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Embryonale Stammzellenforschung

Visualisierung der Debatte zum Thema Embryonale Stammzellenforschung. Politikvisualisierung bei Prof. Boris Müller im Wintersemester 2009/10.

Einleitung

Steht im Bundestag eine wichtige Entscheidung an, wie zum Beispiel die Änderung eines Gesetzes, beziehen die Abgeordneten dazu eine Position. Naturgemäß haben nicht alle die selbe Meinung, was zu teils hitzigen Debatten im Hause führt. Hier ergeben sich klassische Rededuelle, die häufig zwischen Regierung und Opposition oder den verschiedenen Bundestagsfraktionen ausgetragen werden.

Jede dieser Debatten wird stenographisch bis ins Detail protokolliert und archiviert, was je nach Länge und Komplexität der Sitzung zu unübersichtlichen Textbergen führt. Für den politisch interessierten Bürger, der mehr über die Argumente der Fraktionen erfahren will, könnte dieser ungefilterte Textfluss eine Barriere darstellen, die nur mit einer gewissenhaften Aufbereitung genommen werden kann.

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Kontext

Wir haben ein Modell entwickelt, mittels dessen sich die Debattenprotokolle in eine leicht verständliche Form gießen lassen. Das demonstrieren wir exemplarisch anhand einer Debatte zur Änderung des Stammzellgesetzes aus dem Jahr 2008, die besonders wortreich und leidenschaftlich geführt wurde. Die besondere Brisanz des Themas führte zur Aufhebung des sog. Fraktionszwangs, weshalb sich Mitglieder unterschiedlicher Parteien zu themenabhängigen Interessensgruppen zusammenschließen konnten. Es ergaben sich vier fraktionsübergreifende Lager, die vier verschiedene Vorschläge zur Veränderung des bestehenden Gesetzes machten.

Daten

Aus dem vielseitigen Protokoll der Debatte geht hervor, dass aus Zeitgründen nur 33 der insgesamt 44 angemeldeten Reden gehalten werden konnten. Sie bilden die Grundlage für unser Modell. Wir haben die Reden zunächst gegliedert:

  1. Die offensichtlichste Maßnahme war zunächst die Unterscheidung zwischen eigentlichem Redetext und den Zwischenrufen aus dem Publikum sowie Applaus oder Buh-Rufen.

  2. Die Redner selbst neigen mehr oder weniger stark dazu, ihre Argumente mit Füllsätzen zu umgeben. Diese gilt es zu erkennen und zu herauszufiltern, was die Textmenge schon erheblich kleiner macht.

  3. Die übriggebliebenen Argumente lassen unterschiedliche Motivationen erkennen. So ergeben sich Gruppen von gemeinhin bekannten Fakten, wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen, religiös motivierten oder ethischen Bedenken.

  4. Weiterhin beziehen sich im Verlauf der Debatte mehr und mehr Redner auf ihre Vorgänger und vermitteln ihre Zustimmung oder Ablehnung von bereits Gesagtem.

Anschließend haben wir die Redner anhand von Unterschriftenlisten jeweils einem der vier Lager zugeordnet. Die Argumente haben wir in langen Listen gesammelt und auf ihre Häufigkeit und Herkunft überprüft. Hier wird deutlich, dass jedes der vier Lager seinen Standpunkt mit wenigen Hauptargumenten begründet, die seine jeweilige Anhänger zusammenschweißt, während viele der einmalig genannten Argumente auf eine individuelle, abgestufte Radikalität der Abgeordneten hindeuten.

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Modell

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1. Informationen zum Stammzellgesetz & Vier Änderungsvorschläge

Ausgehend vom bestehenden Gesetz von 2002 sind die vier Lager mit einer kurzen Beschreibung halbkreisförmig um den Kern angeordnet. Diese Form drängt sich auf, weil zwei der Lager (hier A und D) vollkommen unvereinbare Positionen in dieser Debatte beziehen, während die anderen beiden mit ähnlichen Interessen zwischen diesen beiden Polen stehen. So teilt sich Lager A einige Argumente mit Lager B. Lager B wiederum hat ähnliche Argumente wie Lager A, aber auch eine kleine Schnittmenge mit Lager C. Lager C argumentiert nun teilweise wie Lager B, aber auch ähnlich wie Lager D. Einfacher gesagt: Es gibt einen argumentativen Verlauf von Lager A zu Lager D, der eine klare Verwandschaft aufzeigt. Um diesen wenig aussagekräftigen Benennungen etwas mehr Charakter zu geben, haben wir uns für (teils überspitzte) Kosenamen entschieden: So gibt es die Kompromisssuchenden, die Progressiven, die Moralisten sowie die Bewahrer des Status Quo.

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2. Zuordnung der Fraktionszugehörigkeit

Der darauf folgende Halbkreis schlüsselt die vier Lager in die fraktionsweise Herkunft ihrer Unterstützer auf. Teilnehmende Fraktionen waren die CDU/CSU, die SPD, die FDP, die Grünen, Die Linke sowie einige versprengte Fraktionslose. Diese Verteilung war in den Protokollen nur schwer zu erkennen.

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3. Zuordnung zu den vier Änderungsentwürfen der genannten Hauptargumenten

Wir haben dann die am häufigsten genannten Argumente entlang des nächsten Kreises aufgetragen. Die Position der Argumente wird nach Häufigkeit bestimmt: Oft genannte Hauptargumente stehen weiter außen, wo sie mehr Raum beanspruchen, während seltener genannte Hauptargumente weiter innen stehen. Viele lassen sich eindeutig einem der vier Lager zuordnen, während andere auch von einem der verwandten Lager genannt werden.

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4. Abstimmunggsergebnisse – Unterteilung in Zustimmung / Ablehnung

Als zusätzliche Information sind im äußersten Ring die Abstimmungsergebnisse nach der Debatte zu sehen. Der Entwurf von Lager A hat mit 346 Ja-Stimmen die größte Zustimmung erhalten.

Weitere Elemente

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Polarisationsmodell

Dieses zusätzliche Element verdeutlicht die Verwandschaftsbeziehung zwischen den Lagern sowie ihre Abweichung vom bestehenden Gesetz.

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Rednerzugehörigkeit

Ein weiteres Element zeigt die jeweilige Fraktion der 33 Redner sowie das Lager, dem sie sich angeschlossen haben, auf.

Umsetzung

Denkbar sind, je nach Ressourcen, verschiedene Umsetzungen des Modells. Jede davon soll dem Betrachter die Möglichkeit bieten, von einer minderkomplexen Darstellung der Lager und ihrer Hauptargumente tiefer in die Details zu gehen.

Ein Konzept für eine dreidimensionale, begehbare Ausstellung sieht vor, das Halbkreismodell auf dem Fußboden anzubringen und um 33 Säulen zu erweitern, auf denen sich die einzelnen Reden nachlesen lassen. Möglich wären aber auch ein Bildband mit den „Highlights des Parlamentarismus“ oder eine Online-Anwendung.

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Ein Projekt von

Fachgruppe

Interfacedesign

Art des Projekts

Studienarbeit im zweiten Studienabschnitt

Betreuung

foto: Prof. Boris Müller

Entstehungszeitraum

WiSe 09 / 10 – SoSe 10

zusätzliches Material