Heutzutage ist es fast selbstverständlich, dass wir überall im Alltag unser Smartphone nutzen. Dabei beschränken wir uns oft nicht nur auf eine Anwendung, sondern interagieren mit mehreren Anwendungen gleichzeitig und wechseln zwischen ihnen hin und her. Dieses Multitasking birgt aber auch Risiken, weil wir unsere eigentliche Aufgabe(n) nicht mehr richtig ausführen können, wir nicht fokussiert sind. In diesem Aufsatz wenden wir eine Methode namens Counterfunctional Thing auf App-Interaktion mit dem Smartphone an und schränken die Benutzerfreundlichkeit von Apps ein, um die Aufmerksamkeit Fokus des Benutzers zu erhöhen. Unser Thing (Ding), genannt Digitalized Fingers, weist verschiedenen Funktionen verschiedenen Fingern zu. Dadurch werden einerseits die Interaktionsmöglichkeiten eingeschränkt, andererseits aber auch neue Methoden ermöglicht. Darüber hinaus stellen wir einen Prototyp für die Umsetzung dieser Möglichkeiten vor.

1. EINLEITUNG

Im Alltag erledigen wir oft mehrere Aufgaben gleichzeitig und auch in der digitalen Welt nutzen wir Apps gleichzeitig und wechseln zwischen ihnen hin und her. Die Apps sind dabei so einfach zu bedienen, dass wir ihre Inhalte nicht mehr bewusst konsumieren. Ist unser Körper aber mit zu vielen gleichzeitigen Aufgaben überlastet, machen wir Fehler oder werden langsamer. Wir können uns nicht mehr voll auf die jeweilige Hauptaufgabe konzentrieren.

Das Ziele dieses Projekt sind zum einen die Aufmerksamkeit für App-Inhalte zu erhöhen und zum anderen die Smartphone-Nutzung im Alltag zu unterbinden, bzw. zu erschweren. Die Grundidee dazu ist es die Bedienbarkeit von Apps zunächst beschränken und die Designmethode “Counterfunctional Thing” anzuwenden. In dieser Methode wird die Bedienbarkeit zunächst beschränkt, indem jedem Finger eine App oder Funktion zugeordnet wird. Dadurch lässt sich das Smartphone nicht mehr mit einem beliebigen Finger bedienen und man muss sich stärker auf die Bedienung konzentrieren. Dies erhöht einerseits die Aufmerksamkeit für die jeweilige Anwendung und erschwert andererseits die Smartphone-Nutzung im Alltag.

Durch die Anwendung der Counterfunctional Thing-Designmethode entstehen durch unsere Limitation aber auch noch zusätzliche Interaktionsmöglichkeiten, die hier ebenfalls vorgestellt werden.

2. DAS PROJEKT (Hauptteil)

Entwürfe

Zu beginn des Kurses habe wir verschiedene Prototypen entworfen und Inconvenient Design einfließen lassen. Auch die Counterfunctional Thing Designmethode wurde dabei bereits angewendet.

Seifenspender: Ein Spender mit einer komischen Form, der unzufrieden machen soll, der sich nicht in der Hand halten lässt und sehr rutschig ist. Er hat die Form und Struktur eines weichen Balls, wobei die Seife im Innern des Balls durch ein kleines Loch durch pressen des Balls nach außen auf die Hand gelangt. Dieses Loch ist schwer zu finden und durch das Drücken spritzt die Seife in alle möglichen Richtungen. Letztlich lässt sich der Seifenspender durch seine runde Form nirgendwo gut ablegen und rollt vom Waschbecken.

Facebook Coupon: Die Idee eines Facebook Coupons ist ein Gegenvorschlag um uns für digitale Inhalte aufmerksamer zu machen und diese bewusster zu konsumieren. Die Grundidee dazu ist, dass die Nutzungszeit der Apps zu limitiert ist. Nutzer können App-Coupons auf Veranstaltungen (z.B. Partys) bekommen und diese dann in der jeweiligen App einlösen müssen.

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Ausgangspunkt und Problemstellung

Beim Fernsehen eine Nachricht verschicken, beim Abwaschen einen Podcast hören oder beim Essen nebenbei ein Spiel auf dem Smartphone spielen; überall setzen wir im Alltag unsere Multitasking-Fähigkeiten ein. Hierbei erledigen wir mehrere Aufgaben gleichzeitig oder wechseln zwischen diesen in kurzen Zeitabständen und lasten so unseren Körper und Geist stärker aus. Heutzutage spielen dabei digitale Inhalte wie Apps eine immer größere und wichtigere Rolle weil sie uns komfortable Wege bieten um mit der digitalen Welt ganz nebenbei im Alltag in Verbindung zu kommen. Bei der Nutzung des Smartphones nutzen wir dann oft auch verschiedene Anwendungen gleichzeitig und wechseln zwischen Nachrichtendiensten, sozialen Netzwerken und Spielen schnell hin und her.

Allerdings birgt dieses Multitasking auch Gefahren wenn wir uns zu sehr in die digitale Welt begeben und den Bezug zu unserer realen Umgebung verlieren. Dann stolpern wir beim Laufen, lassen unser Essen in der Küche anbrennen, steigen in den falschen Zug oder treffen uns weniger mit Freunden.

Um diese Situationen zu vermeiden wollen wir die Bedienbarkeit von Apps erschweren und auf diesem Weg die Nutzung von Smartphones im Alltag verringern. Durch die zusätzliche Konzentration, die ein Anwender wegen der Reibung aufbringen muss, sollen die Anwendungsinhalte auch bewusster wahrgenommen werden.

Für die Umsetzung dieser Reibung wende ich in diesem Projekt die Designmethode Counterfunctional Thing an. Dabei entstehen durch die gewählte Einschränkung zusätzliche Nutzungsmöglichkeitn, die vorher nicht möglich waren und die ich ebenfalls vorstelle.

Anforderungen

Um Nutzer durch eine zusätzliche Reibung an eine App zu binden, habe ich zunächst folgende Anforderungen an diese Reibung definiert:

Nicht die Anwendung selbst einschränken: Die Reibung darf die App nicht in den Nutzungsmöglichkeiten einschränken. Alle Interaktionen, wie z.B. scollen oder zoomen, müssen weiterhin möglich sein.

Nutzerfokus erzwingen: Der Nutzer muss durch die Reibung gezwungen werden fast ständig auf den Bildschirm zu schauen. Würde die Reibung Blicke in die Umgebung zulassen (auf den Fernseher, die Straße, etc.), würde die App weiterhin gleichzeitig zum Alltag genutzt werden.

Nicht komplex: Die Reibung darf nicht zu komplex sein und den Anwender verwirren. Ist die Reibung zu konfus, würde der Nutzer nicht mehr mit App interagieren können, was ggf. die Anwendung selbst einschränkt.

Nachvollziehbar: Letztlich muss die Reibung für den Anwender stets nachvollziehbar sein, also auch nach einer Unterbrechung durch die Umgebung. Natürlich muss der Aufwand dazu aber höher sein als auf einen Reiz aus der Umgebung zu reagieren.

Digitalized Fingers

Basierend auf diesen Anforderungen habe ich eine Idee namens “Digitalized Fingers” als mögliches Counterfunctional Thing entwickelt. Die Grundidee meines Konzepts ist es, jedem Finger eine App oder Funktion zuzuweisen. So muss zum Beispiel Facebook mit dem Zeige- und Whatsapp mit dem Mittelfinger bedient werden.

Diese Art von Reibung ist im Einklang zu meinen Anforderungen weil er nicht die Funktionen einschränkt, Nutzer zwingt sich auf das Smartphone zu konzentrieren (man kann nicht mehr einen beliebigen Finger zur Interaktion nutzen), leicht nachvollziehbar und nicht zu komplex ist.

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Neue Interaktionsmöglichkeiten

Durch die Anwendung der Counterfunctional Thing Designmethode entstehen durch digitalized Fingers folgende neue Interaktionsmöglichkeiten:

Gleichzeitige Eingabe: 

Wenn jeder Finger einer anderen App zugeordnet ist, kann der Nutzer für verschiedene Apps gleichzeitig Eingaben tätigen. So könnte er auf der selben, virtuellen Tastatur eine Whatsapp-Nachricht schreiben und ein Bild auf Instagram kommentieren. Man könnte auch jedem Finger eine andere Sprache zuweisen. So würde der Anwender dann z.B. deutsche Vorschläge zur Vervollständigung angezeigt bekommen wenn er mit dem Zeigefinger tippt und englische wenn er einen anderen Finger nutzt.

Objektzuweisung: 

Es können den einzelnen Fingern auch Objekte auf dem Bildschirm zugewiesen werden. Dies ist zum Beispiel bei Office-Programmen oder Spielen sinnvoll. So könnte z.B. dem Zeigefinger eine Tabelle, dem Mittelfinger die Zelle und dem Ringfinger der Text in einer Zelle zugewiesen werden. Auf diese Weise könnte der Anwender genau das Element auswählen, was er bearbeiten möchte und muss nicht durch verschiedene Gesten das gewünschte Element auswählen. Bei Spielen könnte der Hauptperson im Spiel der Zeigefinger und seiner Umgebung der Mittelfinger zugewiesen werden. Falls Spieler ein Objekt hinter der Hauptperson im Spiel auswählen wollen, können sie dies ohne den Charakter zu bewegen.

Funktionszuweisung: 

Eine Zuweisung von konkreten Funktionen innerhalb einer App ermöglicht weitere Interaktionen. In einem Fotobearbeitungsprogramm könnte z.B. der Mittelfinger der Helligkeit, der Ringfinger dem Kontrast und der kleine Finger der Sättigung zugewiesen sein. Über eine einfache Geste mit allen drei Fingern könnte so das Bild zum gewünschten Ergebnis gebracht werden.

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