Incom ist die Kommunikations-Plattform der Fachhochschule Potsdam

In seiner Funktionalität auf die Lehre in gestalterischen Studiengängen zugeschnitten... Schnittstelle für die moderne Lehre

Incom ist die Kommunikations-Plattform der Fachhochschule Potsdam mehr erfahren

Märkte

Märkte existieren, seitdem Menschen Handel betreiben und stellen die älteste Form eines Handelsplatzes dar. Noch immer sind sie Begriff, für reale oder virtuelle Warenumschlagplätze und bilden den Ursprung der Städte. Märkte, die in ihrer Bezeichnung auf eine bestimmte Bedeutung wie dem Holz-, Fisch- oder Kräutermarkt hinweisen, lassen erahnen, dass diese Märkte in ihrer singulären Ausprägung einer vergangenen Zeit angehören. Zudem haben sie ihre Funktion als unverzichtbare (sic!) Versorgungseinheit neben Supermarktketten und Shopping-Malls längst verloren. Trotzdem erfreuen sich Märkte selbst in Städten mit gute infrastruktureller Versorgungslage noch immer großer Beliebtheit. 01

1. Einleitung

Motivation der Arbeit

Zu vorliegender Arbeit inspirierten mich insbesondere Märkte, welche ich bisher auf Reisen kennengelernt erlebt habe. Z.B. während meines Auslandssemesters in Israel: Der „Mahane Yehuda Market“, welcher als der größte Markt Israels bekannt ist, und einen zentralen Ort des alltäglichen Lebens darstellt.02 Ich ging dort regelmäßig für den täglichen Bedarf einkaufen und traf bekannte Gesichter aus der Universität oder der Nachbarschaft. Obwohl ich diesen Markt mehrmals die Woche besuchte, war es jedes Mal ein besonderes Erlebnis: Die arabischen Marktschreier, die jüdischen Einkäufer, Studenten, Touristen, alte und junge Menschen... auf dem „Shouk“ begegnet man „Gott und die Welt.“ Wenn auch die multikulturelle Vielfalt der Berliner Märkte nicht der in Jerusalem gleicht, bin ich auch hier eine regelmäßige Marktgängerin.

Zentrale Fragestellung & Ziel dieser Arbeit

These: Während meiner persönlichen Erfahrungen stellte ich fest, dass ein Markt einen wichtigen Beitrag für den öffentlichen Raum darstellt und positiv zum gesellschaftlichen Gemeinwohl beiträgt. Ziel dieser Arbeit ist es, auf die gesellschaftliche Funktionen und Bedeutung eines Marktes für den öffentlichen Raum aufmerksam zu machen. Was macht den Markt für die Besucher neben seiner Ware attraktiv? Worin besteht sein gesellschaftlicher Mehrwert und was könnte diesen darstellen? Wie kann ich dies gestalterisch hervorheben und gibt es bereits Besonderheiten in der Gestaltung, welche den gesellschaftlichen Aspekt unterstützen?

Begriffserklärung

Allgemein sind Märkte traditionelle Formen des Warenaustausches und sind in nahezu jedem Kulturkreis zu finden. Funktion und Bedeutung schwanken stark in den verschiedenen Gesellschafts- und Wirtschaftssystemen, da der allgemeine Entwicklungsstand eines Landes darauf großen Einfluss hat.03

Da die Bedeutung des Begriffs Markt bei jeder Ausprägung etwas variiert, werde ich diesen anhand meiner eigenen Gesichtspunkte definieren, auf welche ich mich in meiner Arbeit beziehen werde: Ein Markt ist eine zeitlich begrenzte und wiederkehrende Veranstaltung, bei der Menschen mit dem Ziel mit Waren zu handeln, an einen bestimmten Platz oder Gebäude zusammen kommen. Er findet in regelmäßigen Abständen zu einem festgelegtem Zeitpunkt statt. Dort versammeln sich eine Vielzahl an Händlern, welche ihr unterschiedliches Warenangebot feilbieten. Die Waren werden dort in Verkaufsbuden oder einer anderen Art des Verkaufsstandes, z.B. mobiler Verkaufswagen, angeboten. Der temporäre Aufbau eines Marktes verleiht ihm einen provisorischen Charakter. Eine Marktveranstaltung verfügt über eine Art räumliche Szenografie und einen inhaltlichen Aufbau seines Grundrisses.

Eingrenzung des Themas

Der theoretische Unterbau und der Teil der Untersuchung dieser Arbeit richtet sich an Märkte im allgemeinen, wobei ich anfangs Märkte in Europa mit in Betracht ziehe, mich aber in der detaillierten Analyse auf den Raum Berlin fokussiere. Bis auf eine Ausnahme, konzentriere ich mich in dieser Arbeit auf das Format des Wochenmarktes. Räumlich beschränkt sich diese Arbeit auf Berlin. Im Kapitel der detaillierten Untersuchung fokussiere ich mich auf zwei konkrete Märkte Berlins, wo sich hingegen die praktischen Arbeit auf einen Markt bezieht. Desweiteren beziehe ich mich in meiner Arbeit insbesondere auf die soziologischen Aspekte eines Marktes bzw. des öffentlichen Raumes. Märkte sind auf eine lange historische Geschichte zurückzuführen, welche ich in dieser Arbeit aber ausgrenze.

Vorgehensweise & Aufbau

Diese Arbeit ist in drei Kapitel unterteilt. Neben ausgewählter Literatur stütze ich mich in meiner Arbeit sowohl auf von mir erstellte Interviews mit Marktveranstaltern und Besuchern als auch meinen eigenen Erfahrungsberichten und Erkenntnissen. Im ersten Teil der Arbeit werden die verschiedenen Facetten des Themas beleuchtet und stellen die theoretische Herleitung der Arbeit dar. Dem theoretischen Teil folgt das Kapitel der Untersuchung. Hier werden Märkte in Europa und Berlin auf gestalterische und gesellschaftsbildende Attribute hin analysiert. Im zweiten Teil der Analyse werde ich auf zwei Märkte detailliert eingehen. Meine praktische Arbeit bezieht sich dann auf beide dieser Analyse-Märkte.

2. Theorie

Der Markt im urbanen Raum

Der Markt als Heterotopie

Der foucaulsche Begriff Heterotopie beschreibt einen parallelen, in die wirkliche Welt eingefügten Ort und gleichzeitig realisierte Utopie. Er spiegelt den realen Ort und seine Gesellschaft wider und ist somit eine symbolische Abbildung der Gesellschaft.04

Durch die zeitliche Begrenzung wird der Markt zu einem besonderen Anziehungspunkt und macht es möglich viele Besucher zur gleichen Zeit am gleichen Ort zusammen zu bringen.05 „Die Heteretopie vermag an einen einzigen Ort mehrere Räume, mehrere Platzierungen zusammenzulegen, die an sich unvereinbar sind“. 06 Durch das konzentrierte Angebot entsteht eine Stadt in der Stadt, welche aber nicht an die verschiedenen Bedingungen und diversen Funktionen des ihn umgebenden Raums geknüpft sind. Denn der reale, alltägliche Raum muss für seine Bewohner diverse Funktionen erfüllen: „schließlich darin, dass sie gegenüber dem verbleibenden Raum eine Funktion haben.“ 07 So ist der Markt auch so etwas wie Kompensation zum gewöhnlichen Leben.08 Es wird dabei ein Bedürfnis nach einer heilen Welt und eine Sehnsucht nach einer vergangenen Zeit kompensiert.

Durch das schnelle Auf- und wieder Abbauen auf den sonst freistehenden Flächen, entsteht das Gefühl einer aus dem Nichts auftauchenden, temporären Erscheinung.09 „Die Heteretopien setzen immer ein System von Öffnungen und Schließungen voraus, das sie gleichzeitig isoliert und durchdringlich macht.“10 Bei einem Markt wird durch die Vielzahl der aneinandergereihten Verkaufsstände eine Distanz zum umliegenden Raum erzeugt. Durch die geplanten Lücken zwischen den Ständen, welche als Eingänge dienen, wird ein Übergang zwischen dem Inneren des Marktes und dem umliegenden Raum möglich gemacht.

Die Entstehung und Entwicklung des Marktes

Bevor sich aus Märkten feste Läden etablierten, stellte der Markt bis Mitte des 20. Jahrhunderts eine zentrale Institution der Lebensmittelversorgung dar. Die maßgebenden Theorien zur Entstehung von Märkten beziehen sich auf das Konzept der „Mindest- und Höchstreichweiten von Gütern“ des Geografen Walter Christaller. Dies besagt: In Gegenden mit geringer Kaufkraft ist es für einen Anbieter mit einem festem Standort nicht möglich, den erforderlichen Umsatz zu erzielen. So ist es für den Anbieter notwendig, sein Gebiet zu erweitern. Dies macht er in dem er „umherwandert“ und seine Ware regelmäßig an unterschiedlicher Orten, in Wochenmärkten oder ähnlichem, feilbietet. Man sah den Markt lange als etwas an, das als „Übergangsphase autarker Selbstversorgung“ funktioniert. So wurde das Vorhandensein temporärer Märkte vor allem traditionellen und bäuerlichen Bevölkerungsgruppen zugeordnet.

Der Mangel an lokalem Einzelhandel wird somit mit einer geringen Kaufkraft, mangelnder Verkehrsinfrastruktur und geringer Bevölkerungsdichte begründet. Folglich ging man davon aus, dass durch eine ansteigende Wirtschaftlichkeit die temporären Märkte verschwinden und durch den Einzelhandel ersetzt werden.
Statistiken widerlegen jedoch diese Theorie: Man kann erkennen, dass in einem wirtschaftlich starken Land wie Deutschland die Anzahl der Wochenmärkte stark angestiegen ist. Hinzu kommt, dass sich Märkte besonders in Gegenden mit einer erhöhten Bevölkerungsdichte und überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen häufen.
Das heißt also, dass durch ansteigende Wirtschaftlichkeit Wochenmärkte, sowie jegliche Art von temporären Märkten alles andere als verschwinden. Entgegen Christallers Theorie sprechen für einen Wochenmarkt somit nicht nur die wirtschaftlichen und räumlichen Gründe. Durch das Widerlegen von Christallers Theorie, muss es folglich neben der Wirtschaftlichkeit noch weitere Gründe geben, die für einen Wochenmarkt sprechen.11

Die Stadt lebt!

„Seit es Städte gibt, sehen Menschen in ihnen mehr als nur Orte, an denen sie behütet wohnen und sicher einem Gewerbe nachgehen können. Sie sehen mehr als nur Fassaden und Silhouetten, denn in dem, was einige das größte Artefakt des Menschen nennen, bewahrt sich stets eine petrifizierte Form von Welterfahrung“12

Noch vor ca. 16 Jahren sprachen Wissenschaftler von einem Aussterben des lebendigen öffentlichen Raums. Durch das Ende der Industrialisierung und dem Beginn des digitalen Zeitalters glaubte man, der Mensch bevorzuge das traute Heim und vereinsame vor dem Computer. In paradoxer Weise ist es gerade die moderne Technik und die Digitalisierung, welche die Menschen zurück auf die öffentlichen Straßen bringt. 13 Wenn man nur die Stadtteile, welche voll mit leblosen Shoppping-Malls und gigantischen Supermarktketten betrachtet, wird man dem wohl kaum Glauben schenken können. Während seit 2008 immer mehr Menschen in Deutschland in Städten leben als auf dem Land, gewinnt die Stadt als Freiraum wieder an Bedeutung und mit ihr ein wachsendes Interesse an öffentlichen Räumen: 14 „(...) je stärker das zugreifen beginnt, das wir Digitalmoderne nennen, desto mehr scheint das Verlangen nach Stadt, nach ihrer Intensität und Dichte zu wachsen. Urbanität klingt nun im 21. Jahrhundert nach etwas Begehrenswertem“.15 Durch die Sozialen Netzwerke wie Twitter oder Facebook bilden sich die Menschen in der virtuellen Welt zu Gemeinschaften, um sich in der realen zu begegnen und etwas zu bewegen.16 Die Aktivitäten erstrecken sich von „Guerilla Knitting“, bei dem Straßenlaternen oder Brückengeländer bestrickt werden, „Urban Gardening“, dem Bepflanzen des öffentlichen Bodens oder dem sogenannten „Chair Bombing“, welches das Platzieren von selbstgebauten Möbeln im öffentlichen Raum beinhaltet. „Der öffentliche Raum wird als gesellschaftlicher Raum verstanden, der allen gehört und der sich jeder aneignen und gestalten darf.“ 17 In einer von der Digitalität bestimmten Welt , scheint es so, als verspüre manch einer eine Sehnsucht nach etwas Realem, etwas Greifbarem. Nach etwas Spürbaren, das wirklich existiert!18

BA_incm-Doku15.jpgBA_incm-Doku15.jpg

Der Markt & sein gesellschaftlicher Mehrwert

Der Hauptgrund für die Menschen einen Markt zu besuchen, ist vorerst noch immer die Ware: Gründe dafür sind eine bessere Qualität, ein günstiger Preis oder die Frische und Authentizität. Auch der direkte Preisvergleich und die Entscheidungsfreiheit über die Mengen sprechen dafür. 19 Doch würde man den Markt alleine auf seine Funktion des Einkaufens/der Versorgung reduzieren, würde er an Sinnhaftigkeit verlieren; denn ein Markt ist das Gegenteil von Effizienz. Betrachtet man den Markt ausschließlich unter wirtschaftlichen Aspekten, bleiben nicht mehr viele Gründe übrig, die für diese Art des Vertriebs sprechen. Ökonomisch betrachtet sind Märkte eine ineffiziente Methode, Vertrieb und Einzelhandel zu betreiben: Entweder besorgen die Händler ihre Ware selbst bei einem weiteren Großhändler, um sie dann zum Markt zu transportieren, wo sie dann verkauft werden. Oder die Produkte werden einzeln von den Höfen am Stadtrand abgeholt und einzeln zum Markt transportiert.20 Und dennoch hat es dieses Modell bis in die heutige Zeit, in der Shopping-Malls fest etablierte Versorgungseinheiten darstellen und Konzepte wie „Amazon Fresh“ keine Zukunftsutopien mehr sind, überlebt. Die Funktion eines Marktes geht also über die der reinen Versorgung hinaus. Aber was genau ist es, was das Konzept Markt neben dem wirtschaftlichen Aspekt am Leben erhält? Was ist der Wert jenseits des Profits? Was ist der Wert neben der Ware?

Grundlegend ist zu sagen: Obwohl im städtischen Raum eine hohe Fülle an Menschen vorhanden ist, ist eine menschliche Interaktion noch nicht vorausgesetzt. „Aber allein das Vorhandensein einer Vielzahl von Personen in der Stadt garantiert noch nicht, dass Wechselbeziehungen eingegangen werden. Dafür sind Interessen, Motive, Bedürfnisse und ökonomische Notwendigkeiten die Voraussetzung“.21 Der Markt verfügt somit über die Funktion der Versorgung und erzeugt Interaktionen zwischen den Menschen.

Kommunikationsplattform & Ort der Begegnung

Der Markt dient als Kommunikationsplattform und Ort der Begegnung. 22 Heutzutage leben so viele Menschen in Single-Haushalten wie noch nie. Klassische Familienkonstrukte werden immer seltener. Das Zusammengehörigkeitsgefühl wird anderswo als Zuhause gefunden.23 Orte und Veranstaltungen, an denen man Menschen begegnet, gewinnen somit immer mehr an Bedeutung. Der Markt dient für viele Menschen als Treffpunkt, an dem man Bekannten aus der Nachbarschaft über den Weg läuft. 24 Auch andere öffentliche Plätze in der Stadt nehmen die Funktion eines Ortes für Begegnung ein. Im Unterschied zum Park, der Einkaufsstraße oder der Parkbank, erscheint der Wochenmarkt nur an wenigen Wochentagen. Dadurch entsteht eine erhöhte Konzentration an Menschen, sowohl räumlich als auch zeitlich. 25 Der Soziologe Richard Sennett stellt den Markt als „zur Selbstdarstellung des Individuums im öffentlichen Raums“ 26 dar und bestätigt, dass es den Marktbesuchern unter anderem um das Begegnen anderer Menschen geht. Es ist somit ein sehen und gesehen werden. Außerdem verfügt der Markt über die Besonderheit der „unvollständigen Integration“,27 wie es der Soziologe Bahrdt nennt. Jedes Individuum agiert auf dem Markt losgelöst von seinem gewohnten sozialen Milieu.

Soziale Interaktion

Da das Angebot der Stände unterschiedlich ist, ist es notwendig, eine Vielzahl von Ständen zu besuchen, um seinen gesamten Einkauf zu erledigen. Mit der erhöhten Anzahl an Kauftransaktionen entsteht eine Vielzahl an interaktiver Kommunikation.28 Die Ware wird dort von den Händlern feilgeboten, oder der Besucher wird aufgefordert mit dem Händler zu feilschen. Richard Sennett sagt: „Auf einem Markt [...] entfalten Verkäufer und Käufer ihre ganze Theatralität. [...] Das Feilschen und die zugehörigen Rituale sind die verbreitetste Form von Alltagstheater in der Stadt, bei der der Einzelne als Schauspieler in der Öffentlichkeit auftritt. [...] Das stilisierte Wechselspiel zwischen Käufer und Verkäufer erzeugt eine soziale Verbindung zwischen ihnen.“ 29 Sozialen Interaktionen entstehen z.B. beim Warten in der Schlange (Besucher kommen mit Besuchern in Kontakt), bei der Suche nach dem gewünschten Produkt (Besucher mit Händlern) und durch Informationsaustausch über das gewünschte Produkt (Besucher mit Händlern). Das Feilbieten der Händler wird außerdem als eine Art „Show-Effekt“, und somit als erhöhten Erlebniswert, wahrgenommen. 30 Die Soziologen Hans-Paul Bahrdt und Ulfert Herlyn bezeichnen diese Art von Kontaktaufnahme auf dem Markt außerdem als „beliebig und freiwillig“31, als auch „zwanglos“. 32

Erlebnis- & Ereignischarakter

Bei einem Marktbesuch handelt es sich nicht um die routinierte, alltägliche Handlung wie die in einem Supermarkt. Es ist weniger eine Pflichthandlung des alltäglichen Lebens, als viel mehr ein Einkaufen mit erhöhtem Erlebniswert und Ereignischarakter. Die im folgenden erklärten Aspekte tragen zu der einzigartigen Atmosphäre eines Marktes bei:

Durch das verdichtende Angebot der Waren und der erhöhten Konzentration an Menschen entsteht so etwas wie ein chaotischer physischer Raum. Die einzigartige Atmosphäre wird von der Vielfalt und der Unordnung bestimmt. Das ist zum einen das bunte Warenangebot, zum anderen die unterschiedlichen Menschen, die man dort antrifft: Der türkische Marktschreier, das alte Marktweib, die trendige Bio-Stand-Verkäuferin. Nichts ist wirklich geordnet oder sortiert. „Die so entstehende Buntheit und die Vielfalt an Details erzeugt auch eine große Vielfalt von Eindrücken, die das Erleben des Marktes zu einer mehrdimensionalen Erfahrung machen.“33 Dies wird durch das ganz einheitliche Erleben mit allen Sinnen wie dem Riechen, Sehen, Hören und Fühlen unterstrichen.
Bei Märkten, welche unter freiem Himmel stattfinden, wird das Erlebnis durch das Draussensein und der Nähe zur Natur ergänzt. 34 Mit seinen lokalen und traditionellen Obst- und Gemüsesorten auf der einen Seite, und den exotischen Gewürzen und Spezialitäten auf der anderen, weckt der Wochenmarkt Eindrücke, die sich irgendwo zwischen einem vertrauten Heimatgefühl und der Fremdheit bewegen. Bei den ein oder anderen werden auch Kindheitserinnerungen bei einem Marktbesuch hervorgerufen und es entsteht ein Gefühl der Vertrautheit. Das Gefühl der Nostalgie wird geweckt und damit eine Sehnsucht nach einer vergangenen Zeit. Wir leben in einer Gesellschaft, die auf Effizienz und Leistung getrimmt ist. Wir sind eine Welt des Überflusses gewohnt, in der die Möglichkeit auf Konsum stets vorhanden ist. Auf dem Markt wird der Konsum mit dem Erlebnis verschmolzen. Neben dem Erledigen der Einkäufe des täglichen Bedarfs wird dem Besucher die Möglichkeit geboten, sich für eine Weile zu erholen, sich treiben zu lassen, die Zeit etwas entschleunigt wahrzunehmen. Der Marktgänger wird zum Flaneur. Freizeit und Konsum verschmelzen miteinander.35

Identifikation

Bei Veranstaltungen im Allgemeinen und beim Markt im Speziellen, gibt es stets Aspekte, mit welchen sich der Besucher identifiziert. Eine wichtige Rolle hierbei spielt beispielsweise der Ort wie der eigene „Kiez“ und der Zeitpunkt wie „jeder erste Sonntag im Monat“. Auch der Veranstalter und die Sprache im Sinne von Kultur und Kommunikationsmittel spielen eine Rolle. So haben viele Marktbesucher oftmals ihren „eigenen“ Händler, welchen sie regelmäßig aufsuchen oder ein bestimmtes Produkt, welches immer wieder gekauft wird.

3. Der Markt als Produkt

Der Markt als Marketing-Konzept

Deutlich wird, dass der Markt über eine verkaufsfördernde Atmosphäre verfügt und die Marketingwelt diese für sich entdeckt hat. Die Innenraumgestaltung von Supermärkten, Einkaufszentren oder auch der Verkaufsläden von Raststätten, imitieren gern stilistisch die Atmosphäre eines Marktes, in dem die Ware offen und bunt gemischt ausgelegt, und unter den charakteristischen rot-weiß gestreiften Schirmen präsentiert wird. An einen ländlichen Bauern-Markt erinnernd, werden Produkte in Holzkisten oder ganz einfach in bedruckten Boxen, welche das natürliche Material imitieren, präsentiert. Es wird versucht, den Erlebnischarakter eines herkömmlichen Marktes zu imitieren. Durch die künstlich erzeugte Marktatmosphäre soll das Gefühl der Nostalgie und der Tradition geweckt werden.36

Social Media

„#foodporn“ ist ein Begriff, der aus der Werbewelt stammt und eine edle und erotische Darstellung von Essen und Kochen beschreibt, welche der Pornografie ähnelt. 37 Essen und alles, was dazu gehört, ist spätestens seit Jamie Oliver Trend. Auf den Sozialen Netzwerken werden Bilder mit besonders attraktiv aussehendem Essen bzw. Portraits vor Gerichten gepostet. Essen und alles, was dazu gehört, ist Trend und somit ein Lifestyle-Produkt.38 Es ist etwas, mit dem man sich identifizieren möchte. Dabei zeigt es mehr als nur die dargestellten Lebensmittel. Es transportiert ein Lebensgefühl. Sei es eine bewusste und gesunde Lebensweise oder das Leben einer vielgereisten Person. Von #foodporn gibt es etliche verschieden Ableitungen, unter anderem #Marketporn. Auch hier sind verschiedene Stimmungen durch die Darstellung der Bilder rund um das Thema Markt zu finden: Ihre Schönheit, aber auch Absurditäten ferner Länder, exotische Früchte und kontrastreiche Bilder von Lebensmittel, Vielseitigkeit, Nostalgie, weit gereist sein, heile Welt, Tradition etc.

BA_incm-Doku22.jpgBA_incm-Doku22.jpg

4. Untersuchung

Märkte in Europa

Bei meiner anfänglichen Recherche untersuchte ich einige Märkte Europas auf ihre gestalterischen Besonderheiten.

Porta Palazzo in Turin

Was den Markt Porta Palazzo besonders macht, ist die Octagon-förmige Aufteilung der Piazza della Republica. Die Stände sind darin wie Quadrate angeordnet. Nach Foucault verschafft dies dem Markt, welcher über eine Besucherzahl von 100.000 Personen in der Woche erwartet, einen wesentlich besseren Überblick. Denn separiert man öffentliche Plätze in kleinere Teile, verschafft es dem Einzelnen einen besseren Überblick.39 Im Unterschied zu anderen Märkten, bei welchen es oftmals keine Aufteilung der Stände gibt und die Kleidung direkt neben dem Gemüse angeboten wird, müssen die Besucher auf dem Porta Palazzo nicht lange herumirren, um ihr gewünschtes Produkt zu finden. 40

Borough Market in London

Eine historische überdachte Markthalle mit einer Einganshalle im Art Déco-Stil: Besucht wird er sowohl von Gastronomen und Spitzenköchen, als auch von Touristen und Privatpersonen. Der Borough Market wurde für sein außergewöhnliches Einkaufserlebnis gekürt und gewann unter anderem einen Preis, welcher an diejenigen verliehen wird, welche einen Beitrag zur Verschönerung der Stadt beitragen.

Markthalle in Rotterdam

Eine 2014 fertiggestellte Markthalle und der erste komplett überdachten Lebensmittelmarkt in den Niederlanden überhaupt: Sie steht im Zentrum der Stadt, wurde vom Architekten Winy Maas entworfen und stellt eine hufeisenförmige langegezogene Architektur dar, welche über elf Stockwerke verfügt. Die Decke der Halle ist von dem Künstler Arno Coenen gestaltet und zeigt vergrößerte Früchte, Insekten, Blumen und Gemüse und ist somit eine zeitgenössische Variante eines alten holländischen Stilllebens. Das Besondere an dieser Markthalle ist, dass sie nicht nur Einkaufsmöglichkeiten und Gastronomie bietet, sondern ebenso über Wohnungen verfügt.50

BA_incm-Doku25.jpgBA_incm-Doku25.jpg

Märkte in Berlin

Wochenmarkt Maybachufer

Entlang des Landwehrkanals befindet sich der sogenannte „Türkenmarkt“, welcher dienstags, freitags und samstags stattfindet. Noch vor einigen Jahren war der Markt, an dem ausschließlich Obst und Gemüsesorten angeboten wurden, für seine ausgesprochen günstigen Waren bekannt. Mit der Veränderung der Anwohner des Stadtteils Neukölln veränderte sich auch das Angebot hin zu hochpreisigeren Produkten, auch die Palette der angebotenen Waren erweiterte sich: Mittlerweile findet man dort sowohl hochwertige Bio-Produkte als auch italienische Espresso-Stände. An dem Angebot von Souvenirs, Schmuck und Kleidung lässt sich ablesen, dass der Markt mittlerweile auch von Touristen gut besucht wird. Die Marktstände sind in drei Reihen angeordnet: Auf der am Ufer liegenden Seite, befinden sich zwei Reihen, welche sich gegenüber liegen, wodurch eine Allee entsteht. Der sich zwischen den Reihen befindliche Gang ist sehr schmal und während der Hauptbesuchszeiten oftmals überfüllt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich die dritte Standreihe. Die Aufenthaltsqualität aufwertende Angebote wie zum Beispiel Orte zum Sitzen bietet der Markt dabei kaum.

Wochenmarkt Karl-August-Platz

Der Charlottenburger Wochenmarkt auf dem Karl-August-Platz findet zu den traditionellen. Öffnungszeiten eines Wochenmarktes statt. Der Markt formt sich als Karree um den im Zentrum liegenden kleinen Park. Man erhält dort insbesondere Lebensmittel von hochwertiger Qualität.

Marheineke Markthalle

Im Hauptdurchgang befinden sich Lebensmittelstände und Cafes. Im Seitendurchgang findet man Non-Food-Läden wie ein Spielzeuggeschäft, einen Schlüsseldienst oder einen Handy-Shop. Das Gebäude ist mehrstöckig und die Verkaufsbuden im EG fest installierte Läden bzw. Pavillons. Mit dem stilistischen Spitzdach in den Farben blau, rot und grün erinnert ihr Aussehen dabei an ein traditionelles Bauernhaus oder einem klassischen Marktstand. Das Angebot reicht von hochwertiger Feinkost bis zu gewöhnlichem Hausmannskost. In der Mitte sind kleinere provisorische Stände platziert. Durch den neuen Innenausbau und der fest installierten Ladenketten erinnert die Halle mehr an eine Shopping-Mall, als an einen Markt.

Typologisierung der Märkte

Die Typologisierung basiert auf meinen persönlichen Marktbesuchen und Recherchen. Nicht immer sind die Märkte eindeutig zuzuordnen, sondern bilden Überschneidungen. Nach meinen ersten Recherchebesuchen auf Berliner Märkten, fokussierte ich mich auf den Markttyp Wochenmarkt.

Typologie mmärkte_mit Text.jpgTypologie mmärkte_mit Text.jpg

Gestalterische Analyse

Im folgenden Kapitel analysiere ich den Wochenmarkt auf dem Winterfeldplatz und den der Markthalle Neun nach folgenden gestalterischen Gesichtspunkten: Die Geschlossenheit Die Marktstände Der Grundriss Die Eingangssituation Die Aufenthaltsqualität Für meine Analyse habe ich bewusst zwei komplementäre Marktkonzepte gewählt, um möglichst viele Facetten eines Marktes kennenzulernen.

Bei dem Winterfeldmarkt, welcher bereits seit 1890 den Stadtteil Schöneberg mit Lebensmittel versorgt, handelt es sich um einen städtisch organisierten Wochenmarkt. Bei der Markthalle Neun hingegen stellt der Wochenmarkt der Markthalle neun einen Institutionellen und sehr jungen Markt dar.

Der Winterfeldplatz

Der Markt auf dem Winterfeldplatz in Schöneberg gehört zu den größten und bekanntesten Wochenmärkten Berlins. Bereits seit 1890 gibt es diesen Markt. Er versorgt die umliegende Nachbarschaft mit Lebensmitteln, Blumen, aber auch Kleidung und Handwerksarbeiten. Die Geschichte und Entwicklung des Marktes erzählt viel über die historische Entwicklung der Stadt Berlin und der Gesellschaft. „Es waren damals die Bauern aus Schöneberg, die auf dem Winterfeldplatz ihre Waren feilboten und die Hökerinnen aus Berlin: Frauen von niedrigem Stand, die nur billige Waren verkaufen durften“ 43 So wird der Markt heute mit deiner hochwertigen Waren besonders von den gut betuchten Mittelständern und Touristen besucht. Die Atmosphäre auf dem Markt variiert stark zwischen der Mittwochsveranstaltung und der am Wochenende. Am Wochenende ist der Platz voll mit über 120 Ständen und dementsprechend vielen Besuchern. Die Stände erstrecken sich über den gesamten Platz und breiten sich sogar auf die andere Seite der Kirche aus.
Mittwochs hingegen ist der Platz nicht einmal mit der Hälfte der Stände auf dem Platz gefüllt, und es entsteht eine große freie Fläche. Auch das Angebot variiert zwischen diesen beiden Tagen. Mttwochs sind weniger hochpreisige Lebensmittelstände zu finden. „Heute weicht der Winterfeldtplatz stark von seinem historischen Erscheinungsbild ab. Was sich nicht verändert hat, ist seine Nutzung als Markt; und als Markt ist er Kult.“44 Die Formate sind: Mittwoch von 8 – 14 Uhr und Samstag von 8 – 15 Uhr.

_MG_0099.JPG_MG_0099.JPG

Die Markthalle Neun

Die Kreuzberger Markthalle, welche bereits seit 1891 existiert, ist eine der drei erhaltenen historischen Markthallen Berlins und ist ein denkmalgeschütztes Gebäude. Markthallen wurden ursprünglich gebaut, um die unter freiem Himmel stattfindenden Wochenmärkte in den eng besiedelten Wohngebieten von Berlin zu ersetzen und den Hygienezustand zu verbessern. Vor dem Einzug der Supermarktketten und Discountern, welche die kleinen Standbetreiber vertrieben, stellte die Markthalle das ökonomische und soziale Zentrum des Stadtteils dar. Auf Wunsch der Nachbarschaft, wurde die Markthalle, welche zu der Zeit noch im städtischem Besitz war, verkauft und ist nun seit 2009 eine GmbH. Das Konzept der Markthalle greift den Aspekt „Halle für alle“ auf und verfolgt das Ziel, neben der Versorgung von regionalen und hochwertigen Produkten, einen Treffpunkt für Menschen aus allen Gesellschaftsgruppen darzustellen. „Als Ort der Begegnung ist ein Markt ein wichtiger öffentlicher Raum, der vielfältige soziale und politische Funktionen übernimmt und durch seine Kleinteiligkeit individuelle Differenziertheit und transparenten Austausch ermöglicht.“ 45 Auch wenn es sich bei der Markthalle Neun, um eine Institution handelt, sieht sich die Halle selbst als Erweiterung des öffentlichen Raums: „Ein Mikrokosmos von großer Vielfalt entsteht durch das unmittelbare Aufeinanderprallen unterschiedlichster Menschen und Waren.“ 46

_MG_9966.JPG_MG_9966.JPG

Der Grundriss

BA_incm-Doku32.jpgBA_incm-Doku32.jpg

Die Geschlossenheit

Das für einen Markt so charakteristische bunte Treiben wird unter anderem durch die Anordnung der Stände erzeugt. Ein in Maßen beengter Durchgang wirkt sich positiv auf den Marktbesuch aus. Es unterstützt die Dichte der Besucher und unterstreicht die Kompaktheit des Marktes. Dabei entsteht und unterstützt ein „Eintauchen“ in das Marktgeschehen. Hingegen bewirken freie Flächen, sowie offene Flächen sowie größere Lücken zwischen den Ständen das Gegenteil. Diese Beobachtung bezieht sich nicht nur auf das Innere eines Marktes, sondern ebenso auf dessen Umfeld. Einer Markthalle verleiht bereits die physische Barriere den Eindruck der Kompaktheit. Auf einem Markt an einem offenen Platz hingegen, spielen die umliegenden Gebäude eine wichtige Rolle. Bilden diese umliegenden Gebäude einen gewissen Rahmen, wirkt sich dies positiv auf den Besuch aus. Was das Gefühl der Geschlossenheit eines Marktes außerdem unterstreicht, ist ein einheitliches Gesamtbild der Verkaufsstände. 47

BA_incm-Doku34.jpgBA_incm-Doku34.jpg

Der provisorische Charakter

Der provisorische Charakter ist eines der charakteristischen Merkmale eines Marktes, den die Besucher als etwas positives wahrnehmen.48 Er unterstützt das Bild einer temporären Erscheinung

BA_incm-Doku35.jpgBA_incm-Doku35.jpg

Eingangssituation

Die Eingänge oder auch Tore eines Marktes sind wichtige Kriterien, die sich auf den Marktbesuch auswirken. Sie stellen die Schnittstellen zwischen dem Markt und dem umliegenden urbanen Raum dar. 49

BA_incm-Doku36.jpgBA_incm-Doku36.jpg
BA_incm-Doku37.jpgBA_incm-Doku37.jpg

Die Verkaufsstände

BA_incm-Doku39.jpgBA_incm-Doku39.jpg
BA_incm-Doku38.jpgBA_incm-Doku38.jpg
BA_incm-Doku40.jpgBA_incm-Doku40.jpg

Die Aufenthaltsqualität

BA_incm-Doku41.jpgBA_incm-Doku41.jpg

Visuelle Interviews

BA_incm-Doku42.jpgBA_incm-Doku42.jpg
BA_incm-Doku43.jpgBA_incm-Doku43.jpg

Fazit der Analyse

Fazit aus der Analyse der Markthalle Neun und dem Winterfeldplatzmarkt: Die wesentlichen Unterschiede der beiden Märkte sind wie folgt: Der städtisch organisierte Winterfeldmarkt unterliegt mehreren Richtlinien und ist daher weniger frei in seinen Möglichkeiten. Er stellt mit seinem Konzept einen traditionellen Markt dar, welches man an der frühen Uhrzeit und dem grundsätzlichen Aufbau erkennt. Dies spricht ein älteres Publikum an; Menschen, welche den Marktbesuch noch aus ihrer Kindheit kennen. Dieses traditionelle Konzept ist vor allem an der Funktion der Versorgung ausgerichtet. Orte die zum Verweilen einladen, sind nicht mit eingeplant. Bei der Markthalle Neun hingegen handelt es sich um eine Institution und diese ist somit frei in ihrer Planung und Durchführung. Das Konzept trifft den modernen, jungen Zeitgeist und spricht ein junges Publikum an. Für einen Wochenmarkt sind es ungewöhnlich späte Öffnungszeiten, welche jedoch den modernen Lebensumständen entsprechen. Das ältere Publikum hingegen, welches die Halle noch von früher kennt, kann sich nur noch wenig mit ihr identifizieren. Durch Sitzplätze und einer kleinen Spielecke bietet die Halle Potenzial für Aufenthaltsqualitäten. Der Aspekt eines Ortes der Begegnung wird in vielerlei Hinsicht erfüllt.

Aus den Gesprächen mit den Händlern und Veranstaltern, zog ich folgende erste Erkenntnis: Der Markt funktioniert in seinen Abläufen bereits gut so wie er ist. Nach Jahrelanger Erfahrung werden die Abläufe soweit optimiert, dass möglichst kein Handgriff zu viel gemacht werden muss. Würde man darin gestalterisch etwas optimieren wollen, wäre es notwendig, sich in die Rolle des Verkäufers und des Standverleihers zu begeben, um sich einen besseren Einblick zu verschaffen. Ich hingegen habe das Marktgeschehen aus der Perspektive des Besuchers beobachtet. Der Markt dient als Kommunikationsplattform und Ort der Begegnung und stellt für viele Menschen einen Treffpunkt dar. Neben anderen Aspekten geht es dem Marktbesuchern um das Begegnen anderer Menschen. Es ist ein „sehen und gesehen werden“. Es entstehen freiwillige, als auch zwanglose, soziale Interaktionen. Dies verleiht dem Markt einen gesellschaftlichen Mehrwert. Auf dem Markt wird dem Besucher die Möglichkeit geboten, sich für eine Weile zu erholen und sich treiben zu lassen. Verschiedene Faktoren, wie beispielsweise die Vielfalt, machen den Marktbesuch zu einem besonderen Erlebnis. Konsum und Freizeit verschmelzen miteinander und verleihen dem Markt neben dem Warenangebot seine Attraktivität. Bei der Frage, ob es bereits Besonderheiten in der Gestaltung gibt, welche den gesellschaftlichen Aspekt unterstützen, konnte ich insbesondere Antworten in der Markthalle Neun finden: Dort sind zum einen diverse Sitzgelegenheiten und eine Spielecke zu finden. Zum anderen schafft eine Sitz-Tribüne einen Ort zum längeren Verweilen. Der Winterfeldmarkt hingegen verfügt kaum über solche Plätze, obwohl während der Mittwochsveranstaltung ausreichend Fläche für solche Aspekte wäre. So bestätigen meine Rechercheergebnisse, dass ein Markt einen wichtigen Beitrag für den öffentlichen Raum darstellt und positiv zum gesellschaftlichen Gemeinwohl beiträgt. In meiner praktischen Arbeit, werde ich die Attribute, welche den Markt gesellschaftlich besonders machen, hervorheben.

Gesellschaftliche Bedeutung des Marktes

BA_incm-Doku46.jpgBA_incm-Doku46.jpg

5. Praktische Arbeit

Prozess

Brainstorming Um auf neue, unkonventionelle Ideenansätze zu kommen, nutzte ich die Methode „brainstorming“ gemeinsam mit anderen Personen um unkritisch, verrückt und weiterentwickelnd neue Ideen zu generieren. Unter Berücksichtigung meiner gestalterischen und theoretischen Analyse, war das Ziel einen Ort der Begegnung, des Erlebnisses und Erholung zu schaffen. Ich ließ die Teilnehmer zeichnen, was ihnen zu folgenden Fragen einfiel: Wie kann ich zwanglose Interaktionen zwischen den Besuchern schaffen? Wie kann ich die Lücken auf dem Markt füllen? Wie kann ich den Aspekt des Erlebnis hervorheben? Wie wird der Markt zum Ort des Erholens? Wie entstehen soziale zwanglose Interaktionen bzw. Begegnungen?

Brainstormin_01.jpgBrainstormin_01.jpg
BA_incm-Doku50.jpgBA_incm-Doku50.jpg

Formstudie

Während einer Formstudie, suchte ich nach Möglichkeiten, um die genannten Begriffe in eine dreidimensionale Form zu transformieren. Welche Form stellt das Erlebnis dar? Wie könnte Austausch und Kommunikation formal beschrieben werden? Wie beschreibt eine Linie Aktionen wie Begegnung oder Erholung? Welche Möglichkeiten gibt es für eine modulare Form? Mit Hilfe der Skizzen und der entstandenen Ideenansätze, entwickelte ich vorerst folgende grafische Formen.

BA_incm-Doku54.jpgBA_incm-Doku54.jpg
BA_incm-Doku53.jpgBA_incm-Doku53.jpg
BA_incm-Doku51.jpgBA_incm-Doku51.jpg

Das Konzept

Durch das Extrudieren der zweidimensionalen Form in einen Volumenkörper entstehen modulare Elemente, deren Ausgangsform auf die genannten Attribute verweisen. Sie stellen somit die Grundlage der Form dar. Durch Kombination und Anordnung entstehen neue Bilder und weitere Möglichkeiten. Es wird eine größtmögliche Interpretation offen gelassen.

Zusammen mit den Marktständen sind die Möbel leicht auf- und abzubauen, wodurch das Bild einer temporären Erscheinung und dem provisorischen Charakter erhalten bleibt. Die Ästhetik eines traditionellen Verkaufsstandes wird durch die Materialität aufgegriffen. So sollen die Möbel ebenso aus einem Nadelholz, wie Fichte oder Kiefer, gebaut werden.

Da die Kompaktheit und Fülle eines Marktes sich positiv auf den Besuch auswirkt und dies durch eine physische Barriere zum übrigen Raum entsteht, können die Elemente bei einer Veranstaltung, welche mit weniger Ständen als geplant bestückt ist, in den entstehenden Lücken platziert werden. Inspiriert von der Silhouette eines traditionellen Marktplatzes lehnen sich die Elemente formal an dieser an. Das Konzept entstand exemplarisch auf den Märkten Winterfeldplatz und Markthalle Neun, doch das modulare System ist auf jeder Art von Grundriss anwendbar. Füllt ein Markt die Mitte des Platzes, können die Elemente um ihn herum arrangiert werden. Ist der Markt wie ein Karree aufgebaut, platziert man die Elemente als Block oder kleine Inseln in der Mitte. Bei einem linear aufgebauten Markt, können die Elemente zwischen die Stände oder am Ende der Standreihen aufgestellt werden. Bei einer gut besuchten Veranstaltung, welche innerhalb des Marktes wenig Platz für weitere Möbel lässt, können die Elemente an den jeweiligen Eingängen platziert werden. Sie markieren somit den Eingang und lassen am Rande des Trubels einen Ort zum Verweilen entstehen. Ziel dieses Knzepts ist es einen Ort für Menschen jeden Alters zu schaffen.

Brainstormin_025.jpgBrainstormin_025.jpg
BA_incm-Doku56.jpgBA_incm-Doku56.jpg

Prototyping

Um ein Gefühl für die Größe im freien, öffentlichen Raum zu bekommen, testete ich die aus Mikrowellpappe gebauten Prototypen auf der Straße. Dabei ergab sich, dass das Objekt, ein Rechteck mit einem Loch versehen in seinen Proportionen verändert werden muss, um als kommunikative Sitzgelegenheit zu funktionieren. Schön zu beobachten war, dass die Nutzer sofort mit ihnen zu interagieren begannen.

BA_incm-Doku58.jpgBA_incm-Doku58.jpg

BA_incm-Doku61.jpgBA_incm-Doku61.jpg
BA_incm-Doku60.jpgBA_incm-Doku60.jpg
BA_incm-Doku59.jpgBA_incm-Doku59.jpg

BA_incm-Doku62.jpgBA_incm-Doku62.jpg
BA_incm-Doku63.jpgBA_incm-Doku63.jpg
BA_incm-Doku64.jpgBA_incm-Doku64.jpg

6. Umsetzung & Ausblick

Die Maße der einzelnen Bestandteile bewegen sich innerhalb der einer standardisierten Marktbude. So können die Möbel gemeinsam mit den herkömmlichen Marktbuden einer Leihfirma transportiert werden. Die Holzlatten bilden den Korpus, welcher durch einen Gährungsschnitt optisch erhalten bleibt. Diese werden auf Querlatten verschraubt und durch sogenannte Kulissenscharniere verbunden. Um sichtbare Beschläge auf der Außenseite zu vermeiden, wird der Deckel, welcher den Korpus verschließt, mit Gummiseilen in seiner Einfassung gehalten, welche dem Korpus seine Winkelstabilität gibt. Aufrecht stehende Module werden durch seitlich platzierte Elemente gestützt, sorgen dadurch durch Standfestigkeit und werden mit einem Schnappverschluss befestigt. In diesem Teil der praktischen Arbeit liegt der Fokus auf dem Konzept und dem Entwurf. Im zweiten Teil der Arbeit folgt die detaillierte Auseinandersetzung mit der Konstruktion. Darüberhinaus sollen die finalen Objekte auf dem Markt getestet und dokumentiert werden.

7. Quellen

BA_incm-Doku67.jpgBA_incm-Doku67.jpg
BA_incm-Doku68.jpgBA_incm-Doku68.jpg
BA_incm-Doku69.jpgBA_incm-Doku69.jpg

Ein Projekt von

Fachgruppe

Produktdesign

Art des Projekts

Bachelorarbeit

Betreuung

foto: Prof. Alexandra Martini foto: Detlef Saalfeld

Entstehungszeitraum

Sommersemester 2018