In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre
Entwicklung einer interaktiven Datenvisualisierung zur Auswertung bestehender Therapieverfahren anhand von Patient Reported Outcomes.
Die wirksamste Art und Weise Ergebnisqualität im Gesundheitswesen zu messen, ist mit Hilfe so genannter Patient Reported Outcomes. Hier berichtet der Patient, ohne Einfluss durch den Arzt, über seinen Gesundheitszustand und Lebensqualität vor, nach und während einer Therapie.
Die von mir 2014 mitgegründete Firma heartbeat hat eine Software entwickelt, mit der sich Patient Reported Outcomes im klinischem Alltag digital erheben lassen und so Genesungsverläufe langfristig, nachvollzogen werden können.
Meine Bachelorarbeit beschäftigt sich nun mit der Frage, wie diese Daten nicht nur zur Auswertung einzelner Verläufe, sondern auch zur Analyse ganzer Therapieansätze im Allgemeinen genutzt werden können.
Entstanden ist eine interaktive Daten-Visualisierung zur schnellen Identifikation von Trends innerhalb der eigenen Patentenpopulation einer Krankenhausabteilung, sowie der Möglichkeit unterschiedliche Therapiemodelle miteinander zu vergleichen und auszuwerten.
Durch die bestehende Partnerschaft mit der Brustzentrum der Charité konnte ein Datensatz mit rund 200 Patienten für die Entwicklung und Evaluation des Prototypes genutzt werden.
Auszüge aus der Arbeit
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In dwelling upon the vital importance of sound observation, it must never
be lost sight of what observation is for. It is not for the sake of piling up
miscellaneous information or curious facts, but for the sake of saving life
and increasing health and comfort.
- Florence Nightingale, 1860
Zwischen 1975 und 2005 gab es in Deutschland fünfzehn Gesundheitsreformen. Das sind alle zwei Jahre eine. Alle mit dem Ziel der wachsenden Ausgaben Herr zu werden und Kosten zu senken.
Besonders die letzte große Reform 2003 und die Einführung der so genannten DRGs (Diagnostic releated Groups) hat zu einem massiven Kostendruck auf Seiten der Ärzte und Krankenhäuser geführt. […]
Nicht mehr der kranke Mensch steht im Mittelpunkt ärztlichen und pflegerischen Handels, sondern die Anzahl und der Fallwert seiner Diagnosen und der ärztlichen Eingriffe.
- Günther Jonitz, Präsident der Ärztekammer Berlin
Steigenden Kosten, sowie eine durchwachsene Qualität des Gesundheitswesens sind Probleme die nicht nur Deutschland kennt. Diese Symptome sind ein weltweites Phänomen und lassen sich auf Systeme zurückführen, welche die Menge an Leistungen anstatt den echten Wert, nämlich gesunde Patienten, belohnt. Durch ökonomische Fehlanreize werden Ärzte und Krankenhäuser dazu angehalten, mehr und mehr zu behandeln, ohne dabei auf das Patientenwohl zu achten. […]
Es stell sich also die Frage: Was ist „Leistung“?
Ist es das, was der Arzt macht?
Oder das, was beim Patienten ankommt?
- Günther Dr. med Jonitz, Von Kosten zu Werten
Das Konzept Value-based Healthcare wie von Michal E. Porter in Redefining Healthcare beschrieben, setzt genau hier an. Laut Porter kann das oberste Ziel jedes Gesundheitssystem nur sein, den Nutzen für Patienten zu maximieren. Den Patientennutzen, oder auch Patient Value definiert er dabei als das Behandlungsergebnis für jeden einzelnen Patienten in Relation zu den entstandenen Kosten.
[…]
Das Value-based Healthcare Konzept ist dabei längst mehr als eine bloße Idee. Weltweit finden zahlreiche Schritte zur Implementierung statt. So hatte 2015 die US-Regierung noch unter Präsident Obama verkündet, dass bis 2018 90% der staatlichen Medicare payments an Qualität oder Patientennutzen geknüpft sein werden.
[…] Patient Reported Outcomes, auch PROs genannt, sind Behandlungsergebnisse, die vom Patienten selbst berichtet werden. Anders als Clinical Reported Outcomes, welche vom Arzt erfasst werden, geben sie das direkte Patientenerleben wieder. Denn…
… [u]m medizinische Behandlungsergebnisse sinnvoll bewerten zu können, muss die Qualitätsmessung neben der Fachperspektive aus Expertensicht auch die Perspektive der Patienten und deren Behandlungsziele umfassen.
- R. Homm, Patient-reported Outcomes (PROs) bei Hüft- und Kniegelenkersatz, in: Qualitätsmonitor, Berlin 2017
[…]
Richtig eingesetzt lassen sich mit PROs nicht nur Therapien retrospektiv evaluieren, sondern können dem behandelndem Arzt schon vor und während der Behandlung ein besseres und umfassenderes Bild des Patienten geben und so die Qualität der Behandlung allgemein erhöhen.
Mit diesem Hintergrund haben Yannik Schreckenberger, Yunus Uyargil, Sebastian Tilch und ich 2014 das Startup heartbeat gegründet. Entstanden ist eine iPad App, mit der Patienten bereits im Wartezimmer digital zu Patient Reported Outcomes befragt werden können, sowie eine webbasierte Software für die behandelnden Ärzte mit der die Ergebnisse sofort einsehbar sind. Außerdem können mit der Software automatische Follow-ups gestartet werden, die in regelmäßigen Abständen den Patienten digitale Fragebögen nach Hause senden. So erhalten Ärzte mit heartbeat bereits heute Informationen zu den langfristigen Outcomes ihrer Patienten. Mittlerweile setzten namenhafte Häuser wie die Berliner Charité, das Universitätsspital in Basel und private Klinikketten wie die Helios Kliniken und die Sana Kliniken heartbeat ein, um PROs zu erfassen. […]
Ziel dieser Bachelorarbeit ist es daher in Kooperation mit heartbeat und dem Brustzentrum der Charité, die erfassten Patient Reported Outcomes zu einzelnen Therapieverfahren für Ärzte sichtbar zu machen. Ziel dieser Bachelorarbeit ist es in Kooperation mit heartbeat und dem Brustzentrum der Charité, die erfassten Patient Reported Outcomes zu einzelnen Therapieverfahren für Ärzte sichtbar zu machen.
Patient Reported Outcomes gehören zu dem Bereich der Längsschnitt Studien. Hier werden wiederkehrende Messungen benutzt um einzelne Personen über lange Zeiträume nachzuverfolgen. Als Parameter haben wir zum einen den berechneten Scorewert des Patient Reported Outcomes, sowie deren Zeitpunkte der Erfassung. In unserem Falle 4 Zeitpunkte. Einen zur Baseline, vor Therapiebeginn und drei danach. Eine große Herausforderung ist vor allem die große Anzahl der insgesamt 23 PRO-Skalen in einer einzigen Übersicht darzustellen. [...]
Wie bereits eingehend erwähnt ist neben einer schnellen Übersicht zur allgemeinen Entwicklung aller Patienten die Identifikation von Best-Practice Verfahren eine wichtige Anforderung.
Hierfür müssen Skalen zu unterschiedlichen Therapie-Formen miteinander verglichen werden können. Ich habe hierfür Beispielhaft den klinisch dokumentierten Parameter Operations-Art gewählt. […]
Einzelne Parameter auswerten und miteinander vergleichen zu können ist bereits ein großer Mehrwert und kann dazu beitragen die Diskussionen über Maßnahmen und Techniken anzuregen.
Jedoch ist Beschränkung auf einen Parameter, eine Therapie, auch stark vereinfacht. Gerade in der Onkologie besteht eine Behandlung oftmals aus vielen unterschiedlichen Therapien und wechselnder Abfolge. Gerade diese Wechselwirkungen sind jedoch von großer Bedeutung. Und schauen wir noch einmal auf das Ziel und die Definition Value-based Healthcare, so ist es die Summe aller Maßnahmen, die Nutzen schafft, nicht die Einzeldisziplin oder Einzelleistung
Ein einfacher Parametervergleich der Ergebnisse berücksichtig jedoch weder unterschiedliche Therapiekombinationen noch deren zeitliche Abfolge. Hierfür wird eine weitere Form der Darstellung benötig um Skalen-Verläufe im Detail sichtbar zu machen. [...]
Medicine is a science of uncertainty and an art of probability.
- Sir William Osler
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Die Visualisierung von Patient Reported Outcomes hilft bestehende Therapie-Verfahren und deren Auswirkungen besser zu evaluieren und kann als Auslöser für tiefergreifende Untersuchungen und Studien dienen. Vor allem der leichte Zugang zu komplexen Daten und das sofortige Sichtbarmachen des langfristigen Patientennutzen im klinischen Alltag sehe ich als essentiellen Baustein auf dem Wege zu einem Gesundheitssystem nach dem Value-based Healthcare Prinzip. Denn wenn der Patientennutzen im Vordergrund stehen soll, muss dieser leicht zugänglich und klar für alle Beteiligten sichtbar sein.
Der von mir entwickelte Ansatz für eine interaktive Datenvisualisierung bietet dabei eine Übersicht zu Behandlungsverläufen und ermöglicht es Ärzten erstmals die individuellen Outcomes verschiedener Therapie-Kombinationen auch in Hinblick auf die zeitlichen Verläufe zu analysieren. Obwohl diese Darstellung für Ärzte ungewohnt ist und es in der Regel einige Zeit braucht, bis diese sich an solche neuen Formen der Darstellung gewöhnen, konnte ich in einer ersten Evaluation bereits erfahren, dass es „medizinisch kompatibel“ sei und „spannende Einblicke ermögliche“.
Bei aller Euphorie die ich selbst für solche Datenvisualisierungen hege, darf man jedoch niemals vergessen, dass diese nur eine zweidimensionale Abbildung einer viel tiefschichtigeren Realität sein können. Individuelle Krankengeschichten sind zu komplex, als dass man sicher alles in Form von Datenpunkten erfassen könne. Und eine visuelle wie auch rein statistische Datenanalyse anhand von Aggregationen und Durchschnitten kann zu neuen Erkenntnissen führen, jedoch verweist schon Tukey darauf, dass wir uns immer bewusst darüber sein müssen, dass wir nur sehen „was die Daten zu sagen scheinen“, aber niemals sicher sein können „was die Daten sagen“.
Ich denke daher, dass neue Formen der Daten-Visualisierung von der Medizin unbedingt genutzt werden sollten, um ein umfassenderes und tieferes Verständnis von Behandlungen, deren Auswirkungen und dem letztendlichen Patientennutzen zu erlangen.
Jedoch dürfen behandelnden Ärzte nicht nur anhand dieser Zahlen und Studienergebnissen Krankheiten heilen, sondern sollten niemals vergessen, sich vor allem als Mensch auf den Patienten einzulassen.