In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
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Esper ist eine Schriftfamilie, die von Fließtext bis Display eine große Bandbreite an Gewichten und Breiten bietet. Gratis Regular-Schnitt im Anhang :)
Nachdem in vorherigen Semestern verschiedene Schriftstile ausprobiert worden waren, von klassizistischer Serifenschrift über Monospace zu Script, sollte in diesem Semester eine Familie entstehen, die für lange Fließtexte geeignet war, besonders digital. Ich entschied mich für eine kontrastarme Sans-Serif, die trotz ihrer notwendigerweise recht rigiden Formen eine subtile Lebendigkeit ausstrahlen sollte. Leichte Merkmale von Handschrift wurden somit eingearbeitet: ein sehr geschwungenes Minuskel-a, dessen abgerundeter Fuß sich auch im Minuskel-l wiederfindet, sowie Versalien, die ebenfalls spielerische Formkontraste zwischen Gerade und Kurve in ihren Skeletten aufweisen.
Die Konstruktion der Buchstaben wollte ich in diesem Semester anders angehen: Wo ich im vorigen Semester zuerst einen Regular-Schnitt gezeichnet hatte, und mithilfe eines späteren Black-Schnittes eine Light extrapoliert und aufgeräumt hatte, wollte ich diesmal etwas strukturierter beginnen. Zuerst entstand das Skelett der Buchstaben, das ich für das wahre Herz einer Schrift halte. Ohne eine solide Formfindung im Skelett kann sicherlich viel über hohe Kontraste und funky Formen getrickst werden, aber als wirklich funktionale Schrift kann es nur mit einem rigoros perfektionierten Skelett funktionieren. Größenverhältnisse und Kurvenformen habe ich daher in einer Hairline festgelegt, die ich aus einer einzigen Mittellinie gezeichnet habe. Für ein freundliches Schrifbild habe ich mich an den Formprinzipien menschlischer Handschrift orientiert, sodass die Grundformen daran orientiert waren, aus welcher Richtung und in welchem Schwung man sie im gebräuchlichen Schreiben auf das Papier bringen würde.
Dank der gezeichneten Hairline konnte sehr einfach an fetteren Gewichten gearbeitet werden. Esper sollte eine Gewichtsachse von 2 bis 200 Units bekommen, ein recht großer Umfang. Zuerst habe ich, basierend auf dem Hairline-Skelett, einen Bold-Schnitt (150) als Master gezeichnet. Aus diesem habe ich mit der Hairline einen Black-Schnitt extrapoliert auf 200 Units, der weiterhin dasselbe Skelett behielt. Als dieser genügend aufgeräumt worden war, konnte ich den Bold-Master wieder aus meinem Setup nehmen.
Die vier anfänglichen Master für Esper: Zuerst wurde die Hairline auf zwei Units gezeichnet. Darauf folgte eine Bold (150), aus der die Black (200) extrapoliert wurde. Später wurde die Black so weit ausgebessert, dass der Master bei 150 wegfallen konnte.
Ein Problem blieb mit nur zwei Mastern noch: Der Verlauf des Gewichts konnte nicht proportional zum Kontrast verlaufen. Der Kontrast sollte erst ab einem bestimmten Gewicht (40) anfangen, so musste ich einen dritten Master in mein Master-Gespann bauen, der wie die Hairline keinen Kontrast enthielt und so eine saubere Interpolation der leichteren Gewichte ermöglichte.
Die finale Konstruktion der Gewichtsachse bestand aus drei Mastern: Hairline (2) und Black (200), um die Gewichtsbandbreite festzulegen. Hinzu kam Light (40), um Kontrast steuern zu können.
Esper sollte für mich in erster Linie ein Experiment sein, um so viel wie möglich über Schrifttechnologie, Fließtextoptimierung und Zeichensysteme zu lernen. So war es ein logischer Schritt, Esper um einen kyrillischen Zeichensatz zu erweitern. Es war das erste Mal, dass ich mich mit Non-Latin beschäftigt habe. Um ein einheitliches Formgefühl zu erreichen, wurden bestimmte Merkmale, wie die leicht spielerischen Terminals oder eigenwillige Versalien, auch im Kyrillischen beibehalten.
Dank der äußerst einfachen Handhabung von Glyphs war das regelmäßige Neu-Interpolieren von Gewichten und Kontrastzwischenmastern kein Problem. Um es noch weiter auszureizen, entschied ich mich, Esper um eine Breitenachse zu erweitern und eine Condensed zu bauen. Da man unmöglich einfach die bestehenden Master zusammenstauchen kann ohne die Kontraste gänzlich zu verhauen, greift man auf anisotropische Interpolation zurück: für eine Condensed wird aus den bestehenden Mastern ein weiterer Master nur entlang der y-Achse interpoliert, sodass (gedacht) im ersten ein Schritt Master entsteht, der solch eine Verzerrung der Kontraste hat, dass beim Zusammenstauchen die Kontraste wieder stimmen. So konnte ich sehr schnell eine synthetische Condensed für alle drei Master erstellen und mein Master-Gespann um eine Dimension erweitern. Ein immens hilfreiches Werkzeug waren dabei die Remix-Tools von Tim Ahrens.
Das reicht natürlich bei weitem nicht aus, sondern bietet lediglich eine grobe Orientierung für die Metriken und Formen. Um ein ähnliches Schwarz in der Condensed wie auch in der Normal zu erhalten, habe ich die Stem Weights der Black entsprechend verringert. Nach der Generierung der synthetischen Condensed war viel Arbeit notwendig, um alle möglichen Extrapolationsfehler zu beheben.
Neben der Gewichtsachse von 2 bis 200 Units hatte ich nun eine Breitenachse, mit einer Condensed von 70% der Normalbreite. Mein Master-Gespann war somit zweidimensional und umfasste sechs Master (drei Master aus der Gewichtsachse mal zwei Master für die Breite), die alle weiterhin kompatibel bleiben sollten.
Mit einer Condensed war es aber nicht genug, mit ein bisschen Interpolation lässt sich aus Großbuchstaben recht schnell ein Satz synthetischer Kapitälchen generieren. Da diese oft etwas breiter sind im Verhältnis zu ihrer Höhe als die Großbuchstaben, wird auch hier auf anisotropische Interpolation zurückgegriffen. In meinem Beispiel haben die Kapitälchen 80% der y-Höhe (y-scale, Kapitälchen- geteilt durch Versalien-Höhe) und 85% der x-Breite (x-scale, Kapitälchen- geteilt durch Versalien-Breite ). Nun werden die Versalien entlang der x- und y-Achse unproportional interpoliert: x-interpolate 100/x-scale × vertical Stem-Weight, y-interpolate 100/y-scale × horizontal Stem Weight.
Voilà, ein Satz synthetischer Kapitälchen. Diese sind lediglich ein Anfang, von dem ausgehend man Rhythmus, Konstruktion und Form händisch zurechtschraubt.
Da Esper nicht nur im Englischen funktionieren sollte, waren allerhand Akzente notwendig, um für einen weiteren Umfang Latin-basierter Sprachen die notwendigen Zeichen bereitstellen zu können. Dank Anchors, die einmal pro Buchstabe eingerichtet werden, können sehr leicht alle Akzentbuchstaben generiert werden, sofern die Akzente und Anchors in allen Komponenten stimmen. Dies geschieht nicht nur für Groß- und Kleinbuchstaben, sondern auch für die Kapitälchen. Esper wuchs über Nacht um gute 300 Glyphen.
Keine Schrift kommt ganz ohne Zahlen aus, auch wenn sich die Römer früher mit Buchstaben zu helfen wussten – nur war das fast so kompliziert zu zählen wie die Franzosen es bis heute tun. Unsere heutigen Ziffern kommen aus dem Arabischen, weshalb die Konstruktion und die Kontraste stark gegen die klassischen Lateinischen gehen. Die Horizontalen werden plötzlich dick, Vertikalen dünn, wie es gerade passt. Zahlen sind daher besonders lästig, gerade, wenn man sich wochenlang nur mit klassischen Kontrasten herumschlägt. Die Zahlen waren somit eine der letzten Additionen im Character Set, kommen aber dennoch in dreifacher Ausführung sowie natürlich in allen Gewichten und Breiten.
Bis in die spätesten Stadien von Esper wurden noch teilweise drastische Änderungen vorgenommen, die Dank der vollständigen Master-Kompatibilität kein Problem waren. Ganz besonders die Interpolation der Condensed-Schnitte erfuhr einige Revisionen, um Kontraste auszubessern. In einem früheren Stadium hatten die interpolierten Zwischengewichte etwas zu viel Kontrast, weswegen ein neuer Master für die Black Compressed interpoliert wurde (in der Darstellung rosa).
Mit den neu interpolierten Mastern für bessere Kontraste in der Compressed war Esper eine recht umfangreiche Familie, bestehend aus 76 Schnitten: 44 Hairline-Fonts (11 Gewichte, 4 Breiten) sowie 28 normaleren Fonts (7 Gewichte, 4 Breiten). Mit mehr als 200 unterstützten Sprachen in lateinischen und kyrillischen Scripten eignet sich Esper für Anwendungen mit einem einheitlichen Schriftbild für beide Scripte.
Esper wurde pünktlich zur Werkschau 2019 im Rahmen der Schriftgestaltungs-Kurse der vergangenen Semester ausgestellt.