Mein Praxissemester habe ich vom 1. April bis zum 1. September 2025 bei Roberto Cuellar verbracht. Unsere Arbeitsbasis war kein klassisches Atelier, sondern ein Schreibtisch im Hinterraum des Designstudios Studio Trouble in der Manteufelstraße in Berlin-Kreuzberg, einem Studio von Jenne Grabowski, das sich vor allem mit Publikationen, Editorial Design und kuratorischen Projekten beschäftigt.

Das Besondere an diesem Praktikum war, dass es nicht aus einer Standardbewerbung entstanden ist. Eigentlich hatte ich mich bei mehreren 3D-Studios beworben, weil ich unbedingt etwas mit 3D machen wollte – doch nach vielen Absagen erinnerte ich mich an ein Gespräch mit Roberto. Wir hatten damals über die Idee gesprochen, seine funktionalen Skulpturen digital erlebbar zu machen. Also habe ich ihn einfach gefragt, ob wir das nicht im Rahmen eines Praktikums ausprobieren könnten. Zum Glück war er sofort dabei und so startete unser gemeinsames Experiment.

Von Anfang an war klar: Hier geht es nicht nur darum, praktische Aufgaben abzuarbeiten, sondern darum, gemeinsam neue Wege zu entwickeln Wie lassen sich Skulpturen in 3D übertragen, wie kann man sie virtuell erleben, und welche Workflows braucht es, um als Künstler und Designer effizient zusammenzuarbeiten? Dieses offene Setting hat mir nicht nur viele neue Skills gebracht, sondern auch den theoretischen Grundstein für meine Bachelorarbeit gelegt: das Manifest „Transcending Motion Forms“, das wir im Laufe des Praktikums gemeinsam entwickelt haben.

ARBEITSUMFELD

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Roberto kommt ursprünglich aus Mexiko, lebt mittlerweile in Berlin und hat an der Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Franka Hörnschemeyer studiert, wo er auch Meisterschüler war. Seine Arbeiten bewegen sich irgendwo zwischen Skulptur, Architektur und Skatekultur – und genau das macht sie besonders spannend. Viele seiner Skulpturen sind so gebaut, dass man sie nicht nur anschauen, sondern auch skaten oder anderweitig nutzen kann. Für ihn ist Skateboarding selbst eine Kunstform, und diesen Gedanken bringt er direkt in seine Arbeit ein.

Was mir dabei besonders gefällt, ist die Mischung: Auf der einen Seite eine sehr klare, geometrische Formensprache und technisch aufwendige Konstruktionen aus Holz, Stahl oder Kunststoff. Auf der anderen Seite immer die Idee, dass die Skulpturen im Raum lebendig werden – durch die Menschen, die sie nutzen, die Spuren hinterlassen und damit selbst Teil der Arbeit werden.

Über die Jahre hat Roberto viele Ausstellungen gemacht und auch Auftragsarbeiten, z. B. für die Skatehalle Berlin. Aber viel wichtiger als die Vita war für mich die Haltung, die er mitbringt: eine Mischung aus Skatekultur, Beharrlichkeit und künstlerischer Freiheit, die das Arbeitsumfeld für mich extrem inspirierend gemacht hat.

https://robertocuellar.com/category/work/

Beispiel einer Arbeit von Roberto Cuellar: eine skatebare, modulare Skulptur, die sich in verschiedene Obstacles umbauen lässt und so vielseitig genutzt werden kann. Die eigentliche künstlerische Ebene entsteht durch die Skatespuren auf der Oberfläche – jede Nutzung verändert das Werk. Die Skulptur wurde 2018 im Rahmen der Skate Week Berlin aufgebaut und konnte dort geskatet werden.

MOTIVATION

Meine Motivation für das Praxissemester war ziemlich klar: Ich wollte unbedingt tiefer in den Bereich 3D eintauchen. Für mich ist es das spannendste Feld überhaupt – Konzepte in 3D umzusetzen, Dinge digital darzustellen, Animationen zu bauen und dabei immer neue Techniken auszuprobieren.

Dass ich am Ende bei Roberto Cuellar gelandet bin, hat das Ganze nochmal besonderer gemacht. Ich skate ja selbst und finde den Gedanken von skatebaren Skulpturen super faszinierend. Sie sind nicht nur Objekte, sondern werden Teil einer Szene, die ich selbst lebe. Das verbindet meine Leidenschaft für 3D mit meiner Leidenschaft fürs Skaten auf eine Art, die für mich total Sinn ergibt.

Schon zuvor hatte ich erste Erfahrungen in Kollaborationen gesammelt, zum Beispiel mit den Rappern von Sonos Cliq, für die ich 3D-Visuals für eine Bühnenshow entwickelt habe. Dabei habe ich gemerkt, wie viel mir die Zusammenarbeit mit anderen gibt. Im Praktikum war mir deshalb wichtig, nicht nur an 3D-Umsetzungen zu arbeiten, sondern vor allem auch gemeinsam Konzepte zu entwickeln – mit einem klaren roten Faden, der später als gestalterische Grundlage dient. Genau dieses Miteinander, Ideen austauschen und zusammen etwas aufbauen, war für mich eine der Hauptmotivationen.

PROJEKTE

Projekt 01 Manifest Transcending Motion Forms

Das wichtigste Projekt während meines Praktikums war die Entwicklung unseres gemeinsamen Manifests „Transcending Motion Forms“. Die Idee dahinter ist eigentlich ganz einfach: Skulpturen müssen nicht nur im physischen Raum existieren, sondern lassen sich auch im digitalen Raum neu denken. Dort sind sie nicht auf feste Materialien wie Stein oder Holz beschränkt. Stattdessen können sie sich durch Bewegung, Interaktion und digitale Effekte ausdrücken.

Im Manifest beschreiben wir, dass virtuelle Skulpturen kein Ersatz sind, sondern eine Erweiterung. Im digitalen Raum können Materialien entstehen, die es in der Realität gar nicht gibt – leuchtende Oberflächen, bewegte Texturen oder Formen, die sich ständig verändern. Die Skulptur hört damit auf, ein statisches Objekt zu sein, und wird zu etwas Lebendigem, Veränderbarem, Interaktivem.

Wichtig ist auch: Diese Skulpturen existieren nicht isoliert, sondern immer in einem Raum, den man selbst gestalten kann. Dadurch entsteht ein eigenes kleines „Universum“, in dem die Skulptur lebt – und die Menschen, die damit interagieren, werden Teil der Arbeit.

Am Ende geht es uns darum, die Skulptur über ihre Materialität hinaus zu denken. Statt nur ein Objekt im Raum zu sein, wird sie zu einem Erlebnis, das man teilen, nutzen und mitgestalten kann – egal ob im physischen oder im digitalen Raum. Genau diese Haltung bildet den theoretischen Kern für alles, was wir im Praktikum gemacht haben.

Projekt 02 Modulare Skulptur

https://www.artstation.com/artwork/1NV6eX

Ein weiteres Projekt war die Entwicklung einer modularen Skulptur, die sich aus mehreren Einzelteilen zusammenstecken lässt und im aufgebauten Zustand wie ein kleiner Skatepark funktioniert. Ziel war es, die Skulptur zunächst im digitalen Raum erlebbar zu machen.

Dafür habe ich die Teile aus 2D-Vektoren in Blender modelliert, optimiert und anschließend mit verschiedenen Materialideen experimentiert. Am Anfang dachten wir an eine Holzoptik, später haben wir uns aber für ein transluzentes Material entschieden – eine Art bernsteinartige Oberfläche mit Luftblasen, die zwischen Hartplastik und Glas wirkt. Zusätzlich haben wir mit leuchtenden Effekten gespielt, um eine ungewöhnliche, fast futuristische Materialität zu erzeugen.

Ich habe die Skulptur anschließend animiert – einmal als Einzelteile, einmal im zusammengebauten Zustand und schließlich so, wie sie als Skatepark-Element funktioniert. Das Projekt hat uns geholfen, einen gemeinsamen Workflow zu entwickeln: Ich konnte Roberto zeigen, was im 3D-Raum alles möglich ist, während wir zusammen entschieden haben, welche Ideen wir weiterverfolgen und welche wir wieder verwerfen.

Am Ende haben wir die Ergebnisse als kurzes Instagram-Reel veröffentlicht, um einen ersten Einblick in unsere digitale Arbeit zu geben.

Projekt 03 Virtueller Ausstellungsraum

Das dritte Projekt im Praktikum war die Entwicklung eines virtuellen Ausstellungsraums. Ausgangspunkt dafür war eine 2D-Grafik von Roberto, die ich in 3D übertragen und zu einer kugelförmigen Skulptur weiterentwickelt habe. Diese Skulptur sollte nicht einfach isoliert stehen, sondern in einem digitalen Raum präsentiert werden, der ihre Wirkung verstärkt und gleichzeitig eine neue narrative Ebene eröffnet.

Die Arbeit am Ausstellungsraum war für uns deshalb besonders spannend, weil wir verstanden haben, dass eine Skulptur nicht nur für sich alleine funktioniert, sondern immer auch einen Kontext braucht. Erst durch das Environment wird klar, wie sie erlebt werden kann und welche Atmosphäre entsteht. Wir haben den Raum deshalb so angelegt, dass er die Skulptur in Szene setzt und gleichzeitig eine eigenständige ästhetische Ebene bildet.

Dieses Projekt diente uns vor allem dazu, ein Pitch-Material aufzubauen: Mit dem virtuellen Ausstellungsraum konnten wir zum ersten Mal eine Arbeit in einer Umgebung präsentieren, die sich auch an mögliche Kund:innen oder Partner:innen richten lässt. Damit war der Ausstellungsraum ein wichtiger Schritt, um unser Konzept nicht nur intern weiterzudenken, sondern auch nach außen sichtbar zu machen.

https://www.artstation.com/artwork/bgWWgk

Fazit & Ausblick

Mein Praxissemester bei Roberto Cuéllar war für mich weit mehr als ein klassisches Praktikum. Ich habe nicht nur neue technische Skills in 3D und Programmen wie Unreal Engine vertieft, sondern vor allem gelernt, wie wichtig es ist, gemeinsam Konzepte zu entwickeln und einen klaren roten Faden für Projekte zu finden.

Mit dem Manifest Transcending Motion Forms, der modularen Skulptur und dem virtuellen Ausstellungsraum haben wir drei sehr unterschiedliche Ansätze ausprobiert – von der theoretischen Grundlage über experimentelles Material-Design bis hin zur Inszenierung einer Skulptur in einem digitalen Raum. Dabei wurde schnell klar: Eine Skulptur funktioniert nicht isoliert, sondern braucht immer einen Kontext, sei es durch Materialität, Raum oder Interaktion.

Das Praktikum war für mich auch deshalb besonders, weil daraus eine künstlerische Zusammenarbeit entstanden ist, die weit über die Praxisphase hinausgeht. Gemeinsam mit Roberto wollen wir das Kollektiv
yaghaus als Plattform weiterführen und damit neue Projekte zwischen Skulptur, digitalem Raum und Skatekultur realisieren.

Die nächste Etappe ist nun meine Bachelorarbeit, die direkt auf den Inhalten des Praktikums aufbaut. Sie wird es uns ermöglichen, unser Konzept filmisch zu verdichten und als Grundlage für zukünftige Pitches und Kooperationen zu nutzen.