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Tech it Slow - Alltagsrituale für die Rollenwechsel von Frauen durch den Slow Technology Ansatz

Tech it Slow - Alltagsrituale für die Rollenwechsel von Frauen durch den Slow Technology Ansatz

Die technischen Entwicklungen der vergangenen Jahre haben neue Standards in der Gesellschaft gesetzt. Digitale Technologien sind Bestandteile des Alltags, denn sie ermöglichen einen direkten und schnellen Zugriff auf Informationen und vernetzen weltweit. Weil die Vorteile jeden Tag spürbar sind, werden die Nutzungsweisen selten in Frage gestellt, obwohl zunehmender Stress durch z. B. die ständige Erreichbarkeit und eine Flut an Informationen wahrnehmbar ist. Unter dem Begriff ‚Slow Technology‘ wird diskutiert, wie digitale Produkte und Services heute und in der Zukunft zu gestalten sind, um die bestmögliche Unterstützung in der Lebensführung anzubieten, ohne den Menschen aus dem Zentrum zu rücken oder sein Leben vollends zu automatisieren. In dieser Arbeit wird ‚Slow Technology‘ aus verschieden Perspektiven betrachtet, um folgend die Anwendbarkeit auf Themen aus dem täglichen Leben wie das ‚Wechseln zwischen Rollen‘ und den damit verbundenen Anforderungen und Erwartungen zu untersuchen. Mit einer Gruppe Probandinnen wird ein Verständnis für die wechselnden Rollen von Frauen wie z. B. Tochter, Mutter, Freundin oder Kollegin in einer von dynamischen Veränderungen geprägten Umgebung geschaffen. Dies dient als Entwicklungsgrundlage für interaktive Produkte und Services, die sich als slow verstehen und die Nutzerinnen bei den Wechseln ihrer Rollen und den Anforderungen unterstützen.

Abstract English

The technical developments of the past years have set new standards in society. Digital technologies are part of our everyday lifes as they enable a direct and fast access to information and worldwide connections. As the benefits are noticeable every day, the usage of technology is rarely questioned, although the constant availability and the flood of information cause stress.

     The concept called 'slow technology' is used to discuss how digital products and services should be designed, today and in the future, in order to offer people the best possible support for their lifestyle without  completely automating their lives.

     In this work, 'Slow Technology' is viewed from different perspectives in order to subsequently investigate the applicability to topics from everyday life such as 'switching between roles' and the associated requirements and expectations. With a group of female test candidates, an understanding of women switching between roles like daughter, mother, girlfriend or colleague in a dynamically changing environment is created. This serves as the basis for the development of interactive products and services that are slow in their center and support users in changing their roles and the connected requirements.

Slow Technology als Gestaltungsansatz für Technologieentwicklung

Slow Technology dient als Überbegriff für Haltungen und Konzepte, die Technologieentwicklung nicht unter Effizienzund Geschwindigkeits-Aspekten betrachten. Es geht weniger um die Frage was technisch möglich ist, sondern vielmehr darum, wie sinnvoll damit umgegangen werden kann. Wie also Technologie zu entwickeln ist, damit sie die bestmögliche Unterstützung bietet, ohne negative Nachwirkungen zu kreieren. Was damit gemeint ist, wird in der Arbeit durch die Autorin Diane Whitehouse und die Autoren Norberto Patrignano, Lars Hallnäs und Johan Redström sowie von John Fass genauer beschrieben und mit Beispielen gestützt. Diese Auswahl wurde getroffen, da sich die Autorin und die Autoren aus verschiedenen Perspektiven mit dem Thema beschäftigen und grundlegende Aussagen, die bereits vielfach zitiert und aufgefasst wurden, formuliert haben. Whitehouse und Patrignano übertragen die drei Grundsätze ‚gut, sauber und fair‘, bekannt durch andere Slow-Bewegungen, auf die Gestaltung von Informations- und Kommunikationstechnologien. Hallnäs und Redström gelten als die Pioniere von Slow Technology und haben eine philosophische Sicht auf die Gestaltung von Technologie. Fass beschäftigt sich mit verschiedenen Zeitdimensionen und formuliert Gestaltungsprinzipien für langlebige Technologien. Ziel ist es, einen möglichst umfangreichen Blick auf das Thema zu geben, um anschließend Gestaltungsräume für den dritten Teil dieser Arbeit abzuleiten.

Cultural Probes für die Rollenwechsel von Frauen

Die Explorationsmethode ‚Cultural Probes‘ dient dazu, unbewusste Bedürfnisse zu einer bestimmten Thematik herauszufinden und daraus Produkte, Services oder gesellschaftliche Bewegungen abzuleiten. Sie wurde ausgewählt, da sie im Gegensatz zu retrospektiven Methoden wie Umfragen, Interviews oder der reinen Beobachtung, einen explorativen und experimentellen Zugang zu den täglichen Rollenwechseln und den latenten Bedürfnissen der Nutzerinnen bietet. Man erhält Einblicke in die ansonsten eher schwer zugänglichen Alltagssituationen und ein besseres Verständnis für die Kontextbedingungen der Wendepunkte. Die Möglichkeit, so die Lebenswelten der Zielgruppe abzubilden, hat einen positiven Einfluss auf die Designresultate, da eine unreflektierte Festlegung von Kriterien verhindert wird (Reisas, et al., 2011, S. 80). Zudem dient der Erkenntnisgewinn nicht nur den Forscherinnen, sondern auch den Probandinnen, die sich durch die Cultural Probes selbst beobachten, ihre Praktiken reflektieren und für eine Thematik sensibilisiert werden (Thoring, Luippold & Mueller, 2013, S. 7)

Die Forschungsmethode der Cultural Probes bietet für die Wendepunkte von Frauen eine gute Möglichkeit mehr über das unbewusste Wechseln von Rollen über den Tag zu erfahren. Die Frauen sollen eine aktive Rolle in der Erforschung der Thematik bekommen und neben der Dokumentation ihrer Tätigkeiten selbst zum Nachdenken angeregt werden. Dazu haben sechs ausgewählte Probandinnen jeweils einen Beutel mit drei Aufgaben, die sie über einen Zeitraum von 7 Tagen bearbeiten sollten, erhalten.

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Digitale Rituale

Rituale sind ähnlich wie Gewohnheiten sich wiederholende, gleichbleibende Vorgehen nach einer festen Ordnung. Wie bereits beschrieben, geben sie Sicherheit und strukturieren den komplexen Alltag. Oftmals sind sie religiös oder kulturell geprägt und haben sich über viele Jahre entwickelt. Aus anderen Zeiten bis heute übernommen, wurden Rituale allerdings stetig modernisiert und auch individualisiert. Hochzeiten beispielsweise sind nach wie vor bestehende Übergangsrituale. Sie werden inzwischen jedoch verschieden gestaltet und der ursprüngliche Sinn, sich vor Gott zu verbinden, ist häufig zu einer symbolischen Handlung geworden. Rituale entstehen selten ganz neu, sondern sind dazu erhobene Handlungen im Alltag oder persönliche Abwandlungen aus einem anderen Kontext, die an die heutigen Bedürfnisse und Vorstellungen angepasst werden:

„ Jede Ritualisierung greift auf kulturelle Vorbilder zurück oder versucht sich in Abgrenzung zu diesen vorteilhaftere Eigenschaften zu erarbeiten.“ (Jungaberle, Verres, & DuBois, 2006, S. 22)

Die Cultural Probes dokumentieren viele sich wiederholende Alltagshandlungen, die bereits als Rituale wahrgenommen werden oder zu solchen werden könnten. Sie dienen folglich als Anknüpfpunkte für konzeptionelle Ideen. Slow Technology könnte an dieser Stelle Anwendbarkeit fi nden, indem es dabei unterstützt, bestehende Rituale einzuhalten, sie zu verstärken oder sie zu schützen. Zudem könnte der Ansatz helfen, Kausalitäten im täglichen Leben zu ritualisieren, um das Gleichgewicht zwischen dem Erledigen von Aufgaben und bewussten, angenehmen Interaktionen zu verbessern. Ziel ist es, mithilfe von ritualisierten Alltagshandlungen Übergänge zu unterschiedlichen Tagesphasen und den dazugehörigen Rollen zu verbessern und bewusster mit Technologie umzugehen.

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Ein Projekt von

Fachgruppe

Design Master

Art des Projekts

Masterarbeit

Betreuung

foto: Prof. Boris Müller foto: Franziska Morlok foto: Dr. Julia Pahl-Shönbein

Entstehungszeitraum

Wintersemester 2019 / 2020

Keywords

zusätzliches Material