekte haben kann. Wir gestehen uns damit selbst und anderen ein, dass wir mit dieser Situation unzufrieden sind. „Das wütend verzerrte Gesicht zeigt meiner Umwelt an, dass jemand zu weit gegangen ist und man besser Abstand halten sollte.“ [7]
Im gleichen Interview erklärte sie noch, dass Wut eine ganz persönliche und variable Emotion ist, nicht jeder reagiert in derselben Intensität wütend auf die gleiche Situation wie andere. Dabei spielen wahrscheinlich vor allem gelernte soziale Strukturen, aber auch genetische Merkmale eine Rolle. Evolutionär gesehen war die Wut für unsere Vorfahren wahrscheinlich Teil eines Schutzmechanismuses, mit dem wir durch die Ausschüttung des Adrenalins bei Gefahrsituationen sofort in Kampfposition gehen konnten um uns zu verteidigen.
Die moderne Wutforschung besagt, dass wir am besten mit Wut umgehen können, wenn wir ihr einen möglichen Weg der Kanalisation geben. Das ständige Unterdrücken der Wut entlädt sich ansonsten oft in falschen Situationen und man „explodiert“ in falschen, unangebrachten Momenten. Unterdrückte Wut kann außerdem über lange Zeit in eine Depression führen, sagt die Psychologin Kast. Außerdem kann unterdrückte Wut die Anfälligkeit für Herzkreislauferkrankungen erhöhen.
Um der Wut Luft zu machen gibt es aktuell mehrere unterschiedliche Methoden. So gibt es zum Beispiel sogenannte „Wuträume“, die einem die Möglichkeit geben, dem sozialen und gesellschaftlichen Druck Luft zu lassen und sich alles von der Seele zu schreien. Kast hingegen rät eher zu konventionellen Mitteln wie Sport. Sie selbst geht in solchen Situationen joggen und sie sagt: „beim Laufen kommt man irgendwie wieder in Kontakt mit sich selber und (mir) wird dann klar, was muss ich jetzt tun“. [7]
Emotionen spielen im Marketing seit jeher eine große Rolle. Im klassischen Marketingansatz werden meistens mit diesen sieben Basisemotionen gespielt (Freude, Wut, Ekel, Furcht, Verachtung, Traurigkeit und Überraschung), da diese alle Alters- und sozialen Schichten gleich bekannt sind. Dabei geht es häufig darum, dass der Mensch sich von Emotionen einfacher und schneller leiten lässt als dass er rationale Entscheidungen trifft. Sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen Marketing ist die Emotion ein wichtiger Bestandteil. [8]
In der Automotive-Branche wird im Marketing fast immer mit positiven Emotionen gespielt. Sie vermittelt ein Bild der Freiheit und des Glücks. Negative Emotionen werden fast nie gespielt. Es sind wenige Ausnahmen in dem das Auto einen direkten Ausstieg aus der negativen Emotion bietet. Frei nach dem Motto: Einfach vor seinen Problemen davon fahren. Ein Werbespot der Firma Mercedes zeigt einen „Alpha Leader“ der einen stressigen und frustrierenden Tag in seiner Firma hat. Anschließend steigt er in seine „S-Klasse“ und landet auch noch im Stau. Dann aktiviert er die „Mood changing technology“ und das entspannt ihn so sehr, dass er selbst den Stau nicht mehr als Belastung wahrnimmt und entspannt zuhause ankommt. [9]
Dies ist ein sehr gutes Beispiel für Werbung im Automotive-Kontext – dem Zuschauer wird ein Bild von Zufriedenheit vermittelt, welches er ausschließlich im Kontext Auto genießen kann. Außerdem wird hier nur die Beziehung von Fahrer zu Fahrzeug, nicht jedoch die zwischen verschiedenen Verkehrteilnehmern thematisiert.
Positive Emotionen in Bezug auf das Auto sind, insbesondere autoaffinen Personen, nicht unbekannt. Gerade durch hohe Geschwindigkeiten wird im Körper das Stresshormon Adrenalin freigesetzt und gleichzeitig Endorphin im Gehirn ausgeschüttet. Durch die Kombination dieser beiden empfindet der Mensch Aufregung und Glücksgefühl. [10] Ein Gefühl, dass man sonst auch zum Beispiel von Achterbahnfahrten kennt.
Auch Angst ist eine Emotion die im Straßenverkehr vorkommt. Die stärkste Form dieser Angst ist die Fahrangst, wissenschaftlich heißt sie Amaxophobie. Sie bezeichnet eine schwere Angst der Fahrer, manchmal auch der Beifahrer, beim Autofahren. Dabei geht es hauptsächlich um die Angst vor möglichen Verkehrsunfällen oder den Verlust über die Kontrolle des Fahrzeugs. [11] Die Fahrangst gehört laut Wissenschaftler am Universitätsklinikum Münster und an der Universität Würzburg zu einer der drei häufigsten Phobien. [12]
Der Verkehrspsychologe Christian Maag hat 2005 in einer wissenschaftlichen Arbeit das Phänomen der Wut im Verkehr genauer untersucht. Dabei hat er Besonderheiten im Straßenverkehr in unserer Emotionalität festgestellt, die wir so sonst nicht von der Gesellschaft kennen.
Maag beschreibt in seiner Abhandlung „Fahrer und Verkehrsklima“, dass die Ursachen für die oft außergewöhnliche Wut mitunter darauf zurück zu führen sind, dass wir unser Auto als unseren privaten Raum ansehen. Die Autofahrer haben das Gefühl, in ihrem Wohnzimmer zu sitzen obwohl sie sich indirekt in der Öffentlichkeit und für jeden sichtbar befinden. Verhält sich jemand im Straßenverkehr also aggressiv oder verhält sich für das Gefühl anderer Fahrer ungerecht, fühlt sich dieser in seinem privaten Raum angegriffen.
Dabei führt Maag das sehr schöne Beispiel vom Verhalten an der Supermarktkasse an. Meist eine nervige und stressige Situation, aber die gesellschaftlichen Normen verbieten es uns, sich lauthals darüber zu beschweren, vorzudrängeln oder dergleichen. Die anderen Personen an der Kasse würden uns wahrscheinlich direkt zurechtweisen und maßregeln, es herrscht eine gesellschaftliche Konvention. Wobei Ausnahmen natürlich vorkommen aber nicht die Regel sind. Anders verhält es sich, wenn die gleichen Personen im Auto sitzen und in einem Stau stehen, z.B. an einer Baustelle. Hier wird gerne lauthals über den Vorrausfahrenden geschimpft, gehupt und gedrängelt. Im Supermarkt würden wahrscheinlich die wenigsten dem Vordermann absichtlich mit dem Einkaufswagen in die Hacken fahren oder ganz offensichtlich vordrängeln. [13]
Die Frage, ob der Straßenverkehr grundsätzlich über die Jahre aggressiver geworden ist, lässt sich schwer beantworten, dazu gibt es bisher keine wissenschaftlichen Arbeiten oder Studien. Jedoch lässt sich sagen, dass die Anzahl der angemeldeten Fahrzeuge jedes Jahr kontinuierlich steigt, was gerade in großen Ballungsräumen zu mehr Verkehr und dadurch zu mehr Stress führt. [14]
Ein Video des deutschen Verkehrssicherheitsrats zeigt eine solche Situation. Wir sehen eine Frau im Krankenhaus, die verzweifelt und weinend am Krankenhausbett ihrer Tochter steht die offenbar gerade einen Fahrradunfall hatte. Die Mutter ruft unter Tränen den Vater des Kindes an, welcher sich gerade im Auto auf einer Landstraße befindet. Dieser verfällt in Rage und möchte auf schnellstem Weg ins Krankenhaus fahren. Dabei drängelt er aggressiv seinen Vordermann und macht mit der Lichthupe auf sich aufmerksam. Der Fahrer im vorrausfahrenden PKW kann die Situation nicht einschätzen und fühlt sich offensichtlich angegriffen von dem Verhalten des Drängelnden. Nach wenigen Sekunden rast der Fahrer von hinten los um zu überholen. Der Mann im vorderen Fahrzeug reagiert instinktiv aggressiv und drängt den Fahrer von der Straße direkt auf einen Baum. Erst nach dieser impulsiven Vergalten begreift er, was er da gerade getan hat. [15]
Diese Szene beschreibt wunderbar einen weiteren Punkt den Christian Maag in seiner Abhandlung aufzeigt. Dieser beschreibt die mangelnde Kommunikationsmöglichkeit die wir im Auto haben. Wir können nur sehr nieder komplex miteinander kommunizieren. Das Auto bietet nur wenige Möglichkeiten Kontakt zu anderen Verkehrsteilnehmern aufnehmen.
Durch Lichtsignale, mit den Blinkern oder den Scheinwerfern, der Hupe, mit Gesten oder mit offenem Fenster schreiend; wobei diese Form der Kommunikation eigentlich nur im Stand und auch dann nur sehr begrenzt möglich ist. Hätte in der im Video gezeigten Situation der Fahrer mit dem anderen Fahrer richtig kommunizieren können, hätte dieser möglicherweise mehr Verständnis gezeigt und die Situation wäre nicht in dieser Form eskaliert.
Die Kommunikation im Fahrzeug ist, wie im voran gegangen Absatz beschrieben, sehr eingeschränkt. Dieses Phänomen ist sowohl technischer als auch situativer Natur. Zum einen können wir nicht wirklich unser Anliegen hervorbringen, zum anderen reicht die Zeit, die man mit einander auf der Straße verbringt auch nicht aus um richtig miteinander zu kommunizieren. Hier kommt eine eigene Beobachtung meiner Seite zur Geltung. Schauen wir uns die Unterschiede in der Kommunikation zwischen Fahrgästen in einem ICE und auf der Autobahn an. In meiner Erfahrung sind die Auseinandersetzungen im Zug deutlich entspannter, der Bahnfahrer weiß, dass er mit seinem Sitznachbar die nächsten Stunden teilen muss. Anders ist es im Auto, hier muss ich erstens meinem Gegenüber nicht ins Gesicht gucken und zweitens sind die Begegnungen in der Regel von sehr kurzer Dauer. Ist das ein möglicher weiterer Grund für die oft recht raue Art im Straßenverkehr?
Noch einmal zusammengefasst: Der Verkehr bietet den perfekten Nährboden für eine raue Umgangsform, die wir sonst von uns Menschen so nicht kennen – durch gefühlte Anonymität, gefühltem privaten Raum, mangelnde Kommunikation und sehr kurze Begegnungen.
Die Kommunikation zwischen Fahrzeugen, nicht zwischen den Fahrern, sondern den Autos selbst, ist ein Thema, das bei Automobilfirmen stark im Trend liegt. Bereits 2013 hat Daimler die damalige Zukunftsvision Car-to-X vorgestellt. Ein System, dass es Fahrzeugen ermöglichen soll, sich mit anderen Fahrzeugen des Herstellers über etwaige Staus oder Unfälle auszutauschen. Außerdem sollten smarte Ampeln und Baustellen mit in das Netz aufgenommen werden und so den Verkehrsfluss verbessern. [16]
Ursprünglich wurde dieses Konzept nur für Autos der Marke Mercedes eingesetzt. Inzwischen ist dieses System jedoch geöffnet und es scheint der Plan zu sein, einen internationalen Standard zu entwickeln, den alle Hersteller nutzen können. Im November 2019 stellte Volkswagen mit dem VW Golf 8 das erste Fahrzeug eines Fremdherstellers vor, welches ebenfalls das Car-to-x System unterstützt und Daten vom Fahrzeug mit anderen Fahrzeugen teilt. [17]
In dem Projekt wird zum einen eine Möglichkeit aufgezeigt, eine bessere Kommunikation zwischen den Fahrern zu ermöglichen und versucht, durch Sichtbarmachung des Fahrers für andere Verkehrsteilnehmer, das Gefühl von Anonymität ein wenig aufzubrechen um Empathie bei der Gegenseite zu erzeugen.
Des Weiteren wird versucht, mit starken, vor allem den negativen Emotionen eines Fahrers umzugehen, in dem das System die aktuelle Emotion des Fahrzeugführers misst um diesen mit seiner Emotion zu konfrontieren um bei ihm eine Selbstreflexion über seinen momentanen Gemütszustand auszulösen.
für das Nutzerlebnis
Da aus Zeitgründen für diese Arbeit nur ein kleiner Teil der möglichen Funktionsweisen untersucht werden kann, wird sich in diesem Kontext ausschließlich mit der Kommunikation von Autofahrer zu Autofahrer beschäftigt. Andere Verkehrsteilnehmer, wie Fußgänger oder Radfahrer werden dabei explizit ausgeklammert, obwohl das ein nicht minder wichtiges und spannendes Feld wäre.
Es gibt die Möglichkeit in einem Auto, diese Art der Kommunikation, auf drei verschiedenen Plattformen als eine Art App anzubieten. Die erste Möglichkeit wäre hier eine klassische Smartphone-App. Diese würde viele Vorteile für alle Teilnehmer haben, insbesondere in Bezug auf Verfügbarkeit. Auch ältere Fahrzeugmodelle könnten sofort mitmachen. Jedoch kann eine App weniger gut auf fahrzeuginterne Daten zugreifen. Außerdem ist die Bedienung eines Smartphones während der Fahrt in vielen Ländern nicht legal.
Die nächste der drei Möglichkeiten wäre das Ausspielen über ein CarOS, wie etwa Apple CarPlay oder Android Auto. Auch hier würde sich die Verbreitung, Hersteller übergreifend, als deutlich einfacher beweisen. Jedoch muss man auch in diesem System die häufige Beschränkung der von den Fahrzeugherstellern zur Verfügung gestellten Fahrzeugdaten im Hinterkopf behalten.
Deswegen habe ich mich für dieses Projekt für eine Darstellung basierend auf der einer fahrzeuginternen Software entschieden. Da dies eine Arbeit in enger Zusammenarbeit der BMW Group ist, wird das iDrive 7 OS von BMW verwendet, dass im Jahr 2018 zum ersten Mal vorgestellt und seit 2019 serienmäßig in allen BMW Fahrzeugen verbaut wird. [18] Das Projekt basiert zwar auf dem System von BMW, wurde jedoch stark abgewandelt.
Ein aktueller BMW hat viele verbaute Bildschirme auf denen Content gespielt werden kann. Es gibt:
— Das frei programmierbare Kombi (wird im Laufe der Arbeit mit der BMW-internen Abkürzung FPK genannt), das hinter dem Lenkrad, an Stelle des ehemaligen Tachometer verbaut ist,
— das Headup Display (kurz: HUD), das als Spiegelung in der Windschutzscheibe, direkt hinter dem Lenkrad, für den Fahrer angezeigt wird,
— das central information display (kurz: CID), welches sich in der Mittelkonsole befindet,
— und als Zusatzausstattung noch das rearseat entertainment, was die Bildschirme für die Beifahrer auf der Rückbank beschreibt, die an der Rückseite des Fahrer- und Beifahrersitzes angebracht sind.
Da es sich bei dem Projekt um ein Tool speziell für den Fahrer handelt, werde ich die beiden Bildschirme des rearseat entertainments nicht in das Konzept mit einbeziehen.
Auf den drei verbleibenden Bildschirmen können fahrerrelevante Information, mit unterschiedlich dichtem Informationsgehalt gespielt werden. Das HUD bietet die Möglichkeit, schnell relevante Informationen für den Fahrer auszuspielen. Außerdem ist hier die Einschränkung durch das restliche Design sehr gering, jedoch gibt es starke rechtliche Einschränkungen, so darf z.B. der Inhalt des HUD nicht das Sichtfeld des Fahrers verdecken. Diese Vorgabe wird im Zuge dieser Arbeit jedoch nur am Rande Beachtung bekommen.
Im FPK werden ebenfalls kurze fahrrelevante Informationen angezeigt, mit etwas mehr Informationstiefe und -breite. Hier werden nicht nur ganz akute Nachrichten angezeigt, sondern auch längerfristige Angaben, beispielsweise Geschwindigkeit oder Navigationsthemen.
Das CID wird genutzt, um alle weitergehenden Informationen anzuzeigen, also auch Informationen die nicht für die Fahrrelevanz zuständig sind, wie Entertainment oder Einstellungen.
Kommunikation ist ein sehr wichtiger Teil unserer modernen Gesellschaft, unter anderen durch Kommunikationsapps, wie WhatsApp oder Telegram, sind wir rund um die Uhr erreichbar. Dieser Trend ist jedoch im Straßenverkehr noch nicht zu erkennen.
Die Idee des Projekt basiert auf einer Mischung verschiedener aktueller digitaler Kommunikationsmöglichkeiten, in erster Linie auf eben gennanten Chattools, sowie der Idee des Walki-Talkis. Diese sind natürlich im automobilen Kontext mit verschiedenen Einschränkungen und Möglichkeiten verbunden.
Wichtig ist die Unterscheidung der Kommunikation. Auf der einen Seite gibt es die direkte Kommunikation, also die Möglichkeit mit jemanden zu sprechen, den ich sehen kann, so wie ich es als Fußgänger mit anderen Fußgängern machen würde.
Auf der anderen Seite steht die indirekte Kommunikation, also den neuen Kommunikationskanal nutzen, um auch mit Fahrern Kontakt aufzunehmen, die sich nicht direkt in meinem Umfeld befinden, ich also nicht sehen kann, mit denen es trotzdem sinnvoll wäre zu sprechen. Beispiele hierfür werde ich später aufzeigen.
HUD
Im HUD werden eingehende Nachrichten angezeigt. Bei ankommenden Nachrichten wird hier ein Profilfoto des Absenders angezeigt, mit dem Ziel den gesichtslosen Straßenverkehr ein bisschen weniger anonym zu machen und mehr Empathie beim Empfänger zu wecken. Ein geöffneter Halbkreis um das Bild dient als grober Richtungsanzeiger. Dieser zeigt gleich mehrere Dinge an, zum einen die Richtung, aus der die Nachricht kommt, zum anderen kann über die Größe des Halbkreises der ungefähre Abstand zum Absender bestimmt werden. Je größer der Halbkreis desto näher der Absender. Zum Verständnis, bei einem vollen Halbkreis ist das Auto direkt neben mir gemeint. Außerdem wird die Nachricht selbst, links daneben im Schriftschnitt „bold“ ausgeschrieben angezeigt; bei einem „Danke“ emotional unterstützt von kurz einfliegenden Emojis, um diesen Moment noch weiter emotional aufzuladen. Die Nachricht wird mit einem kurzen Empfangston unterstützt.
Abgesendete Nachrichten werden vor dem Abschicken zum Bestätigen in einer ähnlichen Form gezeigt. Beim Erstkontakt wird das Profilbild durch eine Miniatur des Fahrzeugs ersetzt, damit der Fahrer die empfangene Person noch eindeutiger zuordnen kann, um falsch gesendete Nachrichten weitestgehend zu vermeiden. Die ausgehende Nachricht wird mit einen „regular“ Schriftschnitt versehen, mit dem Vermerk „Nachricht senden?“
Im FPK wird die Kommunikation als Widget zwischen den beiden Tachoblättern angezeigt. Hier wird eine vereinfachte Version des Straßenbilds um den Fahrer herum darstellt. Darin werden die Positionen der verschiedenen anderen Verkehrsteilnehmer gezeigt, mit denen die Fahrerin potentiell in Kontakt treten kann. Sollte die Fahrerin eine Nachricht empfangen, bekommt sie hier weitere Informationen über den Sender der Nachricht, wie den Namen und das Fahrzeugmodell, zur weiteren Empathiesteigerung. Außerdem kann sie den Empfänger noch eindeutiger verorten als mit der Anzeige im HUD.
CID
Das CID zeigt die größte Informationstiefe der Screens an. Das wichtigste der Anzeige ist eine große Karte, die neben Routeninformationen ebenfalls verfügbare Personen zur Kontaktaufnahme zeigt. Außerdem werden in einer kleinen Infobox auf der Karte weitere Informationen zu kontaktierten Personen, wie der Chatverlauf, angezeigt. Ein weiteres Kommunikationswidget im CID zeigt „mein Profil“. Hier kann ich Kurzinfos sehen, wie ich als Fahrer von anderen Personen auf der Straße gesehen werde.
Außerdem habe ich die Möglichkeit zu sehen, mit welchen Personen ich zuletzt in Kontakt stand. Hier wird auch das Karmalevel des Fahrers angezeigt.
Das Karmalevel berechnet sich aus positivem und negativem Chatverhalten. Ein Dankeschön wird positiv, ein negativer Kommentar zu meiner Fahrweise o.ä. negativ gewertet. Dieses Karmalevel ist ebenfalls von anderen Fahrern einzusehen, um besser bewerten zu können, mit wem ich es zu tun habe.
Es gibt mehrere Arten der möglichen Eingabe. Die wahrscheinlich einfachste und natürlichste Art geschieht durch Hilfe des Sprachassistenten an Board. Die Fahrerin sagt einen Satz wie: „Hey BMW, sag bitte dem roten Mercedes da vorne, dass sein Licht nicht an ist.“ Der Assistent kann durch seine Kameras und weiteren Sensoren, sowie GPS-Signalen, auswerten, wer gemeint ist und zeigt mit einer kurzen Anzeige welches Auto mit welchem Text angesprochen wird. Die Fahrerin bestätigt mit einem kurzen Druck auf OK und die Nachricht wird verschickt.
Natürlich gibt es auch eine klassische manuelle Eingabe, die Fahrerin kann mit ihrem Multi-Funktions-Lenkrad (kurz: MFL) per Drehregeler aus den einzelnen Personen um sich, die in ihrem FPK angezeigt werden wählen und bestätigen. Dadurch gelangt sie in eine Art Quickauswahl, in denen sie aus den häufig benutzten und von dem Auto für diese Situation gewählten Sätzen wählen kann. Sollte die Aussage nicht dabei sein, die sie sagen wollte, hat sie einfach die Möglichkeit eine persönliche Nachricht per Sprache aufzunehmen.
Weitergehend kann man die internen Systeme des Fahrzeugs nutzen, um bereits zu erkennen, ob und welche potentiellen Nachrichten der Nutzer höchstwahrscheinlich verschicken möchte.
Meine Beobachtung von Autofahrern hat gezeigt, dass Sie oft in ihrem Auto mit anderen Verkehrsteilnehmern sprechen, obwohl diese durch die geschlossenen Fenster keine Möglichkeit haben, das Gesprochene auch zu hören. Genau diese Eigenart könnte man nutzen, um eine Sprachaktivierung zu triggern. Wenn beispielsweise der Fahrer in seinem eigenen Auto sitzt und sagt: „Leg mal einen Zahn zu, hier ist 50.“, könnte das Fahrzeug diese Aussage in Verbindung mit einem verbauten Eyetracking nutzen, um den Empfänger der Nachricht zu ermitteln. Dann erscheint beim Fahrer noch eine kurze Bestätigung in Form einer Abfrage, ob er die gesagte Aussage auch verschicken möchte und ob der richtige Empfänger gewählt wurde. So kann eine möglichst natürliche Art der Kommunikation ermöglicht werden. Eine weitere automatisierte Erkennung wäre z.B. bei einem durch den Blinker angezeigten Spurwechsel, oder ein durch die Sensoren getracktes, sehr dicht auffahrendes Fahrzeug auf der Autobahn, mit dem man direkt Kontakt aufnehmen könnte.
Die Art der Kommunikation ist dabei immer die gleiche, ich kann eine gesprochene Nachricht aufnehmen, die dann als Text zum Empfänger gesendet wird, oder ich kann eine der Quicknachrichten auswählen. Ich bin der Überzeugung, dass mit diesen Quicknachrichten bereits ~ 80 % aller Kommunikationen im Straßenverkehr geführt werden können.
Diese sind situations- und kontextsensitiv,
beinhalten aber immer „Danke“, „Bitte“ und „Entschuldigung“.
Neben der prominenten Darstellung der Nachricht als Text im HUD hat der Empfänger der Nachricht die Möglichkeit sich die Nachricht von dem persönlichen Assistenten im Fahrzeug vorlesen zu lassen. Per default geschieht das jedoch nicht. Es erklingt lediglich ein Ton, wie bei einem Smartphone üblich, der den Fahrer auf die Nachricht aufmerksam macht. Sollten andere Medien, wie Musik oder Podcasts, im Fahrzeug abgespielt werden, schaltet das Fahrzeug automatisch in einen Vibrationsmodus, der das Lenkrad vibrieren lässt und keinen Sound abspielt. Außerdem wird ab einer Geschwindigkeit von über 180 km/h auch diese Art der Benachrichtigung abgeschaltet, damit der Fahrer in dieser Extremsituation nicht unabsichtlich abgelenkt wird, hier wird nur nach fahrtrelevanten Nachrichten gefiltert und Antworten von selbst verschickten Nachrichten angezeigt.
Ich glaube, dass Zensur bis zu einem gewissen Grad nicht angebracht ist. Um ein Auto alleine zu führen muss man mindestens 18 Jahre alt sein, weshalb ich von einem standartmäßigen strikten Beleidigungsfilter absehen würde. Jedoch ist ein System sinnvoll, mit dem sich der User persönlich einen Filter einstellen kann, der bestimmte Wörter ausblendet, jedoch nicht den kompletten Inhalt der Nachricht verbirgt. Außerdem wird von einem Vorlesen der Nachricht durch den Assistenten verzichtet, sollte dieser eine unangemessene Nachricht erkennen.
Das Messen der Emotion ist ein Mittel, dass insbesondere im Marketingbereich schon seit vielen Jahren eine große Rolle spielt. Jedoch auch in privaten Anwendungen wie z.B. beim interagieren mit einem Sprachassisten in nächster Zeit immer relevanter und ein sehr wichtiges wichtiges Feld in der Mensch-Maschine Interaktion werden kann.
Dazu können verschiedene Techniken benutzt werden. Es gibt z.B. die Möglichkeit, den Probanden an ein EKG-Messgerät anzuschließen, um aus der Aufzeichnung seiner Hirnströme ein Bild seiner Emotionswelt zu zeigen. Eine andere Möglichkeit ist, mit dem, in dieser Arbeit bereits vorgestellten „Facial Action Coding System“, per Kameraerkennung die Bewegungen im Gesicht zu analysieren und auszuwerten.
Ein sehr spannendes, aktuelles System von 2016, stammt von Studenten des MIT in Boston, denen es gelungen ist, mit Hilfe von Radiowellen, kabellos, den Puls und Atemfrequenz eines Probanden zu messen, anschließend wurden diese Daten von einem „machine learning Algorithmus“ ausgewertet und einer Emotion zugeordnet. Die Studenten selbst sprechen in ihrem dazu veröffentlichten Paper, „Emotion Recognition using Wireless Signals“ , von einer Erfolgswahrscheinlichkeit von 87%. [19]
Für den Zweck dieses Projekts wären viele Techniken denkbar, jedoch denke ich, dass die Bestimmung über die Gesichtserkennungs- oder die Radiowellentechnik am besten geeignet wären, da der Fahrer dazu nicht extra an ein bestimmtes Gerät angeschlossen werden muss.
Die gemessenen Emotionen werden dann sowohl im FPK als auch im CID dauerhaft angezeigt. Diese Anzeige soll die Selbstreflexion des Fahrers gerade in für ihn stressige Situationen fördern, um sich über seinen eigenen Gemütszustand klarzuwerden und ihm beim Beruhigen zu unterstützen. Außerdem bietet das Fahrzeug bei einem gestressten Zustand an, verschiedene Systeme wie bestimmte Musik abzuspielen, den Massagesitz zu aktivieren oder eine alternative, stressfreie Route zu ermitteln.
Die Emotion wird zusätzlich zur Beschriftung mit einem Farbcode unterstützt, um dem Fahrer eine schnelle Ablesung zu gewährleisten. Außerdem wird der Hintergrund der Emotionsfläche mit einem Muster bespielt, dass je nach Emotion sanfter oder wilder wird. Im CID gibt es zusätzlich noch eine Anzeige über die aktuelle Herz- und Atemfrequenz. Um nicht zu viel Unruhe auf den Screen zu bringen wird nicht jeder Herzschlag, sondern ein Durchschnitt angezeigt, welcher die Schläge pro Minute symbolisiert. Das Gleiche gilt für die Atemfrequenz. Hinter den aktuellen Frequenzen wird gezeigt, unter welche Werte sie bleiben müssen um „entspannt“ zu sein.
Die Emotionsausschläge werden nur in eine Richtung gewertet, das bedeutet, sobald der Fahrer eine positive Emotion verspürt, wird die Messung mit „entspannt“ angezeigt. Egal ob der User besonders glücklich, fröhlich oder lustig gelaunt ist. In negativer Richtung wird die Abstufung etwas detaillierter. Die Range geht von „entspannt“, über „gestresst“ bis „wütend“, da diese Emotionen den Fahrer in seiner Fahrweise besonders stark beeinträchtigen können.
Emotionen wie etwa Aufregung, Traurigkeit oder Furcht werden nicht gesondert angezeigt, da durch die Anzeige kein Mehrwert für den Fahrer, sondern eher eine Verschlechterung der Situation erwartet wird. Bei einer dieser Emotionen wird je nach Intensität der Emotion entweder „entspannt“ oder „gestresst“ angezeigt.
Anhand einer generischen Userjourney soll das Konzept und die UI-Gestaltung noch einmal eindrücklicher näher gebracht werden. Die Szenarien sind uns alle bekannt, eine Reise, die durch die Stadt und über die Autobahn führt, während er mit anderen Verkehsteilnehmern in verschiedenen Arten kommuniziert. Dabei wird versucht alle relevanten Touchpoints und Modalitäten, mit dem der User in Kontakt kommt, einfließen zu lassen. Die Geschichte ist in vier Szenarien unterteilt, die fast alle mit Screens angereichert sind, mit dem der User in Kontakt kommt.
Unsere Person läuft zu ihrem BMW mit der Absicht, die Eltern auf dem Land, vor den Toren Münchens zu besuchen. Er entsperrt sein Fahrzeug mit seinem Smartphone in der BMW Connected App. Er bekommt ein Pop-Up in dem er gefragt wird, ob sein Parkplatz frei wird und er diesen mit der Community teilen möchte. Er bestätigt und das System sucht automatisch einen Parkplatzsuchenden in der Nähe. Er kann jetzt in Ruhe seine Tasche in den Kofferraum laden und sieht einen Timer ablaufen.
Eine Parkplatzsuchende ein paar Meter entfernt, bekommt die Nachricht, dass gleich ein Parkplatz frei wird und macht sich auf den Weg.
Nach zwei Minuten kommt Sie an, der Nutzer parkt aus und überlässt seinen Parkplatz. Er bekommt noch ein großes „Danke“ geschickt, sein Karmalevel steigt wieder ein bisschen und er fährt los.
Kreuzungs-Nachrichten
Nach einer kurzen Fahrt durch ein Wohngebiet, kommt er an eine Kreuzung an der er eigentlich Vorfahrt hat, er sieht ein Auto von rechts kommen und zögern beim losfahren, unser User blickt auf das Auto und sagt,
„Sie können vor mir rein“. Das System erkennt, durch Eyetracking mit welchem Teilnehmer der User spricht und schickt die Nachricht raus, der andere bedankt sich und fährt weiter.
Auf dem Weg benachrichtigt ihn das Navigationssystem, dass er zwar auf der schnellsten Route unterwegs ist, jedoch intensive Wut auf der Strecke gemessen wurde. Das Navigationssystem bietet eine ca. 10 Minuten längere Strecke an, die stressfrei ist. Er ist allerdings schon etwas spät dran und lehnt ab.
Noch keine 10 Minuten auf der Autobahn, warnt ihn sein Fahrzeug: „Erhöhte Anspannung 500m vor dir gemessen!“ Er sieht die Nachricht zuerst in seinem HUD, blickt dann auf die Straße und sieht kurze Zeit später ein Stauende vor sich
In seinem Navigationssystem ist keine Baustelle oder ähnlich vermerkt, was ist los? Sein Auto registriert, dass er angespannter wird und bietet ihm direkt verschiedene Möglichkeiten an, er wählt das Entspannungspaket und fragt das Auto, „Hey BMW, frag bitte mal die Leute vorne am Stauanfang was da los ist.“ Er sendet eine Gruppennachricht an alle Fahrzeuge in der ersten Reihe raus. Und bekommt prompt eine Antwort. „Hier gab es einen Unfall, die Polizei ist auch gerade gekommen.“ Zusätzlich zu dem Kommentar schickt der Antwortende ein Foto, aufgenommen mit seiner Frontkamera. Zu sehen: Ein Unfall, alle Kennzeichen und Gesichter sind jedoch automatisch verpixelt worden. Unsere Person bedankt sich, da er weiß was vor sich geht, kann er sich entspannen. Nach drei Minuten sieht er, wie alle Autos um ihn herum eine offizielle Warnung der Polizei erhalten: „Leichter Unfall auf der A9, die Autobahn ist noch ca. 15 Minuten gesperrt.“ Ein kleiner Timer beginnt zu laufen und zählt die verbleibende Zeit runter. Nach den versprochenen 15 Minuten geht es dann nun endlich weiter.
Nach weiteren 20 Minuten auf der Autobahn, diese ist inzwischen unbegrenzt, überholt er zwei LKWs auf der linken Spur. Er fährt zwar nicht langsam, jedoch kommt direkt ein neuer BMW M4 hinter ihn und drängelt. Sein Fahrzeug registriert die Situation schneller als er selbst. Und schlägt vor, dem Fahrer eine Nachricht zu schicken, schlägt auch direkt den Inhalt vor: „Ich habe gesehen, dass Sie da sind. Ich werde Sie bei der nächsten Möglichkeit vorbeilassen. Bitte halten Sie mehr Abstand.“ Er bestätigt und die Nachricht wird versendet. Das hat funktioniert, der BMW-Fahrer ist beruhigt und hält den Sicherheitsabstand wieder ein.
Als er sein Ziel erreicht hat, checkt er nochmal sein Karmalevel, endlich mal wieder ein Level aufgestiegen, hat sich doch gelohnt ruhig zu bleiben.
Ich habe mich mit diesem Projekt mit dem Problem der außergewöhnlich hohen Wut im Straßenverkehr auseinandergesetzt und versucht eine Lösung finden, die dafür sorgt, der Wut Luft zu machen oder die Wut gar nicht erst aufkommen lässt. Im Laufe meiner Recherche standen verschiedene mögliche Lösungsansätze im Raum. Unter anderen gab es die Idee, den persönlichen, ungestörten Raum im Fahrzeug als „Wutraum“ zu nutzen, natürlich unter der Promisse, seine Wut nicht am Gaspedal auszulassen, sondern anderweitig abzubauen.
Nach mehreren Gesprächen mit Experten innerhalb von BMW wurde schnell klar, dass das Risiko doch sehr hoch ist, dass die geförderte Wut am Schluss immer in überhöhte Geschwindigkeit endet.
Ich versuchte mich an einem anderen Ansatz und fand die Studie, von Christian Maag, zum Thema mangelnde Kommunikation im Fahrzeug. Der darauf hinweist, das mangelnde Kommunikation ein primärer Treiber für die überdurchschnittlich hohe Wut im Fahrzeug ist. Nach Gesprächen mit Kollegen über dieses Thema, wurde schnell klar, dass hier ein großes Potential verborgen liegt.
Darauf aufbauend entstand dann dieses Konzept. Ich begann damit, mich durch Selbstbeobachtung im Auto auf dem Weg zur Arbeit und zurück genau zu prüfen. In welchen Situationen würde ich gerne mit anderen Fahrern Kontakt aufnehmen? Was würde ich den anderen gerne mitteilen? In welchen Situationen reicht meine Hupe als Kommunikationsmittel, wo würde ich gerne detaillierter kommunizieren? Durch diese erste eigenen Beobachtungen konnte ich recht schnell ein erstes Konzept aufstellen und mir Feedback von anderen einholen, die ebenfalls reflektierten, in welchen Situationen und welcher Art sie gerne so eine Art der Kommunikation benutzen würden.
Ich konnte durch diese Beobachtungen schnell eine große Anzahl an Situationen ausmachen, die ich anschließend in ein möglichst stimmiges System, in Form von Wireframes, umsetzen konnte. Ich hatte dann die Möglichkeit Screens in so genannten „Sitzkisten“ zu testen. Sitzkisten sind ein Interior-Nachbau, in dem nur die erste Sitzreihe vorhanden ist und es ausschließlich um die Screens im Fahrzeug geht, damit man Prototypen besser visualisieren kann. Bei diesen Versuchen wurde klar, dass gerade der FPK- und der HUD-Screen viel weniger Inhalt anzeigen können, als ich es mir ursprünglich vorgestellt hatte. Die Zeit, die Autofahrer haben, um Dinge abzulesen ohne zu stark vom Verkehr abgelenkt zu sein, war zu kurz um die Flut an Informationen richtig zu verarbeiten.
Ich hatte daraufhin Gespräche mit Usabiltyexperten von BMW, die mir mit viel Erfahrung in diesem Gebiet Tipps für die richtige Verteilung und Gewichtung der einzelnen Information geben konnten. So entstand die klare Aufteilung auf die einzelnen Screens.
Anschließend versuchte ich durch ein Ausschlussverfahren aus den gesammelten Situationen eine stimmige User Journey zu entwickeln, die sowohl die wichtigsten Funktionen aufzeigt, aber trotzdem nicht überfrachtet ist und eine gute Geschichte erzählt.
Nachdem ich die Geschichte zuerst auf dem Papier und anschließend in Form von Wireframes erzählt hatte, machte ich mich an die Übersetzung in UI Mockups.
Ich entschied mich dafür, auf Basis des BMW internen ID 7 zu arbeiten, dieses jedoch nur als Einstiegspunkt zu wählen und dann nach meinen Vorstellungen anzupassen – zum Einen, um nicht in der ohnehin sehr knappen Zeit ein komplett funktionierendes eigenständiges System zu entwerfen und um auf der anderen Seite Glaubwürdigkeit zur Umsetzung für mein Projekt zu gewinnen.
Ich habe mich bewusst dazu entschlossen, Elemente aus dem HUD und dem FPK aus dem bestehenden iDrive-System mit einer leichten Transparenz zu versehen, damit meine eigenen Inhalte besser zur Geltung kommen. Im CID entschied ich mich dafür, sehr große Teile umzubauen und bis auf wenige kleine Elemente, mein Design auf ein bestehendes Bedienkonzept zu setzen. Das Design spielt, im Vergleich zum restlichen System, mit vielen runden Elementen die beabsichtigt im Kontrast zum sonstigen Design stehen, um die Emotionalität des Themas stärker zu betonen.
Die Farbwelt spielt mit Blau-, Gelb- und Rottönen, die sich je nach Stimmung des Fahrers ändern und so dem gesamten System eine andere Anmutung geben. Als Schrift habe ich den internen BMW-Schriftschnitt „BMW Group“ gewählt, der auch im restlichen System benutzt wird.